Seit dem 12. September laufen Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie. Die IG Metall hat ihre Forderung bereits am 11. Juli beschlossen: 8 Prozent mehr Geld. Doch die Arbeitgeber haben sechs Wochen lang und über 22 Verhandlungstermine auf Zeit gespielt – und keinerlei Angebote gemacht.
Kurz vor Ablauf der Friedenspflicht am 28. Oktober haben sie dann in der dritten Verhandlungsrunde endlich ein erstes Angebot präsentiert: 3000 Euro „Inflationsausgleichsprämie“.
Für ein erstes Angebot wirkt das oberflächlich betrachtet gar nicht so schlecht. Das wissen die Arbeitgeber genau. „Arbeitgeber bieten 3000 Euro“, kommt dann verkürzt in der Öffentlichkeit an. Was hinten wegfällt, sind wichtige Details wie die Laufzeit. Es macht einen Riesenunterschied, ob eine Lohnerhöhung für 12 Monate gilt – und dann wieder über weitere Erhöhungen verhandelt werden kann – oder, wie von den Arbeitgebern jetzt zur Bedingung gemacht, für 30 Monate. Auch Gegenforderungen der Arbeitgeber, wie jetzt die Kürzung von Sonderzahlungen wie dem Weihnachtsgeld fallen gerne in der verkürzten öffentlichen Diskussion einfach mal weg.
Daher hat der Erste Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, das 3000-Euro-Angebot auch als „Scheinriese“ bezeichnet: Sieht erst mal groß aus, wird aber bei näherer Betrachtung immer mickriger.
Das Angebot der Arbeitgeber im Detail
- 3000 Euro in Einmalzahlungen, unter der Voraussetzung einer Laufzeit von 30 Monaten – ohne konkreten Zeitpunkt der Auszahlung.
- Wenn die IG Metall der Laufzeit von 30 Monaten zustimmt, stellen die Arbeitgeber „in Aussicht“, auch über prozentuale Erhöhungen zu verhandeln, die dauerhaft in die Tariftabellen eingeht. Eine konkrete Prozentzahl haben die Arbeitgeber jedoch nicht genannt – auch keinen voraussichtlichen Zeitpunkt der Erhöhung.
Dafür fordern die Arbeitgeber als Bedingung Einschnitte in den Tarif:
- eine dauerhafte automatische „Differenzierung“ (= Kürzung) von tariflichen Sonderzahlungen wie dem tariflichen Zusatzgeld, wenn der Gewinn unter eine bestimmte Marge sinkt – ohne Zustimmung der IG Metall.
- eine dauerhafte „Variabilisierung“ (= Kürzung) von tariflichen Sonderzahlungen wie dem Urlaubs- und Weihnachtsgeld – ohne dass die IG Metall zustimmt und zudem ohne Zusagen zu Arbeitsplätzen
- „tarifliche Mechanismen“ bei Eintreten einer Gasnotlage (= Nullrunde)
In einigen Tarifgebieten fordern die Arbeitgeber zudem die Verlängerung der Arbeitszeit. Wenn wir etwa vier Stunden länger arbeiten, hätten wir ja auch mehr Geld.
Die Tarifkommissionen der IG Metall (überwiegend Betriebsräte und IG Metall-Vertrauensleute aus den Betrieben) haben das Arbeitgeberangebot abgelehnt und Warnstreiks beschlossen.
Nur 100 Euro mehr im Monat = im Schnitt 2 Prozent
Die von den Arbeitgebern angebotene Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro auf 30 Monate ist mit umgerechnet 100 Euro mehr im Monat viel zu mager. 3000 Euro auf 30 Monate gerechnet sind 1200 Euro im Jahr oder 100 Euro im Monat zusätzlich. Auf das durchschnittliche Entgelt in der Metall- und Elektroindustrie (Monatsentgelte + Sonderzahlungen) umgerechnet entspricht das etwas über 2 Prozent mehr Geld im Jahr.
Ja, es stimmt, dass Beschäftigte mit niedrigen Einkommen überproportional von den 3000 Euro profitieren würden. Doch selbst in der untersten Entgeltgruppe landen wir dann bei lediglich 3,2 Prozent zusätzlich. Viel zu wenig bei der aktuellen Inflation von über 10 Prozent. Die Folge wären massive Reallohn- und Kaufkraftverluste
Die 100 Euro mehr sind nach 30 Monaten wieder weg
Die von den Arbeitgebern angebotene Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro bezieht sich auf eine Regelung im Ende Oktober vom Bundestag verabschiedeten dritten Entlastungspaket. Dort heißt es: „Der Bund ist bereit, bei zusätzlichen Zahlungen der Unternehmen an ihre Beschäftigten einen Betrag von bis zu 3000 Euro von der Steuer und den Sozialversicherungsabgaben zu befreien.“
Die Inflationsausgleichsprämie muss zusätzlich gezahlt werden und kann daher nicht etwa mit dem normalen Urlaubs- oder Weihnachtsgeld verrechnet werden. Die Regelung ist bis zum 31. Dezember 2024 befristet. Weitere Details zur Inflationsausgleichsprämie findest Du hier.
„Zusätzlich“ bedeutet: Die rechnerisch 100 Euro mehr im Monat kommen nicht dauerhaft auf die in den Tariftabellen der Metall- und Elektroindustrie festgeschriebenen Monatsentgelte drauf, sondern sind nach Ablauf der 30 Monate wieder weg.
Das heißt: Ab Mai 2025 hättest Du wieder genauso wenig Geld wie jetzt. Nicht nur das Monatsentgelt, sondern auch die mittlerweile vier jährlichen tariflichen Sonderzahlungen in der Metall- und Elektroindustrie (Transformationsgeld, Urlaubsgeld, T-ZUG, Weihnachtsgeld) würden auf dem jetzigen Stand hängen bleiben, da sie prozentual an das Monatsentgelt gekoppelt sind.
Doch die jetzt schon stark gestiegenen Preise werden laut Prognosen der Wirtschaftsforscher auch zumindest nächstes Jahr noch weiter massiv steigen. Dafür brauchen wir unbedingt auch eine dauerhafte prozentuale Erhöhung unserer Entgelte.
30 Monate Laufzeit = 30 Monate keine weitere Erhöhung
Die 3000 Euro Inflationsprämie wollen die Arbeitgeber zudem nur zahlen, wenn die IG Metall einer Laufzeit von 30 Monaten zustimmt. Dann würden die Arbeitgeber sogar Verhandlungen über prozentuale Erhöhungen „in Aussicht stellen“, wie sie sagen. Allerdings nur wenn die Gewinne stimmen, womit jedoch vor 2024 kaum zu rechnen sei.
30 Monate Laufzeit würde heißen, dass in den neuen Tarifverträgen eine Friedenspflicht bis Ende April 2025 festgeschrieben wird. Bis dahin könnte die IG Metall dann keine neuen Entgeltforderungen mehr stellen und keine weiteren Tariferhöhungen durchsetzen – egal wie die Preise weiter explodieren.
In 30 Monaten kann sehr viel passieren: Wenn wir etwa von heute 30 Monate zurückschauen, dann wären wir im Frühjahr 2020. Die Inflation lag damals bei 0,9 Prozent. Mit dem Ukraine-Krieg und einer Verzehnfachung der Inflation hat damals niemand gerechnet.