Tarifrunde Metall und Elektro 2022
Warum wir 8 Prozent mehr Geld fordern

Die Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie laufen. Die IG Metall fordert eine Erhöhung der Monatsentgelte um 8 Prozent. Aber wie kommt die IG Metall zu dieser Forderung? Mit welcher Begründung? Wir erklären: Darum fordern wir 8 Prozent.

27. September 202227. 9. 2022 |
Aktualisiert am 20. Oktober 202220. 10. 2022


Gebt 8. Die 8 lacht. Möge die 8 mit uns sein. 8 Prozent geben Du musst. Mit der „8“ lassen sich zig Varianten an Slogans und Sprüchen für Demos, Transparente und Flugblätter generieren. Vieles davon haben die Metallerinnen und Metaller bereits auf den Auftaktdemos zum Start der Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie gezeigt.

Doch warum 8 Prozent? Wie begründet die IG Metall ihre Tarifforderung? Und wie kommt sie zu dieser Forderung?

 

„Wer die Preise kennt, will 8 Prozent“

So lautet ein Slogan im IG Metall-Bezirk Mitte. Die Inflation liegt derzeit bei rund 8 Prozent (Grafik anzeigen). Vor allem die Preise für Energie explodieren. Dafür brauchen die Beschäftigten einen Ausgleich. Ja, auch die Arbeitgeber sind von den Preissteigerungen betroffen – doch anders als die Beschäftigten kann die Mehrzahl der Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie ihre Preissteigerungen an Kunden weiterreichen: Sie haben ihre Erzeugerpreise seit Januar 2021 um 13,7 Prozent erhöht.

Aber ihren Beschäftigten wollen die Metall-Arbeitgeber keine höheren Preise, keine höheren Entgelte zugestehen. Auch in der zweiten Verhandlungsrunde machten sie bislang keinerlei Angebot, einige regionale Arbeitgeberverbände fordern sogar eine „Nullrunde“ – also keinerlei Entgelterhöhung – sowie die „Variabilisierung“ von tariflichen Sonderzahlungen.


Arbeitgeber können sich 8 Prozent mehr leisten

Insolvenzen, Schließungen, Entlassungen, Rezession – all das droht nach Darstellung der Arbeitgeber, wenn sie 8 Prozent mehr Lohn zahlen müssten. Tatsächlich sieht es in den meisten Betrieben gut aus. In der Metall- und Elektroindustrie sind laut einer aktuellen Betriebsrätebefragung der IG Metall weniger als 2 Prozent der Betriebe von Insolvenz bedroht.

Für Panik und Untergangsstimmung ist kein Anlass. Arbeit ist ohne Ende da (Grafik anzeigen). Der Auftragsbestand reicht im Schnitt für ein halbes Jahr. Viele Betriebe brummen wie nie – und die Beschäftigten arbeiten längst an der Belastungsgrenze. Aus drei Viertel der Betriebe berichten Betriebsräte über gute bis sehr gute Auftragsbestände und Auslastung. Mehr als zwei Drittel der Betriebe können ihre gestiegenen Preise zumindest teilweise an Kunden weitergeben. Viele Unternehmen vermelden trotz Ukraine-Krieg sogar Rekordgewinne.

Zudem ist der Anteil der Personalkosten viel geringer, als viele glauben: In der Industrie liegt der Anteil der Entgelte, Löhne und Gehälter bei etwas über 20 Prozent vom Umsatz. Das bedeutet: Eine Erhöhung der Entgelte um 8 Prozent entspricht rechnerisch einer Erhöhung der Gesamtkosten um lediglich 1,6 Prozent.
 

Wenn die Kaufkraft sinkt, droht Rezession

Eine Rezession – ein Schrumpfen der Wirtschaft – droht vielmehr, weil die Verbraucher wegen der hohen Inflation nicht mehr genug kaufen können. Mit minus 36,5 Punkten sank der GfK-Konsumklimaindex im September 2022 auf einen neuen historischen Tiefstand (Grafik).

Privater Konsum - Infografik zur Metall-Tarifrunde 2022


Durch den Rückgang der Nachfrage steigt auch die Gefahr einer Rezession. Denn der private Konsum trägt rund 50 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei (Grafik anzeigen). Unsere Kaufkraft, unsere Nachfrage ist also die wesentliche Stütze unserer Wirtschaft.

Die Wirtschaftsforscher haben daher bereits ihre Konjunkturprognosen für dieses und nächstes Jahr deutlich gesenkt. In ihrem gemeinsamen Herbstgutachten rechnen jetzt mit weniger Konsum und daher mit einem leichten Rückgang des BIPs im zweiten Halbjahr 2022 und im kompletten Jahr 2023. Im Sommer hatten die Wirtschaftsforscher noch Wachstum vorhergesagt, vor allem weil sie mit einem deutlich anziehenden privaten Konsum gerechnet haben. Den Konsum müssen wir also unbedingt mit höheren Entgelten und mehr Kaufkraft anschieben.


8 Prozent – „Warum so wenig?“

Ja, die Inflation wird nach Prognose der Ökonomen die Preise auch 2023 noch weiter treiben. Warum fordert die IG Metall dann nur 8 Prozent? „Zu wenig“, kritisieren viele Beschäftigte. Und auch in den Tarifkommissionen brachten Betriebsräte und IG Metall-Vertrauensleute – insbesondere aus Großbetrieben – höhere Forderungen aus der Diskussion in ihren Betrieben ein.

Doch nicht allen Betrieben geht es so gut. Das zeigen auch Befragungen der IG Metall: In etwas mehr als einem Drittel der Betriebe berichten Betriebsräte über eine weniger gute oder gar schlechte Gewinn- und Ertragslage. Ein Teil der Betriebe, vor allem Zulieferer, können eben keine Preiserhöhungen durchsetzen, um die gestiegenen Kosten zu kompensieren. In manchen kleinen und mittleren Betrieben mit hohem Energiekostenanteil ist die Situation tatsächlich ernst. Zudem fehlen Teile und Rohstoffe, insbesondere Halbleiterchips und Metalle.

Insgesamt brummt die Metall- und Elektroindustrie zwar – doch nicht allen Betrieben geht es gut. Das sehen auch die Tarifkommissionsmitglieder aus den gut laufenden Betrieben ein. Daher haben sich die Tarifkommissionen schließlich auf eine gemeinsame, solidarische Forderung geeinigt, die auch die weniger gut laufenden Betriebe mitgehen können: 8 Prozent.
 

Tariferhöhung plus Entlastung aus Berlin

Mit Tarifpolitik allein ist die aktuelle Kriegsinflation nicht aufzufangen. Daher setzt sich die IG Metall gemeinsam mit den anderen DGB-Gewerkschaften in Berlin für Entlastungen durch die Politik ein – wir waren die ersten, die einen Strom- und Gaspreisdeckel gefordert haben. und hat bereits einiges erreicht. Die bisherigen zwei Entlastungspakete helfen den Beschäftigten deutlich. Unter anderem sollen ab 1. Januar 2023 zusätzliche Zahlungen des Arbeitgebers bis zu 3000 Euro im Jahr steuer- und abgabenfrei möglich sein, auch in monatlichen Raten.

Jetzt hat die Bundesregierung auch eine Strom- und Gaspreisbremse beschlossen. Die IG Metall fordert das seit dem Frühjahr und hat dazu auch eine eigene Kampagne gestartet. Dies soll Teil von Scholz neuen 200-Milliarden-“Doppel-Wumms“ sein. Damit werden Unternehmen und Haushalte wirksam entlastet.

Einzelheiten insbesondere beim Strom müssen noch geklärt werden. Nach ersten Vorabberechnungen zur Gaspreisbremse jedoch könnten dadurch private Haushalte um 1200 bis 2500 Euro im Jahr entlastet werden. Für die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie rechnet der Arbeitgeberverband Gesamtmetall mit rund 5 Milliarden Euro Entlastungswumms allein beim Gas.

Die IG Metall macht weiter Druck, dass die Strom- und Gaspreisbremse auch wirklich schnell kommt.

„Wir brauchen Energiekostenzuschüsse für alle Haushalte sowie für energieintensive Betriebe“, erklärt der Erste Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann. „Entscheidend wird sein, dass es über ordentliche Lohnentwicklungen, staatliche Entlastungen und die Dämpfung der Preisentwicklung gelingt, mit Kaufkraft für Stabilität zu sorgen.“
 

8 Prozent, dauerhaft, monatlich, tabellenwirksam

Die IG Metall fordert eine Erhöhung der tariflichen Monatsentgelte um 8 Prozent. „Tabellenwirksam“ soll die Entgelterhöhung sein, heißt es zudem. Das bedeutet, dass die Entgelte in den Tariftabellen der einzelnen Tarifgebiete der Metall- und Elektroindustrie erhöht werden müssen – also dauerhaft.

Warum? Die letzte tabellenwirksame Erhöhung der Monatsentgelte gab es im April 2018. In den Metall-Tarifrunden 2020 und 2021 hat die IG Metall wegen der Corona-Krise und der Transformation vorrangig Arbeitsplätze gesichert. Dauerhaft mehr Geld gab es trotzdem – nämlich zwei neue jährliche tarifliche Sonderzahlungen: 2019 gab es erstmals das Tarifliche Zusatzgeld (T-ZUG), das im Juli ausbezahlt wird. 2022 kam das neue Transformationsgeld (T-Geld, Trafo-Baustein) dazu, das im Februar ausbezahlt wird. Beide Sonderzahlungen – insbesondere das T-Geld – sind auch in Zeit wandelbar, um Arbeitszeiten abzusenken, anders als bei der Kurzarbeit für bis zu drei Jahre, um auch längere Krisen und Transformationsphasen zu überbrücken. Die Inflation war 2019 bis 2021 sehr niedrig.

Doch jetzt steigen die Preise immer weiter. Das bedeutet: Neue Sonderzahlungen reichen nicht – schon gar keine Einmalzahlungen. Die Beschäftigten brauchen dauerhaft mehr Geld im Monat.
 

Forderung aus den Betrieben

Höhere Monatsentgelte: Das war bereits das Top-Ergebnis aus einer Befragung in den Betrieben im Frühjahr, an der rund 200.000 Beschäftigte teilgenommen haben. Und wie immer gab es Diskussionen in den Betrieben und in den IG Metall-Geschäftsstellen vor Ort.

Die Diskussion über die Forderung für die diesjährige Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie begann bereits im Frühjahr. Die Ergebnisse der Diskussionen brachten Betriebsräte und Vertrauensleute in den Tarifkommissionen ein. Schnell war klar: Es geht vor allem ums Monatsentgelt, um die Stützung der Kaufkraft. Die regionalen Tarifkommissionen koordinierten ihre Diskussion über den IG Metall-Vorstand, der am 20. Juni auf Basis der bisherigen Diskussionen eine Empfehlung zur Forderung gab. Am 30. Juni beschlossen dann alle regionalen Tarifkommissionen zeitgeich ihre Forderungen – die der IG Metall-Vorstand am 11. Juli bestätigte: 8 Prozent.


Bislang nix von den Arbeitgebern

Seit dem 12. September laufen die Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie. Es gab zwei Verhandlungsrunden – mit 22 Verhandlungsterminen in den einzelnen Tarifgebieten. Und noch immer haben die Arbeitgeber kein Angebot vorgelegt – und fordern auch noch „Variabilisierungen“ beim Weihnachtsgeld und anderen Sonderzahlungen, die sie künftig an den Gewinn koppeln und ohne Zustimmung der IG Metall absenken wollen.

Die dritte Verhandlungsrunde startet am 27. Oktober. Die IG Metall erwartet dann endlich ein Angebot von den Arbeitgebern.


Solidarität gewinnt! – Tarifbewegung 2022

„Solidarität gewinnt!“ ist unser Motto für die Metall-Tarifrunde 2022. Denn eins ist klar: Diese Tarifrunde wir hart.  Ohne Druck wird es bei den Verhandlungen mit den Arbeitgebern nicht vorangehen. Wir brauchen 2022 eine echte Tarifbewegung.

Tausende Metallerinnen und Metaller haben bereits in den letzten sechs Wochen für die 8 Prozent demonstriert.

Bereits zur Übergabe der Kündigung der Entgelttarifverträge am 1. September kamen hunderte Metallerinnen und Metaller mit vor die Häuser der regionalen Arbeitgeberverbände, um die Kündigungsübergabe mit Aktionen zu begleiten. Tausende waren dann bei den Demos vor den Verhandlungslokalen dabei.

Jetzt laufen die Vorbereitungen für Warnstreiks.

Am 28. Oktober – vier Wochen nach Auslaufen der Entgelttarifverträge – läuft die sogenannte Friedenspflicht ab. Ab dem 29. Oktober kann die IG Metall dann auch – um wirtschaftlichen Druck auf die Arbeitgeber aufzubauen – zu Warnstreiks aufrufen.

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