Analyse „kleines Rentenpaket“
Rente: Was bringen die Regierungspläne?

Ost-West-Angleichung, Stärkung der Betriebsrente, Kampf gegen Altersarmut: Noch vor der Bundestagswahl will die Regierungskoalition ein „kleines Rentenpaket“ umsetzen. Doch die Pläne bleiben noch weit hinter dem Notwendigen zurück.

6. Dezember 20166. 12. 2016


Der Koalitionsausschuss von Union und SPD hat sich mit seinem „kleinen Rentenpaket“ auf einige wenige Leistungsverbesserungen geeinigt, etwa bei der Erwerbsminderungsrente.

Die IG Metall zeigt, was die Pläne taugen – und wo noch nachgebessert werden muss:


Erwerbsminderungsrente

Was ist geplant?

Die Bundesregierung will die sogenannte Zurechnungszeit bis 2024 schrittweise auf 65 Jahre anheben. Die Zurechnungszeit spielt bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrente eine wichtige Rolle. Im Schnitt beziehen Betroffene ab einem Alter von rund 50 Jahren Erwerbsminderungsrente. Zu diesem Zeitpunkt haben sie aber nur relativ geringe Rentenansprüche aufgebaut. Die Versicherten werden deshalb rentenrechtlich so behandelt, als wären sie bis zu einem gewissen Alter weiter versichert gewesen und hätten dabei – vereinfacht gesagt – weiter so verdient wie zuvor. Diese Zeit heißt Zurechnungszeit. Derzeit endet sie bei 62 Jahren. Die geplante Verlängerung um drei Jahre erhöht die Erwerbsminderungsrente um bis zu sieben Prozent, heißt es aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS).

Was bringt’s?

Erwerbsminderung ist mit einem extrem hohen Armutsrisiko verbunden: Wer 2015 in die (volle) Erwerbsminderungsrente ging, erhielt im Schnitt 711 Euro pro Monat. Künftig wären es durchschnittlich rund 760 Euro – also weniger als die Grundsicherung, die bei etwa 800 Euro liegt. Und deutlich weniger als die durchschnittliche Altersrente von Männern von 1014 Euro (West).

Die Regierungspläne gehen also in die richtige Richtung, reichen aber bei weitem nicht aus: Der Zeittraum für die Umsetzung der Maßnahme ist viel zu lang. Außerdem profitieren nur zukünftige Rentner. Und: Auch in Zukunft werden fast alle Erwerbsminderungsrenten dauerhaft gekürzt – um durchschnittlich 85,23 Euro im Monat. Diese Abschläge sind unfair. Niemand sucht sich eine Erwerbsminderung freiwillig aus.


Einheitliches Rentenrecht in Ost und West


Was ist geplant?

Mehr als 25 Jahre nach der Deutschen Einheit gilt in Ost und West immer noch unterschiedliches Rentenrecht. Ost-Rentner erhalten für einen sogenannten Rentenpunkt weniger Geld. Dafür werden die Ost-Löhne beim Erwerb von Rentenpunkten höher bewertet.

Diese Unterschiede will die Regierung schrittweise abbauen. Ab dem 1. Januar 2025 soll in Ost und West gleiches Recht gelten.

Was bringt’s?

Gleiches Rentenrecht in Ost und West – ein überfälliger Schritt. Allerdings produziert er nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer – besonders bei den heutigen und zukünftigen Beschäftigten im Osten. Denn ihre Löhne liegen unter den Westlöhnen, werden in Zukunft bei der Rentenberechnung aber nicht mehr aufgewertet. Die Betroffenen müssen mit Einbußen bei der Rente rechnen – wenn nicht auch die Einkommensangleichung voran kommt.

Um diesen Effekt abzufangen, muss also die Angleichung des Rentenrechts mit armutsvermeidenden Maßnahmen flankiert werden. Die Koalition will solche Maßnahmen noch prüfen. Für alle Maßnahmen gilt: Sie müssen als gesamtgesellschaftliche Aufgaben und als Folgen des Einigungsprozesses aus Steuermitteln finanziert werden. Und außerdem darf die Einkommensangleichung zwischen Ost und West nicht aus dem Blick geraten.


Stärkung der betrieblichen Altersversorgung (bAV)


Was ist geplant?

Die Regierungskoalition hat sich auf eine Stärkung der Betriebsrenten verständigt: Betriebsrenten sollen nur noch begrenzt auf die Grundsicherung angerechnet werden, die sogenannte Doppelverbeitragung beim Riestern in der bAV soll zurückgenommen werden, eine arbeitgeberfinanzierten bAV für Geringverdiener soll gefördert werden.

Zudem sollen gemeinsame bAV-Einrichtungen der Tarifparteien privilegiert werden. Sie sollen die Möglichkeit haben, die reine Beitragszusage einzuführen, bei der es dann keine Mindest- bzw. Garantieleistungen mehr gibt. Die Sozialpartner sollen rechtssichere Modelle der automatischen Entgeltumwandlung regeln können („Opting-Out- bzw. Optionsmodelle“).

Für Arbeitgeber soll es eine Pflicht geben, die bei Entgeltumwandlung eingesparten Sozialversicherungsbeiträge zu mindestens 15 Prozent weiterzugeben. Und die Arbeitgeber sollen für den Aufbau eines Sicherungsvermögens einen zusätzlichen Beitrag an die gemeinsamen bAV-Einrichtungen leisten.

Was bringt’s?

Das Ziel des Betriebsrentenstärkungsgesetzes ist begrüßenswert: Eine größere Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung besonders in kleinen und mittleren Unternehmen und bei Beschäftigten mit niedrigerem Einkommen. Viele der geplanten Regelungen können diese Ziele tatsächlich befördern. Einige Vorschläge der IG Metall wurden umgesetzt.

Der Gesetzentwurf bedarf aber noch weiterer Ergänzungen: bei der sogenannten Doppelverbeitragung und für eine verpflichtende Weitergabe der Beitragsersparnis zur Sozialversicherung für die Arbeitgeber. Außerdem fehlen Regelungen zum Ausbau der Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten.

Bei Betriebsrenten auf Garantiezusagen zu verzichten, sollte grundsätzlich nur auf der Basis von Tarifverträgen möglich sein. Dasselbe gilt für eine automatische Einbeziehung aller Beschäftigten in eine durch Entgeltumwandlung finanzierte bAV.

Die durch den Wegfall von Garantiezusagen entstehenden Risiken für Beschäftigte müssen auf ein Minimum reduziert werden. Dazu braucht es zwingend einen angemessenen Sicherungsbeitrag und den Aufbau eines Sicherungsvermögens der jeweiligen bAV-Einrichtung. Im Laufe der Erwerbsbiografie muss das Vorsorgekapital mit unterschiedlich weitreichenden Zusagen ausgestattet werden: Je näher der Ruhestand rückt, desto höher müssen die Garantien sein.


Solidarische Lebensleistungsrente


Was ist geplant?

In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD auf eine „solidarische Lebensleistungsrente“ zur Bekämpfung bzw. Vermeidung von Armut im Alter verständigt. Das BMAS will unterschiedliche Modelle weiter prüfen.

Was bringt’s?

Leistungsverbesserungen zur Bekämpfung von Altersarmut sind notwendig. Die IG Metall fordert in ihrem Rentenkonzept, Zeiten mit Geringverdienst bei der Rentenberechnung aufzuwerten.

Für Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit müssen wieder wirksame Beiträge in die Rentenkasse entrichtet werden und Ausfallzeiten etwa wegen Kindererziehung und familiärer Pflege stärker berücksichtigt werden. Die Grundsicherung muss angehoben werden, für alle Einkünfte aus der Altersvorsorge braucht es Freibeträge.

Alle Maßnahmen zur Bekämpfung von Altersarmut sollten als gesamtgesellschaftliche Aufgabe aus (zusätzlichen) Steuermitteln finanziert werden.

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