Berufsbildungsgesetz
Frei vor Abschlussprüfungen

Das neue Berufsbildungsgesetz bringt Fortschritte für Auszubildende und Prüfer, notwendige Reformen bleiben allerdings auf der Strecke – gerade zum Leidwesen Zehntausender dual Studierender. Die IG Metall dringt weiter auf Verbesserungen.

24. Oktober 201924. 10. 2019


Für Auszubildende, Prüferinnen und Prüfer bringt das neue Berufsbildungsmodernisierungsgesetz Verbesserungen: Künftig wird die Freistellung – aller – Auszubildender für die Berufsschule garantiert. Damit dürfen nun auch volljährige Auszubildende vor oder nach einem langen Berufsschultag nicht mehr in den Betrieb beordert werden. Eine gesetzlich geregelte Freistellung gibt es künftig auch für den letzten Arbeitstag vor allen Abschlussprüfungen. Eine weitere Neuerung: Für Fachliteratur gilt künftig die Lernmittelfreiheit. Auszubildende müssen also nicht mehr für die Kosten aufkommen.

„Gute Ausbildung ist eine wesentliche Voraussetzung für eine durch die Digitalisierung veränderte Arbeitswelt. Das neue Berufsbildungsmodernisierungsgesetz hat dafür einige gute Grundlagen geschaffen“, betont Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall. Das Gesetz wurde am 24. Oktober vom Bundestag beschlossen und soll im Januar 2020 in Kraft treten. Vor allem durch die Intervention der Gewerkschaften sei es gegenüber dem Referentenentwurf des Bildungsministeriums deutlich besser geworden.


Freistellung fürs Ehrenamt

Für ehrenamtliche Prüferinnen und Prüfer gilt ab sofort die gesetzlich garantierte, allerdings nicht bezahlte Freistellung. Viele hatten es bisher schwer, vom Betrieb für ihr Ehrenamt überhaupt freigestellt zu werden. „Die IG Metall wird sich weiterhin für eine bezahlte Freistellung einsetzen, das wäre eine starke Wertschätzung für das Ehrenamt“, sagt Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied.

Die große Koalition versäumt es zudem, die Situation Zehntausender dual Studierender zu verbessern. Deren betriebliche Praxisphasen sind auch im neuen Berufsbildungsgesetz nicht berücksichtigt. „Die IG Metall wird weiterhin Druck machen, bis es umfassende Schutzrechte auch für dual Studierende im Gesetz gibt“, kündigte Urban an. Denn während es im Bereich der dualen Ausbildung klare Gesetze und Tarifverträge gibt, handeln die Betriebe den Vertragsrahmen mit den Studierenden weitgehend frei aus. So gibt es beispielsweise keine Vorgaben für die Qualifikation von Ausbildenden im Betrieb. Vergütung oder Urlaubsanspruch würden weiterhin überwiegend nach dem Willen der Arbeitgeber geregelt.

Die IG Metall strebt auch tarifpolitisch flächendeckende Lösungen an, um eine echte Gleichstellung von Auszubildenden und dual Studierenden zu erreichen. Bundesjugendsekretärin Stefanie Holtz betont: „Dass dieses Thema überhaupt eine Rolle spielt und auch die eingangs genannten Erfolge gehen auf das langjährige Engagement unserer Aktiven, insbesondere der IG Metall Jugend vor Ort, zurück.“


Großes Gefälle bei Qualitätsstandards

Duale Studiengänge sind beliebt, weil sie Hochschule oder Berufsakademie und Betrieb als Lernorte sowohl inhaltlich als auch organisatorisch und vertraglich systematisch miteinander verzahnen. Bundesweit gibt es inzwischen mehr als 100 000 dual Studierende – Tendenz steigend. Zu ihrer wirtschaftlichen, sozialen und vertragsrechtlichen Lage soll nun das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) bis 2022 einen Bericht vorlegen – dies sieht ein Entschließungsantrag vor, der im Rahmen der aktuellen Gesetzesreform vereinbart wurde.

Die IG Metall hat schon jetzt genau hingesehen. Eine aktuelle Fallstudie, die die unterschiedlichen Angebote dualer Studiengänge in Baden-Württemberg unter die Lupe genommen hat, kommt zu dem Schluss, dass es eine unüberschaubare Vielzahl an Varianten und ein erhebliches Gefälle bei den Qualitätsstandards gibt. Die Studien- und Prüfungsordnungen nehmen demnach nur wenig Einfluss auf die Praxisphasen im Betrieb.


Mindestvergütung für Auszubildende kommt

Im neuen Berufsbildungsgesetz ist eine Mindestvergütung für Auszubildende vorgesehen: Sie beträgt 2020 zunächst 515 Euro und wird schrittweise bis 2023 auf 620 Euro (erstes Ausbildungsjahr) bis 868 Euro (viertes Ausbildungsjahr) angehoben. Bei der Mindestausbildungsvergütung wurde im Vergleich zum Referentenentwurf des Bildungsministeriums nochmal deutlich nachgebessert. Auf Initiative der IG Metall wurde die gültige Rechtsprechung zur „Angemessenheit“ von Ausbildungsvergütungen (Ausbildungsvergütung darf nicht um mehr als 20 Prozent der durchschnittlichen, branchenüblichen Tarif-Ausbildungsvergütung unterschritten werden) ins Gesetz aufgenommen. Die Mindestausbildungsvergütung soll nun außerdem für außerbetriebliche Ausbildungen gelten, was für viele, häufig benachteiligte Jugendliche eine deutliche finanzielle Verbesserung bedeutet.


Umbenennung sorgt für Verwirrung

Bewährte und bekannte Fortbildungsabschlüsse wie der Industriemeister sollen laut Gesetzesreform in Bachelor Professional umbenannt werden. „Das schafft eher Verwirrung und bringt qualitativ gar nichts“, sagt das geschäftsführende IG Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban. „Bildungsministerin Anja Karliczek setzt auch in der Fortbildung statt auf Qualität nur auf Kosmetik – das ist völlig unzureichend.“ Um die Qualität der beruflichen Aufstiegsfortbildung zu verbessern, sind verbindliche Rahmenpläne für die Lernprozesse sowie in der Ausbildung einzuführen. Dafür macht sich die IG Metall weiter stark. Urban betont: „Wer an Fortbildung interessiert ist, hätte dann endlich qualitative Standards bei seiner Entscheidung für einen Bildungsanbieter.“

Zukunft der Arbeit - Bildung und Qualifizierung

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