Christiane Benner im Interview
„Wir sind am Puls der Zeit“

Christiane Benner, die Zweite Vorsitzende der IG Metall, freut sich über die Vielfalt der Gewerkschaft, will beim Gesetz zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts nachbessern und ruft dazu auf, gegen Rechtspopulisten klare Kante zu zeigen.

1. März 20171. 3. 2017


Die IG Metall wächst, wir werden immer mehr. Freut Dich das?
Christiane Benner: Wir sind in 2016 leicht gewachsen und damit stabil. Aber mich freut die Entwicklung, da sie das Erfolgskriterium für die erfolgreiche Arbeit unserer Aktiven vor Ort ist.

 

Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall

Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall (Foto: Frank Rumpenhorst)


Welche Zielgruppen haben mehr Mitglieder?
Wir konnten 2016 erneut bei allen Zielgruppen zulegen. 43 Prozent unserer neuen Mitglieder sind junge Beschäftigte bis 27 Jahre. Wir haben 1600 mehr Auszubildende von uns überzeugt. Und: Mehr als 44 000 Studierende sind Mitglied bei uns. Das sind fast fünfmal so viele wie vor zehn Jahren. Auch bei den Frauen sind wir auf Erfolgskurs. 20 Prozent aller Neuaufnahmen waren weiblich. Wir organisierensie also fast im gleichen Verhältnis, in dem sie in unseren Branchen arbeiten. Insgesamt sind damit heute mehr als 407 000 Frauen in der IG Metall. Diese starke Verankerung bei den Kolleginnen ist enormwichtig, weil wir durch die Digitalisierung – vor allem durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz – eine Verschiebung der Berufsfelder erwarten. Diese Veränderung wollen wir gemeinsam mit den Kolleginnen gestalten.

Das heißt, die IG Metall ist für Angestellte, Frauen, Junge und Studierende attraktiv?
Wir sind am Puls der Zeit und setzen die richtigen Themen. Unsere Aktiven in den Betrieben unterstützen die Beschäftigten, wenn es um faire Entgelte, Vereinbarkeit oder um Qualifizierung und Weiterbildung für das digitale Zeitalter geht. Wir haben zum Beispiel mit der Continental eine Vereinbarung für dual Studierende erzielt. Sie haben seit dem Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld und werden bei den Lehrmittelkosten entlastet. Das ist nur ein Beispiel, wie wir mit Tarifverträgen die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten ganz praktisch verbessern.

Die Vielfalt macht also den Erfolg?
Vielfalt ist bei uns der Normalfall. Fast 500 000 Mitglieder der IG Metall haben einen Migrationshintergrund. Ausbildung, Arbeit, Mitbestimmung und gewerkschaftliches Engagement waren und sind die zentralen Erfolgsfaktoren für die Integration und die Emanzipation von Generationen von Einwanderern in Deutschland. Ich kann gerade in Zeiten wie diesen, in der eine Partei wie die AfD die Menschen gegeneinander aufhetzt, nicht oft genug darauf hinweisen: Ob mit oder ohne deutschen Pass – in der IG Metall sind alle Menschen willkommen.

Regen Dich die Rechtspopulisten auf?
Und wie. Ob Trump, Le Pen oder Petry: Sie alle propagieren ein zutiefst rückständiges Frauenbild. Ich kann es daher gut verstehen, wenn Menschen in Washington, Paris, Berlin und Frankfurt gegen diese Politik auf die Straße gehen und Haltung zeigen. Wir müssen sie aber auch inhaltlich stellen und demaskieren. Ein Blick in das Parteiprogramm der AfD genügt um zu erkennen:

Hier wird Politik gegen die Interessen Beschäftigter gemacht. Mit unserer Beschäftigtenbefragung werden wir zeigen, was den Menschen wirklich wichtig ist und was sie von der Politik erwarten. Diese Themen sollen dann im Wahlkampf diskutiert werden und Eingang in die Politik finden. Damit es erst gar nicht so weit kommt wie in den USA mit Trump.

Die Politik hat mit dem Entgeltransparenzgesetz und der Weiterentwicklung des Teilzeitrechts kürzlich einiges auf den Weg gebracht, das die IG Metall als Schritte in die richtige Richtung bewertet.
Mit dem Entgelttransparenzgesetz gibt es erstmals ein individuelles Auskunftsrecht zur Bezahlung. Es bietet eine Grundlage für mehr Transparenz bei der Bezahlung und unseren Einsatz für mehr Gerechtigkeit im Betrieb. Das begrüßen wir ausdrücklich. Aus unserer Sicht sind weitere Nachbesserungen allerdings unabdingbar. Erstens muss das Gesetz auch für kleinere Betriebe mit weniger als 200 Beschäftigten gelten, sonst werden viele Frauen nicht von dem Gesetz profitieren. Zweitens muss sichergestellt werden, dass Betriebsräte nicht nur von der Seitenlinie zuschauen dürfen, sondern über die erforderlichen Mitbestimmungsrechte verfügen.

Der Referentenentwurf zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts …
… ist für mich ein wichtiger Baustein für eine moderne Arbeitszeitpolitik. Angesichts von 10,3 Millionen Teilzeitbeschäftigten und des gerade von der Arbeitgeberseite viel beschworenen Fachkräftemangels ist ein unbürokratisches Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit dringend erforderlich. Dieses Recht muss dann aber auch allen Beschäftigten zustehen. Deshalb werden wir uns im weiteren Gesetzgebungsverfahren dafür einsetzen, dass es auch für diejenigen Beschäftigten gilt, die bereits heute inTeilzeit arbeiten. Darüber hinaus muss der Kleinbetriebsschutz von derzeit 15 Beschäftigten deutlich abgesenkt werden. Sonst gehen rund 6,7 Millionen Beschäftigte leer aus.

Die Arbeitgeber kündigen Widerstand an und warnen vor einer „Überdosis Bürokratie“.
Da kann ich nur noch gähnen. Dieses Argument ist doch so alt wie Methusalix. Außerdem waren es doch die Arbeitgeber, die die Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern stets mit der höheren Teilzeitquote von Frauen begründet haben. Wenn Frauen jetzt durch klare Regeln der Weg aus der „Teilzeit-Falle“ zurück in die Vollzeit geebnet wird, sollten die Arbeitgebermitanpacken, oder für immer zumThema Lohngerechtigkeit schweigen.

Wenn Du es in einem Satz sagen würdest: „Arbeitszeit neu denken heißt für mich, ...
... eine der zentralen Gerechtigkeitsfragen unserer Zeit neu zu stellen und für mehr Selbstbestimmung sowie eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Leben zu sorgen.“

Gleichstellung und Integration

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