Kontraktlogistik: Kampf für bessere Arbeitsbedingungen
Dienstleister holen sich ihren Tarif

Kontraktlogistik-Dienstleister sind eine Art Mädchen für alles. Ihre Beschäftigten arbeiten in der Regel jedoch für deutlich weniger Geld. Immer mehr Kontraktlogistik-Beschäftigte wollen das nicht länger hinnehmen und erkämpfen sich Tarifverträge, gemeinsam mit uns.

25. Januar 201625. 1. 2016


Die Beschäftigten des Kontraktlogistik-Dienstleisters Ceva Logistics im VW-Werk Wolfsburg haben es geschafft. Sie haben sich ihren Tarifvertrag erkämpft, nach sieben Verhandlungsrunden und einem Warnstreik. Ab 2018 werden sie dann genauso viel Lohn bekommen wie die Beschäftigten der VW-Tochter Autovision: mindestens 13,55 Euro in der Stunde. Und sie werden nur noch 37,5 statt 39 Stunde in der Woche arbeiten.

Bislang hat Ceva nach dem Logistiktarif bezahlt. Doch hinter dem Begriff „Kontraktlogistik“ versteckt sich längst viel mehr als Logistik. Die rund 450 Ceva-Beschäftigten arbeiten Hand in Hand mit VW-Beschäftigten. Sie bringen ihnen Teile quer durch die Werkshallen, vom Presswerk an die Montagelinie, von einem Band zum anderen. Früher haben VW-Beschäftigte diese Arbeit gemacht, bevor sie an Kontraklogistiker ausgegliedert wurde, mit massiven Lohnabschlägen. Einen Teil davon haben sich die Ceva-Beschäftigten jetzt zurückgeholt. Möglich war dieser Erfolg nur, weil in den letzten Monaten fast die gesamte Belegschaft in bei uns eintrat, eine Tarifkommission wählte, den Arbeitgeber zu Verhandlungen zwang und schließlich mit dem Warnstreik die Teileversorgung bei VW ins Stocken brachte.


Erfolg auch für Außenlager

„Das war ein langer Kampf“, erzählt Ingolf Meyer, Betriebsrat und Kopf unserer Tarifkommission im Betrieb. „Das haben wir nur durch unsere Geschlossenheit geschafft. Und vor allem auch durch die großartige Arbeit der IG Metall Wolfsburg.“ Besonders freut Meyer, dass der Tarifvertrag auch für das Außenlager von Ceva im 15 Kilometer entfernten Hattorf gilt. Das wollte der Arbeitgeber bis zuletzt ausklammern.

Ceva Logistics ist keineswegs der einzige Kontraktlogistiker, dessen Beschäftigte sich gemeinsam mit uns ihren Tarif holen. Wir wollen in Wolfsburg die gesamte Kontraktlogistik bei VW organisieren. Die Firma Hansmann Logistik ist als nächstes an der Reihe. Die Tarifverhandlungen laufen seit Ende November. Auch die rund 650 Hansmann- Beschäftigten arbeiten in den VW-Werkshallen, mittendrin in der Fabrik. Sie versorgen die Montagebänder. Zudem montieren sie selbst die Kofferrauminnenverkleidung und die Spiegel.


Viele sind in den Startlöchern

Nach Hansmann stehen mit Rudolph und Schnellecke schon weitere Kontraktlogistiker in Wolfsburg in den Startlöchern. Auch an anderen VW-Standorten, etwa in Salzgitter, sind wir an Kontraktlogistikern dran. Wir gehen die industrielle Kontraktlogistik an, als Schwerpunktbranche ihrer Kampagne Werkverträge. Sie will die Spaltung der Belegschaften durch billige Ausgliederungen stoppen. Und sie hat gemeinsam mit den Beschäftigten bei mehr als 30 Kontraktlogistikern Tarifverträge durchgesetzt.

Ein Problem taucht dabei öfter auf: Welche Gewerkschaft ist überhaupt zuständig? Klassische Logistikdienstleistungen wie Versand und Transport gehören zur Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Doch mittlerweile übertragen Industriebetriebe den Kontraktlogistikern immer mehr Arbeit in ihren Werken. Arbeit, die früher von Stammbeschäftigten gemacht wurde von der Versorgung der Bänder mit Teilen bis hin zur Montage ganzer Komponenten wie Räder, Armaturenbretter oder Achsen. Klassische Metallindustriearbeit, die eben zu uns gehört. Diese Unklarheiten haben die Arbeitgeber oft ausgenutzt, um sich den Tarif auszusuchen, der ihnen passt, natürlich den billigeren.


Billige Argumente der Arbeitgeber

Besonders extrem war der Fall des Airbus-Kontraktlogistikers Stute, wo fünf Warnstreiks nötig waren, um die Tarifbindung mit uns durchzusetzen. Gemeinsam mit Verdi wollen wir nun kooperieren und die Unklarheiten beseitigen. Sie grenzen ab, wer für Kontraktlogistiker im Fahrzeugbau, im Schiffbau, in der Stahlindustrie und in der Luft- und Raumfahrtindustrie zuständig ist. Der Plan sieht so aus: Wir kümmern uns um die industriellen Kontraktlogistiker auf dem Werksgelände von IG Metall-Betrieben. Sowie um Kontraktlogistiker, die hauptsächlich für IG Metall-Betriebe arbeiten oder überwiegend Produktion und Montage leisten. Für die anderen Kontraktlogistiker soll Verdi zuständig sein, auch für den Versand von Fahrzeugen, Fahrzeugteilen und Baugruppen. Beide Gewerkschaften verpflichten sich dazu, auch die Mitglieder der anderen Gewerkschaften zu vertreten. Dadurch haben die Beschäftigten Sicherheit, wer für sie zuständig ist und mit wem sie Tarifverträge durchsetzen.

„Wir können Euch nicht mehr Lohn zahlen, weil unser Auftraggeber nicht mehr zahlt. Und weil wir sonst den Auftrag verlieren.“ Das sagen die Geschäftsführungen der Kontraktlogistiker im Grunde immer. Das haben schon die Ceva-Beschäftigten bei ihren Tarifverhandlungen gehört, und jetzt auch wieder ihre Kollegen bei Hansmann. Tatsächlich vergeben die Endhersteller ihre Werkverträge alle zwei bis vier Jahre neu. Bei den Ausschreibungen setzt sich dann wieder der billigere Kontraktlogistiker durch.


Veränderungen in Sicht

In Wolfsburg machen wir deshalb auch Druck auf VW. Anfang Dezember demonstrierten die Ceva-Beschäftigten für Solidarität auf der Betriebsversammlung bei Volkswagen. Unser Geschäftsführer in Wolfsburg, Hartwig Erb, kritisierte das Management deutlich: „Es kann nicht sein, dass sich Billigheimer auf Kosten ihrer Beschäftigten eine goldene Nase verdienen, hier auf Ihrem Werksgelände. Gute Arbeitsbedingungen für gute Arbeitnehmer ― das müsste für die Partner von Volkswagen eigentlich selbstverständlich sein.“ Der Betriebsrat von VW steht dabei hinter uns. „Wir haben bei Volkswagen höchste Ansprüche an die Produktqualität“, macht der Betriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh klar. „Volkswagen muss durch eine verantwortungsvolle Vergabepolitik gute Standards für Beschäftigte im Logistikbereich ermöglichen.“

Andere Autohersteller sind bereits weiter. Im Frühjahr unterzeichnete BMW ein Memorandum, laut dem Kontraktlogistiker auf dem Werksgelände einen Tarifvertrag haben müssen. Bei Porsche handelte der Betriebsrat im November eine neue Gesamtbetriebsvereinbarung aus. Der Betriebsrat hat nun Mitbestimmungsrechte bei der Vergabe von Werkverträgen. Und Fremdfirmen auf dem Werksgelände, also auch Kontraktlogistiker, müssen Tariflohn zahlen, mindestens jedoch 10,50 Euro. Auch bei vielen anderen Unternehmen haben unsere Betriebsräte bereits Regelungen zur Vergabe von Werkverträgen und Mindeststandards durchgesetzt oder sind gerade dabei.


Großer Zuwachs an Mitgliedern

„Bei der industriellen Kontraktlogistik haben wir große Schritte gemacht. Wir haben im letzten Jahr dort über 4000 Mitglieder gewonnen“, betont unser Vorsitzende Jörg Hofmann. „Das erzeugt Lernprozesse auch bei den Arbeitgebern. Das zeigen die Erklärung von BMW und die Gesamtbetriebsvereinbarung bei Porsche. Trotzdem gibt es dadurch nicht automatisch gute Arbeitsbedingungen. Die müssen wir gemeinsam mit den Beschäftigten bei den Kontraktlogistikern in Tarifverträgen durchsetzen. Chancen auf eine sichere Arbeit mit verlässlichen Einkommen und beruflichen Entwicklungschancen gibt es nur mit einer Tarifbindung. Und welche Gewerkschaft für die Tarifbindung zuständig ist, haben sich nicht die Arbeitgeber auszusuchen. Das entscheiden wir, die DGB-Gewerkschaften, unter uns.“

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