Besser mit Tarif
So geht’s: In 12 Monaten zum Tarifvertrag

Die Löhne wurden immer schlechter, statt 35 mussten sie 40 Stunden in der Woche arbeiten. So nicht. Die Beschäftigten von Körber Pharma Packaging gingen zur IG Metall, lernten dort, wie Tarifpolitik geht, führten Verhandlungen, machten Druck mit Warnstreiks – und hatten nach 12 Monaten ihren Tarif.

14. Juli 202514. 7. 2025


Sie haben es geschafft: Innerhalb von 12 Monaten haben die Beschäftigten des Verpackungsanlagenbauers Körber Pharma Packaging in Schloß Holte-Stukenbrock bei Bielefeld sich in der IG Metall organisiert und ihre Tarifbindung durchgesetzt.

Für neu eingestellte Beschäftigte und Auszubildende gelten bereits die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie, mit voller tariflicher Bezahlung und einer 35-Stunden-Woche. Die übrigen Beschäftigten erhalten bereits jetzt die Metall-Tariferhöhungen – auch die 600 Euro Einmalzahlung und die 2 Prozent mehr Geld aus dem Tarifabschluss 2024 – und sie werden schrittweise bis 2030 in den Metall-Tarif übergeleitet.


Seit 20 Jahren raus aus dem Tarif – Arbeitsverträge immer schlechter

Vor fast 20 Jahren hatten sie schon mal einen Tarif. Doch dann sank ihr Organisationsgrad  – also der Anteil der IG Metall-Mitglieder im Betrieb – und der Arbeitgeber trat aus dem Tarif aus.

Seitdem haben alle neu eingestellten Beschäftigten immer schlechtere Arbeitsverträge bekommen: mit weniger Geld und einer immer intransparenteren Bezahlung nach „Nasenfaktor“ sowie einer 40- statt einer 35-Stunden-Woche.

„Wir haben immer mehr gemerkt, wie wir uns vom Tarif abwandten, erst gab es weniger Urlaubsgeld, dann sollte es auch ans Weihnachtsgeld gehen“, erinnert sich Frank Rehwinkel, der hier seit 27 Jahren in der Inbetriebnahme arbeitet. „Irgendwann war uns dann klar: Wir müssen da was machen.“

Metaller mit roter IG Metall-Kappe, Regencape und Lautsprecher. Metaller mit roter IG Metall-Kappe, Regencape und Lautsprecher.

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Ob bei Einkommen, Arbeitszeit oder Urlaubsanspruch – mit Tarifvertrag geht’s im Betrieb gerechter zu. Für alle, deren Firma bisher nicht tarifgebunden ist, zeigen wir in sechs Schritten, wie sich das ändern lässt.

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Bessere Löhne und Arbeitszeit nur mit Tarif

Wegen der im Vergleich immer schlechteren Arbeitsbedingungen bei Körber Pharma Packaging haben in den letzten Jahren immer mehr Beschäftigten den Betrieb verlassen. Dabei sagten viele, dass sie eigentlich gerne bleiben würden, wegen der großen Kollegialität. „Die Kolleginnen und Kollegen kamen zu uns als Betriebsrat, damit wir etwas machen“, erzählt der Betriebsratsvorsitzende Sergej Wolf. „Doch wir mussten ihnen erklären, dass wir als Betriebsrat bei der Höhe der Löhne und bei der Dauer der Arbeitszeit nichts machen können. Das geht nur per Tarifvertrag mit der Gewerkschaft.“

Im November 2023 tragen sie ihr Anliegen der IG Metall Geschäftsstelle Bielefeld vor. Doch von den rund 239 Beschäftigten waren damals nur 31 Mitglied der IG Metall. „Uns war schnell klar: Wenn wir einen Tarifvertrag wollen, dann müssen mindestens 50, besser 60 Prozent der Beschäftigten Mitglied der IG Metall sein“, erklärt Sergej Wolf.

Auf der Betriebsversammlung stellen sie dann die Beschäftigten vor die Wahl: Das ist unser Angebot und unsere Möglichkeit. Wollt Ihr einen Tarifvertrag? Wollen wir diesen Weg gehen oder nicht? Dann tretet in die IG Metall ein.

Und die Beschäftigten treffen ihre Entscheidung: Bis Februar 2024 ist die Anzahl der IG Metall-Mitglieder bei Körber explodiert – auf 134. In weniger als drei Monaten haben sie ihr Ziel eines Organisationsgrads von 60 Prozent IG Metall-Mitgliedern im Betrieb erreicht. Und das sagen sie auch ganz offen auf der Betriebsversammlung – ein klares Signal an die Geschäftsleitung, dass die Beschäftigten in der Lage sind, notfalls auch für ihren Tarifvertrag zu streiken.


Beschäftigte fordern und verhandeln ihren Tarif selbst

Ganz wichtig: Die Beschäftigten nehmen sich selbst gegenseitig für ihren Tarifvertrag in die Verantwortung – unterstützt von der IG Metall und ihrer Expertise. Im Rahmen einer „bedingungsgebundenen Tarifarbeit“ diskutieren und entscheiden die IG Metall-Mitglieder im Betrieb selbst, welche Voraussetzungen für die jeweiligen nächsten Schritte hin zum Tarifvertrag notwendig sind.

„Die IG Metall sind ja nicht wir, die hauptamtlich Beschäftigten, sondern die IG Metall-Mitglieder im Betrieb“, erklärt Gewerkschaftssekretärin Janina Hirsch von der IG Metall Bielefeld. „Die Leute müssen selbst entscheiden, ob sie einen Tarifvertrag wollen. Und natürlich gab es auch Rückschläge. Bei einer Mitgliederversammlung erschienen zunächst nur fünf, sechs Leute. Da mussten wir dann schon fragen: Ist ein Tarifvertrag wirklich ein Thema für Euch und wollt ihr das nun zusammen angehen?“

Schon im Januar 2024 melden sich 34 Beschäftigte zu einem ganztägigen Tarifworkshop an, den die IG Metall Bielefeld mit Unterstützung des IG Metall-Bildungszentrums Beverungen organisierte. Das Ziel: Die IG Metall-Mitglieder sollten lernen, wie sie ihren Tarifvertrag durchsetzen.

Zuvor haben die IG Metall-Mitglieder bei Körber in einer Mitgliederversammlung selbst eine Teilnehmeranzahl von mindestens 18 als Bedingung für den Workshop festgelegt.

Bald starten sie erste Aktionen, etwa eine „aktive Mittagspause“ vor dem Werk im April. Bei einer Umfrage im Mai sagen 97 Prozent der Beschäftigten, dass sie einen Tarifvertrag wollen.

 

Aktive Mittagspause im April 2024: Die erste öffentliche Aktion bei Körber Pharma Packaging
 

Im Juni wählen sie auf der Mitgliederversammlung ihre Tarifkommission mit 75 Mitgliedern aus allen Abteilungen. Sie beschließen ihre Forderungen und übergeben sie dem Arbeitgeber.

Die Tarifverhandlungen starten am 7. August 2024. Es folgen viele weitere Verhandlungen und zwei Warnstreiks, mit denen sie den Druck auf den Arbeitgeber erhöhen (Foto ganz oben).

„Wir hatten noch weitere Eskalationsstufen geplant, aber die haben wir gar nicht gebraucht“, berichtet Sergej Wolf. „Die Geschäftsleitung hat ja gesehen, wie viele Leute immer bei unseren Aktionen im Rondell vor dem Betrieb standen.“


Der Tarifvertrag ist da – jetzt Eingruppierung

Im November 2024 gelingt ihnen schließlich der Durchbruch in den Tarifverhandlungen. Die Beschäftigten von Körber Pharma Packaging haben ihren Tarifvertrag.

Die bereits vor dem 1. Januar 2025 Beschäftigten werden jetzt zunächst „eingruppiert“. Das bedeutet: Im sogenannten Entgeltrahmen-Tarifvertrag (Era-TV) sind Entgeltgruppen mit jeweiligen Anforderungen definiert, denen nun jeder Arbeitsplatz zugeordnet wird.

Ein Großteil der Tarifkommission kümmert sich jetzt als Era-Kommission um die Eingruppierung. Der Arbeitgeber beschreibt die Tätigkeiten für jeden Arbeitsplatz und gruppiert sie ein, Era-Kommission und Betriebsrat überprüfen und verhandeln mit dem Arbeitgeber. Auch dabei beziehen sie die Beschäftigten wieder ein.

„Wir kommen in die Abteilungen und sprechen mit den Beschäftigten über ihre Arbeitsplatzbeschreibungen – und oft unterscheiden sich die Angaben der Beschäftigten deutlich von denen des Arbeitgebers, der oft gar nicht genau weiß, was seine Beschäftigten alles machen“, erklärt Sergej Wolf. Mit diesem Wissen gehen sie in die Gespräche mit dem Arbeitgeber.

Die Eingruppierung wird noch etwas dauern. Ein Erfolg ist ihre Tarifbewegung bei Körber aus Sergejs Sicht auf jeden Fall jetzt schon. „Das ist das Resultat einer starken Gemeinschaft. Unser Ziel war es, die Kolleginnen und Kollegen abzuholen und mitzunehmen. So ist ein echtes Kollektiv entstanden.“

Dieses starke Kollektiv wird auch für künftige Herausforderungen wichtig sein. Ihr Tarifvertrag etwa muss Tag für Tag gelebt und umgesetzt werden. Dafür wollen sie auch in Zukunft zusammen stark sein – als IG Metall bei Körber Pharma Packaging.

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