Zukunft für unsere Industrie | Boge Simmern
Verlagerung mal andersrum – von China nach Simmern

Ihr Werk sollte 2026 geschlossen werden. Das verkündete die Geschäftsführung des Autozulieferers Boge Elastmetall in Simmern letzten November. Doch mit Warnstreiks erkämpften sie sich Tarifverhandlungen - und erreichten die Verlagerung von Eisenbahnersatzteilen aus China nach Simmern.

25. Juni 202525. 6. 2025


Die Schließung des Autozulieferers Boge Elastmetall in Simmern (Rheinland-Pfalz) Ende 2026 ist vom Tisch. Die Konzernmutter China Railway Rolling Stock Corporation (CRRC) verlagert dazu die Fertigung von Eisenbahnersatzteilen aus China nach Simmern und investiert mindestens 7 Millionen Euro. Das setzte die IG Metall in direkten Verhandlungen zu einem Transformationstarifvertrag mit der chinesischen Konzernspitze für die zu 98,3 Prozent organisierte Belegschaft durch Beteiligung und fantasievolle Aktionen durch.  

„Die Solidarität der Beschäftigten bei Boge hat gegen den Trend tarifgebundene Industriearbeitsplätze gesichert – mit einer Verlagerung mal andersherum“, erklärt Verhandlungsführer Uwe Zabel von der IG Metall Mitte. „Wir haben die Transformation fair, ökologisch und gerecht gestaltet, mit Beteiligung der Beschäftigten.“

Die Tarifkommission der IG Metall bei Boge in Simmern hat das Verhandlungsergebnis bereits angenommen. Aktuell stimmen die IG Metall-Mitglieder im Betrieb bei einer geheimen Urwahl darüber ab.
 

Mit Warnstreiks Verhandlungen erzwungen 

Anfang November vergangenen Jahres hatte die Geschäftsleitung in Simmern verkündet, dass das Werk 2026 schließen soll. 300 Beschäftigte fertigen dort Motor- und Fahrwerkslager für Verbrennerautos, unter anderem für Audi, Mercedes, Volkswagen und Volvo. Immer wieder hatte der Betriebsrat Pläne und Investitionen für die Zukunft eingefordert. 

Die IG Metall forderte das Unternehmen zu Verhandlungen über einen Sozialtarifvertrag auf, doch die Geschäftsleitung weigerte sich. Nach Warnstreiks und Auseinandersetzungen vor Gericht erreichte die IG Metall schließlich im Januar eine tarifliche Verfahrens- und Prozessvereinbarung: Beschäftigte und Geschäftsführung erarbeiten gemeinsam in paritätischen Arbeitsgruppen Lösungen zur Sicherung von Standort und Arbeitsplätzen, gesteuert von einem gemeinsamen Lenkungsausschuss von Geschäftsführung, sowie Betriebsrat und IG Metall. Das Ziel: Ergebnisse bis Ende Juni. 

IG Metall und Beschäftige hatten bereits massive Warnstreiks und eine „Woche des Widerstands“ ab Anfang Juli vorbereitet, sowie eine Urabstimmung über einen unbefristeten Streik, der viele Autowerke lahmgelegt hätte. Durch diesen Druck der Solidarität der hoch organisierten Belegschaft in Simmern konnte die IG Metall am Montag ein Tarifergebnis erzielen.
 

Direkte Verhandlungen mit chinesischer Konzernspitze in Simmern 

Über ihr China-Netzwerk erreichte die IG Metall, dass ein Vertreter der chinesischen Konzernspitze von CRRC zu Verhandlungen nach Simmern kam. Am Samstagmorgen gelang der IG Metall-Verhandlungskommission nach 19 Stunden Verhandlungen einen Durchbruch: Bis 31. Dezember 2027 sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen, Boge garantiert bis dahin mindestens 245 Beschäftigte und fünf Ausbildungsplätze. Zudem stellt Boge mindestens 7 Millionen Euro für Investitionen sowie 1 Millionen Euro für Qualifizierung bereit. Zur aktiven Beteiligung der Beschäftigten wurden „Demokratiezeiten“ wie Freistellungen für Vertrauensleute und IG Metall-Mitgliederversammlungen während der Arbeitszeit vereinbart. 
 

Unterzeichnung des Tarifvertrags bei Boge Elastmetall mit der chinesischen Konzernleitung.

 

Ein Novum: Zur Sicherung der Beschäftigung wird die Fertigung von Eisenbahnersatzteilen aus China nach Simmern verlagert. Boge sagt zu, einen Business-Plan für weiteres Neugeschäft im Segment „Railway“ zu erarbeiten. Dazu kommen weitere Verlagerungen etwa von Silikon-, Gummi und Kunststoffteilen nach Simmern. Zudem vereinbarten IG Metall und Boge den weiteren regelmäßigen Austausch im Rahmen des Transformationsprojekts.
 

Angriffe auf den Tarif abgewehrt 

Der Versuch der Verschlechterung des Flächentarifvertrages konnte erfolgreich abgewehrt werden. Das monatliche Entgelt, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und tarifliche Zusatzgeld werden nicht angetastet und die von der Arbeitgeberseite geforderte unentgeltliche Erhöhung der Arbeitszeit um 10 Stunden im Monat wurde durch die aktive Kampfbereitschaft der Belegschaft verhindert. 

Die Kröte des Kompromisses - aber auch ein Signal an den Konzern, dass die Beschäftigten aktiv hinter dieser Transformation stehen - ist der Verzicht auf das T-Geld (Transformationsgeld) 2025 bis 2027 (jährliche Einmalzahlung von 18,4 Prozent des Monatseinkommens im Juli), wie im Flächentarif der Metall- und Elektroindustrie bei schlechter Lage vorgesehen. Zudem werden zwei Entgelterhöhungen ab 2026 verschoben, und der Arbeitgeber kann statt tariflichem Zusatzgeld (T-ZUG, einmal jährlich 27,5 Prozent) zusätzlich 6 Tage im Jahr frei geben. Das Geld ist nicht weg, sondern wird in einen zusätzlichen Investitionstopf für den Standort Simmern eingezahlt. Was davon nicht verbraucht wird, erhalten die IG Metall-Mitglieder bei Boge zurück.

Jetzt haben die Mitglieder das letzte Wort. Die Urwahl bei Boge in Simmern läuft. Am 4. Juli gibt die IG Metall die Ergebnisse der Urwahl auf einer Betriebsversammlung bekannt. Die Belegschaft wird dann die „Flamme der Solidarität“ entzünden und an weitere Betriebe weitergeben.

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