Transformation Autozulieferer
Continental Gifhorn macht zu – Stiebel Eltron will übernehmen

Vor zwei Wochen verkündete Continental das Aus für das Werk Gifhorn. Doch jetzt will Stiebel Eltron dort künftig Komponenten für Wärmepumpen fertigen. Dafür haben sich 850 Beschäftigte, Betriebsrat und IG Metall massiv eingesetzt, mit Aktionen, bei Gesprächen im Aufsichtsrat und mit der Politik.

21. Juli 202321. 7. 2023


Bis 2027 will Continental das Werk in Gifhorn (Niedersachsen) schrittweise schließen. Das verkündete der Autozulieferer vor zwei Wochen. Doch jetzt hat der Heizungs- und Klimahersteller Stiebel Eltron eine offizielle Absichtserklärung abgegeben: Er will hier künftig Komponenten für Wärmepumpen bauen und dafür einen beträchtlichen Teil der 850 Beschäftigten übernehmen. Continental und Stiebel Eltron nehmen nun Verhandlungen über die Nutzungsmöglichkeiten am Standort Gifhorn auf.

Damit könnte eine Zukunft für einen beträchtlichen Teil der rund 850 Beschäftigten am Standort gesichert werden. Bislang fertigten sie hier Bremssysteme. Demnächst vielleicht Innenmodule und Speicher für Wärmepumpen.

Für ihre neue Arbeit werden die Beschäftigten qualifiziert: Continental siedelt ein Weiterbildungszentrum für Technologie und Transformation (CITT) in Gifhorn an.

 „Wir sind sehr froh, dass mit Stiebel Eltron ein potenzieller Interessent gefunden wurde, der in den Standort Gifhorn investieren und dort Produkte der Energiewende bauen möchte“, erklärt Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall Niedersachsen-Sachsen-Anhalt. „Nun gilt es bestmöglich und für so viele Kolleginnen und Kollegen wie möglich den Übergang von Arbeit in Arbeit zu ebnen. Die IG Metall drängt auf massive Qualifizierungsmaßnahmen für alle Beschäftigten, egal ob ihr Weg bei Stiebel Eltron weiterführt, innerhalb des Continental-Konzerns stattfindet oder bei anderen lokalansässigen Unternehmen ihre berufliche Zukunft liegt.“


Erfolgsfaktoren: Mitbestimmung, Organisationsgrad, Netzwerk

Bereits vor dem Schließungsbeschluss vor zwei Wochen gab es immer wieder Diskussionen um den Standort Gifhorn und Verlagerungen. Doch Beschäftigte, Betriebsräte und IG Metall haben in den letzten Wochen mit Aktionen Druck gemacht und Gespräche geführt – im Aufsichtsrat und mit der Politik.

„Transformation kann nur mit Mitbestimmung und gut organisierten Belegschaften erfolgreich gelingen“, erklärt Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende bei Continental. „Die Arbeitnehmerseite hat sich im Aufsichtsrat entschlossen dafür eingesetzt, alles möglich zu machen, damit die Beschäftigten in Gifhorn weiterhin eine Zukunftsperspektive haben. Die Absichtserklärung von Stiebel Eltron und die Ansiedlung eines Weiterbildungszentrums sind hier ein sehr gutes Signal.“

Ohne ihren hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad und ihr Netzwerk hätte das Management ihr Werk einfach plattgemacht, meint der Betriebsratsvorsitzende Athanasios Kokotos. „Als wir vor einem Jahr merkten, es geht in die falsche Richtung, da redeten wir mit Christiane Benner, die sofort da war – und mit unserem Bundestagsabgeordneten [und Bundesarbeitsminister] Hubertus Heil, der immer für uns ansprechbar ist. Zudem sind wir zu 96 Prozent in der IG Metall organisiert. Und alle Betriebe der IG Metall-Geschäftsstelle Wolfsburg stehen hinter uns – und mit uns bei Aktionen vor dem Werkstor. Die Unternehmensleitung wusste, dass wir auf die Straße gehen werden und sehr lange kämpfen können.“

„Das war entscheidend. Der Arbeitgeber wusste, dass er sich mit uns nicht anlegen kann“, betont Felina Bodner, Betriebsbetreuerin für Continental der IG Metall Wolfsburg. „Conti war bei uns in der Region schon immer nach Volkswagen der größte IG Metall-Betrieb, mit dem höchsten Organisationsgrad. Die Kolleginnen und Kollegen sind immer auf der Straße, auch in der letzten Tarifrunde [Ende 2022, Foto oben]. Da haben einige schon gewarnt: Die gehen nicht raus, die haben Angst um ihre Jobs. Doch klar waren wieder alle draußen. Das sieht natürlich auch der Arbeitgeber.“


Plus für Standort Gifhorn: qualifiziertes erfahrenes Personal

Über Monate liefen Gespräche, mit der Unternehmensleitung, mit möglichen Investoren, bis schließlich Stiebel Eltron die Absichtserklärung abgab. „Die haben bereits das komplette Werk durchleuchtet“, berichtet Athanasios Kokotos. „Mit auschlaggebend war unser qualifiziertes Personal, das wir jetzt über das neue CITT-Weiterbildungszentrum für die neuen Produkte weiterbilden.“

Viele Beschäftigte sind schon in dritter Generation hier, im „Familienbetrieb“. Athanasios selbst ist seit 33 Jahren im Betrieb, sein Vater, seine Mutter und seine Schwester haben hier ihr Leben lang gearbeitet, jetzt ist auch sein Sohn als Leiharbeiter hier. Die Beschäftigten in Gifhorn haben jahrelange Erfahrung und sind auf vielen Gebieten Spezialisten.

Umso mehr ärgerten sie sich über Entscheidungen des Continental-Managements. „Erst verlagern sie die Montagen weg – und jetzt soll auch noch die Zerspanung von Ventilblöcken Ende 2027 Auslaufen“, kritisiert Kokotos. „Da sind wir die Besten. Wir haben 0 Prozent Reklamationen und werden von Continental-Standorten weltweit angefragt. Trotzdem vergibt das Management aus Kostengründen die Ventil-Zerspanung fremd an externe Firmen, die das gar nicht können. Und dann wollen sie uns schließlich ganz schließen.“

Dass Gespräche über die Zukunft mit möglichen Investoren laufen, weiß die Belegschaft von Continental in Gifhorn schon länger. Aber sie sind erleichtert, dass die Suche sich nicht noch Jahre hinzieht. Ende 2023 läuft ihre von der IG Metall ausgehandelte Beschäftigungssicherung aus, Ende 2025 auch die Standortsicherung. Am Mittwoch hat der Betriebsrat sofort die Beschäftigten über die Absichtserklärung von Stiebel Eltron informiert. „Sie sorgt für mehr Vertrauen in das Vorgehen des Arbeitgebers“, meint Athanasios Kokotos. „Die Kolleginnen und Kollegen bekommen so nach und nach mehr Zuversicht, dass es in Gifhorn wie angekündigt die Perspektive von Arbeit in Arbeit gibt.“

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