Beschäftigte von Thyssen-Krupp auf Großkundgebung
Stahlwerker haben die Faxen dicke

Rund 8000 Beschäftigte aus allen deutschen Stahlstandorten von Thyssen-Krupp waren heute auf der Straße. Sie demonstrierten im rheinland-pfälzischen Andernach gemeinsam für eine sichere Zukunft ihrer Werke und Arbeitsplätze.

23. November 201723. 11. 2017


Mit etwa 7000 Menschen hatte die IG Metall gerechnet. Tatsächlich kamen weit mehr Stahlwerker nach Andernach. Die meisten aus dem Ruhrgebiet und Siegerland. Allein aus Duisburg reisten Beschäftigte von Thyssen-Krupp Steel Europe (TKSE) in 35 Bussen an, um mit ihren rheinland-pfälzischen Kolleginnen und Kollegen am Thyssen-Krupp-Stahlwerk Rasselstein in Andernach gegen die Fusionspläne des Konzerns zu protestieren. Auch Beschäftigte von Salzgitter Mannesmann, Arcelor Mittal, Saarstahl, Georgsmarienhütte, den Deutschen Edelstahlwerken und von anderen Stahlunternehmen waren angereist, um sich mit ihnen zu solidarisieren. Ihr Protestzug endete mit einer großen Kundgebung.


Großes Schweigen

Seit September wissen die Beschäftigten, dass der Thyssen-Krupp-Konzern seine Stahlsparte mit dem indischen Stahlunternehmen Tata in einem Joint Venture zusammenbringen will. Aber immer noch schweigt der Konzernvorstand sich darüber aus, welche konkreten Pläne er für die deutschen Standorten hat. Nur dass schon bald mindestens 2000 Arbeitsplätze allein bei TKSE und genauso viele bei Tata wegfallen sollen steht seit langem als Drohung im Raum.


Keine Bad Bank

IG Metall und Betriebsräte von Thyssen-Krupp haben große Zweifel, dass die Fusionspläne den deutschen Stahlwerken und ihren Beschäftigten sichere Perspektiven bieten. Beide Unternehmen kämpfen auf einem Markt mit weltweiten Überkapazitäten. Trotzdem soll Tata nach dem Joint Venture jährlich bis zu 2,5 Millionen Tonnen Stahl nach Europa exportieren dürfen. Das kann nur zu Lasten der europäischen Stahlhersteller gehen.

Noch schwerer wiegt: Sowohl Thyssen-Krupp als auch Tata sind hochverschuldet. Auf Tata lasten hohe Pensionsverpflichtungen für Beschäftigte in Großbritannien. Beide Unternehmen wollen Schulden in dem neuen Gemeinschaftsunternehmen verklappen: Tata 2,5 Milliarden und TKSE vier Milliarden. Thyssen-Krupp will auf diese Weise seine Konzernbilanz von den Altlasten des Brasilienabenteuers entlasten. „Die Stahlwerke wollen nicht die Bad Bank von Thyssen-Krupp werden“, sagt Wilhelm „Willi“ Segerath, der Konzernbetriebsratsvorsitzende.


Ein Jahrzehnt Sicherheit

Betriebsräte und IG Metall drängen darauf, dass das Management endlich sagt, wohin die Reise gehen soll. Mit Mahnwachen, Kundgebungen und etlichen weiteren Aktionen haben sie in der Vergangenheit bereits versucht, Thyssen-Krupp zu zwingen, Farbe zu bekennen. Die IG Metall hat der Konzernspitze zehn Forderungen vorgelegt, auf die die Arbeitgeber bisher nicht eingegangen sind. Darin verlangt die IG Metall Garantien für die Arbeitsplätze. „Wir fordern Sicherheit für ein Jahrzehnt: für Beschäftigte, Standorte, Anlagen und Investitionen“, bekräftigt Willi Segerath. „Und das Gemeinschaftsunternehmen muss finanziell solide ausgestattet sein.“ Der Thyssen-Krupp-Konzern soll sich verpflichten, seine Anteile langfristig zu halten und für Verluste geradezustehen.

Ein weiterer wichtiger Punkt im Forderungskatalog: Die deutsche (Montan-)Mitbestimmung darf nicht ausgehebelt werden. Diese Gefahr ist real, weil die gemeinsame Holding mit Tata ihren Sitz in Amsterdam haben soll.


Rücken gestärkt

Die 8000 Demonstranten haben die Forderungen heute noch einmal lautstark unterstützt. „Die vielen Menschen heute bei der Kundgebung – das hat mich schon sehr beeindruckt“, sagt Willi Segerath. Er konnte die große Ansammlung von der Tribüne aus gut überblicken.

Es gibt eine Arbeitsgruppe aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern, die sich mit der Fusion befasst und schon viermal getagt hat. Gebracht haben die Treffen bisher nichts. Morgen kommt die Gruppe wieder zusammen. Willi Segerath ist dabei. „Die Kundgebung heute stärkt uns bei den Verhandlungen morgen den Rücken“, sagt er. „Jetzt haben wir die Sicherheit: Wenn es sein muss, bekommen wir so viele Menschen auf die Beine, dass wir etwas bewegen können.“ Beschlossen ist die Fusion noch lange nicht.

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