Gut gemacht: Zukunftstarifvertrag bei Musashi
Solidarisch erkämpft: Zukunft bei Zulieferer Musashi

20.000 wollte die Geschäftsführung jedem Beschäftigten wegnehmen - alle Sonderzahlungen, auch Urlaubs- und Weihnachtsgeld und T-ZUG - und drohte mit Insolvenz. Doch Beschäftigte und Betriebsräte rückten zusammen, stellten Gegenforderungen und erkämpften einen Zukunfts- und Sozialtarifvertrag.

Sie drohten mit Insolvenz und legten den Beschäftigten eine »Giftliste« mit Forderungen vor: Verzicht auf alle Sonderzahlungen, auch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Verschiebung von Tariferhöhungen, Abgruppierungen. Im Schnitt wollte die Geschäftsführung jedem der bundesweit 2000 Beschäftigten in den nächsten drei Jahren rund 20† ‰000 Euro wegnehmen.

Zusagen für die Zukunft wollte das Management dafür nicht machen. Die Transformation, die Umstellung auf Elektroautos, hatte Musashi verschlafen. Pläne für die Zukunft? Wie auch, wenn die Werkleiter alle zwei, drei Jahre wechseln?!

Das war die Lage bei Musashi im Februar.
 

Standorte gesichert, Mitbestimmung ausgeweitet

Anfang Mai sieht es ganz anders aus. Alle sechs deutschen Standorte sind bis 2030 gesichert: Bad Sobernheim, Bockenau, Grolsheim, Hannoversch Münden, Leinefelde und Lüchow.

Ja, sie verzichten auch – aber weit weniger als befürchtet: auf das T-ZUG B bis 2030 und auf das T-Geld bis 2027. Zudem werden Tariferhöhungen nach hinten verschoben.

Dafür sind die IG Metall-Mitglieder bis 2026 vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt – und die Mitbestimmung bei Musashi ist erweitert: Sie gestalten ihre Zukunft in Lenkungsausschüssen mit, reden mit bei Zielbildern und Investitionen.

Sie haben zusammengehalten und sich nicht wie früher spalten lassen. Auch der Standort Leinefelde / Thüringen wird in den Zukunftstarifvertrag integriert, sowie eine Angleichung an den Westen – von 38 auf 35 Stunden – vereinbart.

Das haben die Beschäftigten des Autozulieferers Musashi gemeinsam mit der IG Metall erkämpft, in harten Verhandlungen, gemeinsamen Aktionen und Warnstreiks. Die Bänder bei Kunden wie VW, Daimler Truck und Volvo standen wegen ausbleibender Lieferungen bereits vor dem Stopp. Doch dann lenkte die Geschäftsführung kurz vor der Urabstimmung über unbefristete Streiks endlich ein und unterschrieb einen Zukunfts- und Sozialtarifvertrag mit der IG Metall.

Die IG Metall-Mitglieder waren im Tarifkonflikt eng beteiligt, diskutierten mit und stimmten ab – auch über mögliche Zugeständnisse.

97,96 Prozent stimmen am Ende für die Annahme des Verhandlungsergebnisses.

Jetzt geht es an die Umsetzung.

Ausführliche Story, Bildergalerie und Video auf igmetall.de.

Zukunft durch Widerstand. Kampf um Zukunft beim Autozulieferer Musashi

Ausgangslage, Chronologie, Methoden, Interviews, Eckpunkte des Zukunfts- und Sozialtarifvertrags bei Musashi. Broschüre, 59 Seiten.

Musashi Tarifnachrichten Nr.1 / 2022

Musashi Tarifnachrichten Nr.2 / 2022

Musashi Tarifnachrichten Nr.3 / 2022

Musashi Tarifnachrichten Nr.4 / 2022

Musashi Tarifnachrichten Nr.5 / 2022

Eckpunkte Transformations-, Zukunfts- und Sozialtarifvertrag bei Musashi

Zukunft und Schutz

• Garantien für die Standorte bis 2030 mit tariflich garantierten Mindestpersonalbemessungen und Zielbildern mit Investitionen für den Umbau aller Werke

• Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen nur für IG Metall-Mitglieder bis zum 31.12.2025

• Garantie der Ausbildung und unbefristete Übernahme für IG Metall-Mitglieder nach der Ausbildung

Zukunft und Sicherheit

• Soziales Auffangnetz durch Sozialtarifvertrag bis Ende 2030

• Überdurchschnittliche tarifliche Altersteilzeitregelung: Tarifprogramm „Gute Arbeit - Gut in Rente“

• TransferPLUS: Transfergesellschaft plus tarifliche Mindestabfindungen von 1,5 Bruttomonatsentgelten pro Beschäftigungsjahr

Zukunft durch offensive Veränderung und Gestaltung der Transformation

• Die Belegschaft kann sich über die Steuerungs- und Lenkungskreise für eine faire Transformation einbringen.

Zukunft nur mit Gleichbehandlung

• Einbeziehung auch der Musashi Europe GmbH und der HAM Holding in den Flächentarif

• IG Metall-Bonus nur für Mitglieder (Härtefallfonds) : Topf von 3,2 Millionen Euro, der dieses Jahr ausgeschüttet wird (u. a. Bezahlung aller Warnstreikstunden). Über die Verteilung entscheidet die zentrale IG Metall-Tarifkommission. Ausgezahlt wird nur an Mitglieder der IG Metall.

• Die roten Linien wurden verteidigt, der „Giftliste“ die Zähne gezogen und die Lohnsenkung auf ein Mindestmaß reduziert: Verzicht auf T-ZUG B bis 2030 und auf das Transformationsgeld (T-Geld) bis 2027. Tariferhöhung 2022 wird um 12 Monate verschoben, Tariferhöhungen 2023 und 2024 um 6 Monate.

Es gibt die Chance, diese Beiträge durch zukünftige Gewinnbeteiligung zurückzubekommen.

Ausweitung der Mitbestimmung

• Mitgliederversammlungen während der Arbeitszeit.

• Bildung von Lenkungsausschüssen mit der Geschäftsführung, Mitgliedern des Betriebsrats und der IG Metall.

• Vereinbarung von Zielbildern mit Investionen für alle Standorte.

• örtliche Tarifkommissionsmitglieder stehen als Auskunftspersonen für den Betriebsrat bereit.

Nähere Informationen über den Transformations-, Zukunfts- und Sozial-TV über die Tarifregister bei den Arbeitsministerien der Länder und es Bundes oder über die IG Metall-Bezirksleitung Mitte. Kontakt: uwe.zabel@igmetall.de

Musashi-Betriebsräte über ihren gemeinsamen Kampf und die Zukunft
Portrait von Jürgen Gebhardt

Jürgen Gebhard, Bad Sobernheim, Vorsitzender des Konzernbetriebsrats

Die Arbeitgeber haben uns unterschätzt. Als wir ihnen Ende 2020 das Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht geben wollten, sind sie einfach gegangen. „Somit werden die Gespräche beendet“. Das nächste war dann Anfang 2022 die Giftliste vom Arbeitgeberverband. Doch mit der IG Metall im Rücken waren wir dann auf Augenhöhe.

Portrait von Simone Krämer

Simone Krämer, Betriebsratsvorsitzende Bad Sobernheim, Bockenau und Grolsheim

Diese Krise hat uns in der Belegschaft, in der Tarifkommission und im Betriebsrat zusammengeschweißt, schon bei den ersten Aktionen: Da musste jeder ran, raus aus der Komfortzone. Wir haben alle an einem Strang gezogen. Diese gewonnene Stärke werden wir uns nicht mehr nehmen lassen, nicht die Belegschaft, nicht unser BR-Gremium, noch die Tarifkommission und die IG Metall- Mitglieder bei uns und auch nicht im Konzern.

Portrait von Sven Fuhrmann

Sven Fuhrmann, Stellvertretender Betriebsratsvorsitzender Lüchow

Wir müssen weiter dafür arbeiten, die Gemeinschaft zu erhalten – wie in einer Ehe. Deshalb planen wir jetzt einen Betriebsausflug mit allen nach Bad Sobernheim, Bockenau und Grolsheim, um uns auszutauschen und uns noch besser kennenzulernen. Denn wenn man sich nicht kennt, dann verfällt man wieder in Egoismus.

Christoph Wiederholt, Betriebsratsvorsitzender Musashi
Leinefelde, IG Metall-Vertrauensmann, Mitglied der zentralen
Tarifkommission bei Musashi

Christoph Wiederholt, Betriebsratsvorsitzender Leinefelde

Die Solidarität, die zwischen den Standorten herrschte, der gemeinsame Kampf, das kann man nicht in Worte fassen, da muss man einfach dabei gewesen sein. Das war genial. Dabei war Leinefelde von der Bedrohung des Arbeitgebers eigentlich außen vor, da wir schon 2019 einen Teil gegeben haben. Dann wurde aber entschieden: wenn die Arbeitgeber was von uns wollen, dann müssen wir zusehen, dass das schwächste Werk, Leinefelde, auf das gleiche Niveau gehoben wird.

Betriebsratsvorsitzender Musashi Lüchow, IG Metall-Vertrauensmann, KBR, Aufsichtsrat, zentrale Tarifkommission bei Musashi

Torsten Melzian, Betriebsratsvorsitzender Lüchow

Unser Orgagrad ist von 67 Prozent auf 90 Prozent IG Metall-Mitglieder angestiegen. Damit waren die Erwartungen an uns und die IG Metall natürlich sehr hoch. Aber alle waren sich einig: Es gibt eine rote Linie. Wir büßen nicht mit unserem Entgelt für die Fehler des Managements der letzten Jahre.

 Karl Koch, Betriebsratsvorsitzender von Musashi Hannoversch Münden, IG Metall-Vertrauensmann, zentrale Tarifkommission Musashi.

Karl Koch, Betriebsratsvorsitzender von Musashi Hannoversch Münden

Wir müssen die Bude wieder auf Vordermann bringen und so gestalten, dass die Kunden wieder zu Musashi kommen wollen. Das ist der erste Schritt, den wir gehen müssen: hin zu grünen Energien. Das macht uns attraktiv für neue Kunden. Zudem werden Stahlteile überall gebraucht, nicht nur in der Automobilindustrie, sondern zum Beispiel auch bei Windrädern oder E-Bikes.

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