Neue BAG-Urteile zu Betriebsratswahlen
Wo der Wahlvorstand bei der BR-Wahl aufpassen muss

Seit den letzten Betriebsratswahlen gibt es neue Rechtsprechung dazu. Wir haben die wichtigsten aktuellen BAG-Entscheidungen zusammengestellt, die Wahlvorstände jetzt bei der Vorbereitung der nächsten Betriebsratswahlen 2026 beachten müssen.


23. September 202523. 9. 2025


Das sind fünf wichtige neue Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts und was sie für die Arbeit der Wahlvorstände bedeuten:
 

Falsch gefaltete Stimmzettel sind ungültig

  • Seit Reform der Wahlordnung 2021 erfolgt die Stimmabgabe in Präsenz ohne Wahlumschläge durch Einwerfen des gefalteten Stimmzettels in die Wahlurne. Das Wahlgeheimnis wird dadurch gewährleistet, dass die Wähler*in den Stimmzettel in der Weise faltet, dass ihre oder seine Stimme nicht erkennbar ist. 
  • Auch bei der Briefwahl ist der Stimmzettel so zu falten, dass die Stimmabgabe nicht erkennbar ist (§ 25 Abs. 1 WO). Auch wenn der Stimmzettel in einem Wahlumschlag verschickt wird, kann das Wahlgeheimnis nur durch eine ordnungsgemäße Faltung des Stimmzettels gewahrt werden.
  • Unrichtig gefaltete Stimmzettel – also diejenigen, bei denen die Stimmabgabe ohne Auseinanderfalten ersichtlich ist – sind daher ungültig. Das BAG hat dies mit dem Beschluss vom 22. Januar 2025 (7 ABR 1/24) entschieden. 

 

Keine Begründung des Briefwahlverlangens erforderlich

  • Die Pflicht des Wahlvorstands, einem Wahlberechtigten, der im Zeitpunkt der Betriebsratswahl wegen Abwesenheit vom Betrieb an der persönlichen Stimmabgabe verhindert ist, auf sein Verlangen die Briefwahlunterlagen auszuhändigen oder zu übersenden, setzt keine Begründung durch den Wahlberechtigten voraus (§ 24 Abs. 1 Satz 1 WO). Der Wahlvorstand muss auch nicht prüfen, ob das Begehren, im Wege der Briefwahl zu wählen, plausibel ist.
  • Der Wahlvorstand hat die Verhinderung wegen Betriebsabwesenheit nur dann zu überprüfen, wenn sich Zweifel daran aufdrängen. Das hat das BAG festgestellt (Beschluss vom 22. Januar 2025 – 7 ABR 1/24).
  • Eine solche Überprüfungspflicht wird etwa ausgelöst, wenn ein Wahlvorstandsmitglied weiß, dass der verlangende Wahlberechtigte am Wahltag im Betrieb anwesend ist. In diesem Fall wäre es geboten, den Wahlberechtigten zu einer entsprechenden Erklärung oder Begründung des Briefwahlverlangens aufzufordern.

 

„Mobile Arbeit“ (Homeoffice) und Briefwahl

  • Nach § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 WO erhalten – ohne dass es eines entsprechenden Verlangens bedarf – diejenigen Wahlberechtigten die Briefwahlunterlagen, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden.
  • Zur Gruppe der Wahlberechtigten gem. § 24 Abs. 2 Nr. 1 WO zählen insbesondere Mitarbeiter*innen im Außendienst sowie Tele- und Heimarbeitnehmer*innen. Auch Beschäftigte, die außerhalb des Betriebes in „Home-Office-Modellen“ oder auf Grundlage von Modellen „mobiler Arbeit“ tätig sind, können hierunter fallen. Voraussetzung ist, dass der Wahlvorstand sichere Kenntnis besitzt, dass diese Beschäftigten tatsächlich entweder ausschließlich oder zumindest überwiegend mobil oder im Homeoffice arbeiten.
  • Zu beachten ist, dass es Ausnahmefälle gibt: Ist dem Wahlvorstand sicher bekannt, dass Beschäftigte, die eigentlich vollständig oder überwiegend nicht im Betrieb tätig sind, dennoch während der Wahl sicher anwesend sein werden, handelt es sich nicht um Briefwähler*innen im Sinne des § 24 Abs. 2 Nr. 1 WO. Den Wahlvorstand trifft keine Pflicht zur Nachforschung, ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt. Hat er jedoch Kenntnis davon, dass die Beschäftigten während des gesamten Wahlzeitraums im Betrieb anwesend sein werden, darf er ihnen keine Briefwahlunterlagen zukommen lassen (BAG, Beschluss 23. 10. 2024 – 7 ABR 34/23).

 

Betriebsratswahl kann nicht als reine Briefwahl durchgeführt werden

  • Wahlvorstände müssen die Voraussetzungen einer Briefwahl nach § 24 WO BetrVG bei der Vorbereitung und Durchführung der Betriebsratswahl sorgfältig prüfen. Die Regelung in § 24 WO stellt klar, in welchen Fällen und unter welchen Umständen eine Briefwahl erfolgen darf.
  • Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 WO kann der Wahlvorstand für Betriebsteile und Kleinstbetriebe, die räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind, die schriftliche Stimmabgabe beschließen. Den Arbeitnehmern soll hierdurch die Möglichkeit zur Wahl erleichtert werden, wenn die Teilnahme an der Urnenwahl aufgrund der Entfernung ihres Arbeitsortes vom Wahllokal mit unzumutbarem Aufwand verbunden ist. Dies setzt gerade voraus, dass im Hauptbetrieb(steil) ein Wahllokal existiert.
  • Eine reine Briefwahl für alle Arbeitnehmer kommt nicht in Betracht. Die Arbeitnehmer im Hauptbetrieb wählen nach § 24 Abs. 3 WO in Präsenz. Für die in dem Hauptbetrieb(steil) beschäftigten Wahlberechtigten ist es – vorbehaltlich der in § 24 Abs. 1 und 2 WO geregelten Sachverhalte – unproblematisch möglich, an der Urnenwahl teilzunehmen (BAG-Beschluss vom 22. Januar 2025 – 7 ABR 23/23). 


Zerstörung, Entfernen und Überkleben von Wahlplakaten und Postern mehrerer Vorschlagslisten

  • Zur Wahl gehört auch Wahlwerbung. Das Recht, die eigene Position bekannt zu machen und sich um ein gutes Wahlergebnis zu bemühen, ist im Betriebsverfassungsgesetz garantiert und vor Störungen geschützt (§ 20 Abs. 1 BetrVG). Der Arbeitgeber und der Wahlvorstand haben Pflichten, um den Schutz der Wahl zu gewährleisten. Der Umfang richtet sich nach dem Einzelfall. Bei Behinderungen und Beeinflussung durch (betriebsangehörige) Dritte haben sie zumutbare und ggf. vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen.
  • Das BAG sah im zugrundliegenden Fall die Maßnahmen des Werkschutzes als ausreichend an: Es wurden insgesamt zehn Fälle gemeldet. Die Arbeitgeberin stockte die Zahl der durch den Werkschutz durchgeführten Streifen in der Tages- und Nachtschicht im gesamten Werk auf. Das BAG stellte klar, dass eine lückenlose und dauerhafte Überwachung auf dem mehr als sechs Quadratkilometer großen Betriebsgelände weder zumutbar noch tatsächlich umsetzbar ist. Das Wahlrecht trägt weder dem Wahlvorstand noch der Arbeitgeberseite eine engmaschig auszuübende „Wahlkampfüberwachung“ auf (BAG vom 23. Oktober 2024 – 7 ABR 34/23). 
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