Urlaub und Krankheit
Zur 15-Monats-Verfallfrist bei Dauerkranken

Grundsätzlich müssen Unternehmen ihre Mitarbeiter nämlich rechtzeitig auf ihre noch offenen Urlaubsansprüche und den drohenden Verfall der Urlaubsansprüche hinweisen. Anderenfalls verfällt der Urlaub nicht. Doch gilt das auch im Falle von Langzeiterkrankten?


Bei längeren Krankheitszeiten stellen sich immer wieder Fragen, was mit dem Urlaub ist. Eine wichtige Frage dabei ist, ob überhaupt und wenn ja in welchem Umfang Urlaubsansprüche realisiert werden können. Hierzu existiert eine umfangreiche Rechtsprechung. Zuletzt hatte das Bundesarbeitsgericht über eine 2019 erhobene Klage zu entscheiden, in der es um Urlaubsansprüche aus dem Jahre 2016 ging. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) folgende Grundsätze aufgestellt:

Der volle Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Werktagen entsteht nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses jeweils am 1. Januars eines Kalenderjahres. Ab diesem Zeitpunkt hat der Arbeitgeber bei der Erfüllung des Urlaubsanspruchs mitzuwirken. Er muss die Arbeitnehmer unverzüglich auffordern, ihren Urlaub zu nehmen, und ihnen klar mitteilen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder des dreimonatigen Übertragungszeitraums auf das Folgejahr verfällt, wenn sie keinen Urlaub beantragen. Die Aufforderung und der Hinweis muss nicht sofort nach der Urlaubsentstehung erfolgen, darf aber nicht schuldhaft verzögert werden. Die Zeitspanne, die dem Arbeitgeber zur Vorbereitung und Durchführung der Belehrung einzuräumen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Da die Berechnung des Urlaubsanspruchs und die Formulierung der Belehrung regelmäßig keine besonderen Schwierigkeiten bereiten, ist unter normalen Umständen eine Zeitspanne von einer Woche nach Urlaubsentstehung ausreichend.

War der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres arbeitsunfähig, verfällt der Urlaubsanspruch 15 Monate nach Beendigung des Urlaubsjahres. Und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist. In diesem Fall sind nicht Handlungen oder Unterlassungen des Arbeitgebers, sondern allein die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers für den Verfall des Urlaubs ursächlich.
 

Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers

Demgegenüber kann ein Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub aus einem Bezugszeitraum, in dessen Verlauf der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat, bevor er aufgrund einer seitdem fortbestehenden Krankheit arbeitsunfähig geworden ist, grundsätzlich nur dann nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten erlöschen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer durch Erfüllung seiner Hinweispflichten rechtzeitig in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch auch auszuüben.

Urlaub kann außerdem nur in dem Umfang erhalten bleiben, indem der Arbeitnehmer ihn bis zum Eintritt der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit tatsächlich hätte in Anspruch nehmen können. Soweit der Arbeitnehmer den Urlaub selbst bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Mitwirkungshandlungen aus gesundheitlichen Gründen nicht hätte antraten können, treffen den Arbeitgeber keine nachteiligen Folgen seiner Hinweispflichtverletzung.

Die obigen Ausführungen des BAG beziehen sich auf den gesetzlichen Mindesturlaub. Für darüberhinausgehende Urlaubsansprüche, die auf einem Tarifvertrag oder einem Arbeitsvertrag beruhen, kommt es darauf an, ob dort insoweit abweichende Regelungen getroffen sind. Ist dies nicht der Fall, so gelten für den Mehrurlaub die oben dargestellten Grundsätze.

 

Hier geht es zum Volltext der BAG-Entscheidung vom 31. Januar 2023 – 9 AZR 107/20.

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