Betriebsverfassung
Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts steht dem Betriebsrat kein Mitbeurteilungsrecht nach Paragraf 99 BetrVG zu, wenn es um eine Anpassung der Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds geht.

19. März 202519. 3. 2025


Sinn und Zweck der Mitbestimmung 

Die in Paragraf 99 BetrVG vorgesehene Beteiligung des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen dient der einheitlichen und zutreffenden Anwendung einer betrieblichen Vergütungsordnung. Auf diese Weise soll für Transparenz und innerbetriebliche Lohngerechtigkeit gesorgt werden. Der Arbeitgeber soll prüfen, welcher Gruppe und gegebenenfalls welcher Stufe der im Betrieb geltenden Vergütungsordnung die Tätigkeit des Arbeitsnehmers zuzuordnen ist. Und er soll diese Beurteilung gemeinsam mit dem Betriebsrat vornehmen.
Dieser Zweck kommt aber nicht zum Tragen, wenn das Arbeitsentgelt nicht durch die Zuordnung der zu verrichtende Tätigkeit zu einer bestimmten Gruppe einer Vergütungsordnung festgelegt wird, sondern nach – davon unabhängigen – gesetzlichen Vorgaben erfolgt. Die gesetzlichen Vorgaben für die Anpassung der Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder ergeben sich aus Paragraf 37 Absatz 4 oder Paragraf 78 Satz 2 BetrVG.
 

Verbot schlechterer Vergütung 

Nach Paragraf 37 Absatz 4 Satz 1 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Die Norm gewährt einem Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf Erhöhung seines Entgelts in dem Umfang, indem das Entgelt vergleichbarer Arbeitnehmer steigt. Dabei wird der betreffenden Arbeitnehmer nicht in eine Vergütungsordnung eingereiht. Es findet nur eine Anpassung seines Arbeitsentgelts statt mit Blick auf dasjenige vergleichbarer Arbeitnehmer. Das bedeutet keine Garantie einer der Höhe nach absolut gleichen Vergütung. Es soll nur sichergestellt werden, dass die Entgeltentwicklung des Betriebsratsmitglieds während der Dauer seiner Amtszeit nicht hinter derjenigen zurückbleibt, die vergleichbare Arbeitnehmer nach den betriebsüblichen Umständen durchlaufen.
 

Schutz vor Benachteiligungen 

Auch bei einer Entgeltanpassung nach Paragraf 78 Satz 2 BetrVG erfolgt keine Einreihung des freigestellten Betriebsratsmitglieds in eine Vergütungsordnung. Nach dem allgemeinen Benachteiligungsverbot muss der Arbeitgeber den Betriebsratsmitgliedern eine berufliche Entwicklung gewährleisten, die derjenigen entspricht, die sie ohne ihre Amtstätigkeit durchlaufen hätten. Dies betrifft nicht nur die berufliche Tätigkeit, sondern auch das sich aus ihr ergebende Entgelt. Stellt sich die Zahlung einer geringeren Vergütung als Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds wegen seiner Betriebsratstätigkeit dar, kann ein Betriebsratsmitglied, dass nur infolge der Amtsübernahme nicht in eine Position mit höherer Vergütung aufgestiegen ist, den Arbeitgeber unmittelbar auf Zahlung des höheren Entgelts in Anspruch nehmen. Auch in diesem Fall findet keine Zuordnung einer vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit zu einer bestimmten Gruppe einer Vergütungsordnung statt.

Dies gilt selbst dann, wenn sich das Arbeitsentgelt für die höher vergütete Position nach einer betrieblichen Vergütungsordnung richtet. Auch in dem Fall werden nicht – wie für eine Ein- oder Umgruppierung erforderlich – die zu verrichtenden Arbeitsaufgeben des Betriebsratsmitglieds, sondern lediglich ein möglicher Arbeitsplatz bewertet. Die personenunabhängige – abstrakte – Bewertung von Arbeitsplätzen oder Tätigkeiten fällt nicht unter Paragraf 99 BetrVG.

BAG vom 26. November 2024 – 1 ABR 12/23

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