Mitbestimmung
Wann ist die Verlegung des Arbeitsplatzes eine Versetzung?

Wenn innerhalb einer Großstadt ganze Abteilungen oder Teams an einen anderen Standort verlegt werden, ist dies keine mitbestimmungspflichtige Versetzung. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass es für die Mitbestimmungspflicht auf alle Änderungen in ihrer Gesamtheit ankommt.

2. August 20232. 8. 2023


Bekanntlich ist der Betriebsrat nach Paragraf 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) stets bei Versetzungen zu beteiligen. Wann eine solche bei einer örtlichen Veränderung vorliegt, dazu hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) folgende Grundsätze aufgestellt:

  • Eine nach dem Paragrafen 95 und 99 BetrVG zustimmungspflichtige Versetzung liegt bei Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs vor, die die Dauer von voraussichtlich einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist.
  • „Arbeitsbereich“ sind die Aufgaben und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs. Der Begriff ist räumlich und funktional zu verstehen. Er umfasst neben der Arbeitsleistung auch die Art der Tätigkeit und den gegebenen Platz in der betrieblichen Organisation. Um die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs handelt es sich, wenn sich das gesamte Bild der Tätigkeit des Arbeitnehmers so verändert, dass diese neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters nun mehr als eine „andere“ anzusehen ist. Dies kann sich aus dem Wechsel des Inhalts der Arbeitsaufgaben und der mit ihnen verbundenen Verantwortung ergeben. Es kann sich aber auch um eine Änderung des Arbeitsorts oder der Art der Tätigkeit handeln, das heißt der Art und Weise, wie die Arbeitsaufgabe zu erledigen ist. Dasselbe gilt bei einer Änderung der Stellung und des Platzes des Arbeitsnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation durch Zuordnung zu einer anderen betrieblichen Einheit.
  • In der Zuweisung eines anderen Arbeitsorts kann auch bei ihrer Art nach gleichbleibender Tätigkeit eine Versetzung liegen. Hingegen handelt es sich nicht um Versetzungen der betroffenen einzelnen Arbeitnehmer, wenn betriebliche Einheiten am Sitz des Betriebs um wenige Kilometer innerhalb einer politischen Gemeinde insgesamt verlagert werden, ohne das sich am konkreten Arbeitsplatz der Arbeitnehmer und seiner Beziehung zur betrieblichen Umgebung sonst etwas ändert.
  • Wird allerdings nicht der gesamte Betrieb oder eine räumlich gesonderte oder ein räumlich gesonderter Betriebsteil insgesamt verlagert, sondern eine Betriebsabteilung aus einem Betrieb ausgelagert, so verändert sich für deren Arbeitnehmer das betriebliche Umfeld. Typischer Weise ist dabei die Veränderung der betrieblichen Umgebung umso größer, je kleiner die verlegte Betriebsabteilung ist.


Räumliche Verlagerung ist keine mitbestimmungspflichtige Versetzung

Im konkreten Streitfall ging es um eine Stadtbezirksübergreifenden Standortverlagerung in Berlin. Das Bundesarbeitsgericht hat die Annahme des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg nicht beanstandet, dass eine Entfernung von 12,1 Kilometern zwischen den bisherigen und dem neuen Standort keine für die Annahme einer Versetzung entscheidende Bedeutung hat.

Zwar könnten sich dadurch die Wegezeiten der betroffenen Arbeitnehmer nicht unerheblich verändert haben. Daraus gegebenenfalls für die betroffenen Arbeitnehmer resultierende wirtschaftliche Nachteile könnten unter den Voraussetzungen des Paragrafen 111 Satz 3 Nr. 2 BetrVG durch einen Sozialplan auszugleichen oder abzumildern sein.

Hier geht es zum Volltext der BAG-Entscheidung vom 17. November 2021 – 7 ABR 18/20.

Mehr zu „Arbeitsrecht“
Richtergavel auf  einem Stapel Euro-Banknoten

BAG-UrteilPrinzip gleiches Geld für gleiche Arbeit gestärkt

Gute Entscheidung für Frauen: Erhält eine Frau bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ein geringeres Gehalt als ein Mann, ist von einer Benachteiligung wegen des Geschlechts auszugehen. Das urteil des Bundesarbeitsgerichts sorgt für mehr Transparenz und Entgeltgerechtigkeit.

EntgeltgleichheitGleichbehandlung beim Entgelt

Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Entgeltgleichheitsgebot

Zwei Beschäftigte unterschiedlichen Alters an einer Bohrmaschine.

BewerberauswahlAlt gegen jung?

Ist es zulässig, einen älten Bewerber für eine Stelle abzulehnen, und zwar nur mit der Begründung, dass man eine jüngere Bewerberin einstellen will? So pauschal gefragt, ist dies klar zu verneinen. Aber:

ein Würfel mit Paragraf darauf ist eingeklemmt zwischen den Köpfen zweier Spielfiguren

SchwerbehindertenschutzKein Präventionsverfahren bei fehlendem Kündigungsschutz

Nach Paragraf 167 Absatz 1 Sozialgesetzbuch IX sind Arbeitgeber verpflichtet, bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung sowie das Integrationsamt einzuschalten.

Ein Schweißer in Schutzausrüstung bei Donges SteelTec GmbH in Darmstadt

ArbeitszeitvergütungDas Anlegen von Schutzkleidung muss bezahlt werden

Für viele Tätigkeiten ist das Tragen einer speziellen Schutzkleidung bei der Arbeit vorgeschrieben. Hier stellt sich die Frage, ob der Zeitaufwand für das An- und Ablegen der Schutzkleidung mit zur vergütungspflichtigen Arbeitsleistung zählt.

KündigungEntgelt bei Freistellung von der Arbeit

Muss man sich nach Arbeitgeberkündigung mit Freistellung um anderweitigen Verdienst bemühen?

Neue BAG-Urteile zu BetriebsratswahlenWo der Wahlvorstand bei der BR-Wahl aufpassen muss

Seit den letzten Betriebsratswahlen gibt es neue Rechtsprechung dazu. Wir haben die wichtigsten aktuellen BAG-Entscheidungen zusammengestellt, die Wahlvorstände jetzt bei der Vorbereitung der nächsten Betriebsratswahlen 2026 beachten müssen.

Eine Anwältin hält ein Gesetzbuch in der Hand

BetriebsübergangFortgeltung von Betriebsvereinbarungen

Die in einem Betrieb bestehenden Betriebsvereinbarungen gelten auch nach einem Betriebsübergang weiterhin unmittelbar und zwingend im Sinne von Paragraf 77 Absatz 4 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) weiter, wenn bei dem Übergang die Identität des Betriebs gewahrt wurde.

Eine Anwältin hält ein Gesetzbuch in der Hand

Allgemeines GleichbehandlungsgesetzBenachteiligung von Schwerbehinderten

Schwerbehinderte oder Gleichgestellte haben einen Anspruch auf Entschädigung, wenn sie wegen ihrer Schwerbehinderung benachteiligt worden sind.

GleichbehandlungsgesetzAltersgrenzen bei Beendigung und Begründung von Arbeitsverhältnissen

Diskriminierungen wegen des Alters sind nicht erlaubt. Nach Paragraf 10 Absatz 1 Satz 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist allerdings eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters dann zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist.

Hand an Kaffeetasse.

RuhepausenArbeit und Pause

In den Betrieben besteht manchmal Unklarheit darüber, was als Arbeitszeit zu gelten hat und was Pausen sind. Ruhezeit und Arbeit schließen sich gegenseitig aus.

Familie im Freizeitpark

BAG-Urteil: Tarifvertrag (u.a. TV T-ZUG)Freizeit statt Geld

Entscheidung zur Berechnung der Umwandlung vom tariflichen Zusatzgeld (T-ZUG) in bezahlte Freistellung.

Schwerpunktthemen

Wöchentlich „Aktuelles für Aktive“