Die sprunghaft ansteigenden Lebenshaltungskosten in ganz Europa führen zu einer wirtschaftlichen und sozialen Krise, wie sie viele Europäer*innen in ihrem Leben noch nicht erlebt haben. Die Inflation schießt auf dem gesamten Kontinent in die Höhe, angeheizt durch enorme Preissteigerungen bei Kraftstoffen, Lebensmitteln und lebenswichtigen Gütern. Infolgedessen wird die Kaufkraft der Beschäftigten ausgehöhlt. Mehr als die Hälfte der europäischen Haushalte kommt kaum noch über die Runden. Beschäftigte mit niedrigem Einkommen und sozial schwache Gruppen sind am stärksten betroffen, aber auch der Lebensstandard der Mittelschicht verschlechtert sich rasch.
Das vergangene Jahr war deshalb geprägt von Protesten, Demonstrationen und intensiven Tarifverhandlungen in ganz Europa. Die Gründe sind klar: Trotz Erwerbstätigkeit explodiert die Armut. Die Ungleichheit boomt. Rekordgewinne für große Unternehmen fließen in die Taschen der Aktionäre, anstatt dringend benötigte Investitionen in den grünen und digitalen Übergang zu tätigen. Auf der tarifpolitischen Konferenz in Mailand betonten deshalb die Industriegewerkschaften, dass es keinen Grund für Lohnzurückhaltung gibt.
Mobilisierung geht weiter
Mit der Kampagne "Together. In Aktion. Für höhere Löhne“ haben der Dachverband IndustriAll Europe und seine Mitglieder dagegen gehalten. Und das mit Erfolg. „Unser europäisches Verständnis vom Sozialstaat ist den Lebenstandard aller zu sichern und nicht nur Armutsfürsorge“, erklärte der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann auf der tarifpolitischen Konferenz in Mailand. Es bleibe von entscheidender Bedeutung, den Stimmen der Beschäftigten durch die Kampagne Gehör zu verschaffen.
Das sind die Kernforderungen der europäischen Industriegewerkschaften:
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eine Lohnerhöhung, die einen angemessenen Lebensstandard garantiert;
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faire Steuern für Unternehmen und Wohlhabende;
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Unterstützung von Arbeitnehmern, die von der Lebenshaltungskostenkrise betroffen sind;
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finanzielle Unterstützung von Unternehmen, die mit Energiekosten zu kämpfen haben;
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sektorale Verhandlungen, damit die Arbeitnehmer*innen eine bessere Bezahlung erzielen können;
Die gemeinsamen Anstrengungen für höhere Löhne in ganz Europa zeigen Wirkung. In Österreich stiegen die Löhne im Metall- und Technologiesektor um 7,4 Prozent. In Belgien erhalten die Beschäftigten eine automatische Indexierung, was zu einer Erhöhung um 11 Prozent führt. Und die IG Metall erzielte für die Metall- und Elektroindustrie ein Plus von 8,5 Prozent zuzüglich eines einmaligen steuerfreien Bonus von 3.000 Euro. Das entlastet vor allem Menschen mit geringerem Einkommen.
Notwendig sind darüber hinaus aber Anti-Krisen-Maßnahmen des Staates, da neben der Lohnpolitik dringend öffentliche Maßnahmen erforderlich sind, um die Ursachen der explodierenden Lebenshaltungskosten zu bekämpfen und die Folgen der Energiekrise für die Arbeitsplätze in der Industrie zu bewältigen. Hier war die IG Metall erfolgreich. Eine Reihe der politischen Maßnahmen zur Eindämmung der Krisenfolgen gehen zurück auf das Engagement der IG Metall beim Energiepreisdeckel und den Entlastungsmaßnahmen.
Es konnte durch die Kampagne von IndustrieAll Europe ein sehr hohes Maß an Informationsaustauch über den Sachstand der jeweiligen Tarifrunden und politischen Kämpfe der Mitgliedsorganisationen von industriAll Europe erreicht werden. Ein gegeneinander Ausspielen in dieser schwierigen Situation konnte verhindert werden. In vielen Ländern geht die Mobilisierung weiter, um die Handlungsfähigkeit der Gewerkschaften deutlich zu machen.