Digitalisierung
„Verhaltens- und Leistungskontrolle ist ausgeschlossen.“

Künstliche Intelligenz (KI) kann die Arbeit in Produktionshallen und Büros erleichtern. Software und Algorithmen haben aber auch das Potential, jeden Handgriff minutiös zu dokumentieren. Betriebsrat Anton Wolf über die Chancen und Risiken von KI - und wie es gelingt, Beschäftigte zu schützen.


Lieber Anton, Ihr habt bei KSB ein MES-System in der Montage und an einigen CNC-Maschinen eingesetzt. Welche Maschinen waren das?

Anton Wolf: Wir sind ein großer Pumpen- und Industrieamaturhersteller und haben bei uns am Standort in Pegnitz an einer Fertigungsinsel angefangen, die MES-Systeme zu installieren. Insgesamt haben wir mit drei CNC-Drehmaschinen gestartet. Unsere Montagelinien wurden etwa ein halbes Jahr später mit aufgenommen.

Was sollte das MES-System konkret leisten?

In erster Linie sollten Fehler und Verschwendung aufgedeckt werden. Wir wollten eine höhere Maschinenauslastung erreichen. Maschinen-Stillstände sollten also, wo immer möglich, minimiert werden. Wenn Maschinen durchlaufen, wenn sie nicht stillstehen, dann steigert das die Produktivität – und zugleich können wir dann die Liefertreue erhöhen.

Wie habt Ihr Euch als Betriebsrat bei der Einführung der MES-Systeme eingebracht?

Wir haben uns von Anfang an eingebracht. Wir waren schon vor der Auswahl des Anbieters im Lenkungskreis beteiligt, haben das Projekt mit vorangetrieben. Dabei haben wir von Anfang an auf Chancen und Risiken hingewiesen, die mit der Einführung eines MES-Systems bestehen. Vor allem war uns wichtig, dass der Datenschutz vollumfänglich gewährleistet bleibt. Die Kolleginnen und Kollegen sollten geschützt sein, geschützt bleiben.

Habt Ihr die betroffenen Kolleginnen und Kollegen in dem Einführungsprozess beteiligt?

Ja, das haben wir. Wir haben vorab gemeinsam mit der Geschäftsleitung auf der Betriebsversammlung über die Einführung von MES informiert. Und ebenso vor der Einführung des Systems sind wir direkt am Arbeitsplatz mit betroffenen Kollegeninnen und Kollegen ins Gespräch gekommen. Wir haben offen über ihre Bedenken gesprochen und wir konnten, nach und nach, auch Ängste vor einer digitalen Überwachung nehmen.

Welche direkten Auswirkungen gab es für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen? 

Zunächst einmal: Die betroffenen Beschäftigten wurden im Vorfeld in Schulungen auf das Arbeiten mit MES-Systemen vorbereitet. Sie wurden umfassend qualifiziert. Wir als Betriebsräte waren auch immer mit dabei. Nach der Installation der Systeme bekamen die Beschäftigten Schulungen direkt an ihren Arbeitsplätzen, direkt am System. Das war auch nötig, denn die Tätigkeiten haben sich mit MES schon verändert. Die Kolleginnen und Kollegen müssen nun die unterschiedlichen Maschinenstillstände mit entsprechenden Buttons direkt in den MES-Systemen dokumentieren. Das war anfangs ungewohnt für die Beschäftigten, ein Zusatzaufwand. Die Produktivität sank dadurch erstmal.

Was habt Ihr bei der Einführung des MES-Systems in Eurer Betriebsvereinbarung geregelt?

Wir haben zunächst eine Pilotvereinbarung verhandelt, um zu sehen, wie alle Beteiligte mit der Situation umgehen. Wir wollten auch sehen, ob der Arbeitgeber sich an die Regeln hält. Wichtig war uns, dass umfassender Datenschutz gewährleistet wird - dass das das Arbeiten am MES-System also anonym geschehen kann. Die Firma wollte MES unbedingt einführen. Deshalb haben sie sich auf unsere Regeln eingelassen.

Wie habt Ihr dafür gesorgt, dass eine Verhaltens- und Leistungskontrolle ausgeschlossen bleibt?

Das MES-System wird nicht personenbezogen betrieben: Kein Beschäftigter, der an diesem System arbeitet, kann identifiziert werden, keine ausgeführten Tätigkeiten können einem bestimmten Kollegen, einer bestimmten Kollegin zugeordnet werden. Das stellen wir sicher, weil es keine individuelle Anmeldung am System gibt. Stattdessen nehmen sich die Mitarbeiter bei Arbeitsbeginn einen x-beliebigen Chip, mit dem sie sich anmelden. Sie starten das System also anonym. Natürlich können dann alle Eingaben, alle Schritte des Systems dokumentiert und ausgewertet werden. Es darf aber lediglich der Arbeitsplatz insgesamt, nicht allerdings der einzelne Mitarbeiter ausgewertet werden. Verhaltens-und Leistungskontrolle haben wir in unserer Betriebsvereinbarung ausdrücklich verboten. Wir haben dazu auch ein „Berechtigungskonzept“ ausgearbeitet, in dem festgeschrieben ist, dass prinzipiell nur der zuständige Meister und der Projektleiter auf die entsprechenden Daten Zugriff hat. Bei Zuwiderhandlung sieht die Betriebsvereinbarung arbeitsrechtliche Konsequenzen vor.

Gibt es Weiteres, das jetzt geregelt werden muss?

Ja, eine ganze Menge. MES ist ja nur eines von vielen neuen, digitalen Systemen, die bei uns derzeit eingeführt werden. Es ist ein nie endender Prozess. Wir haben jetzt eine Gesamtbetriebsvereinbarung abgeschlossen, die regelt, dass bei Einführung eines neuen Systems vom jeweiligen Projektleiter zuerst eine Checkliste ausgefüllt werden muss, in der Chancen und Risiken beleuchtet werden und beschrieben ist, wie sich die Arbeit der betroffenen Beschäftigten verändert. Erst nach Prüfung gibt es unsere Zustimmung oder Ablehnung.

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