Digitalisierung
Warum das Metaverse von Betriebsräten gestaltet werden muss

Das Wort klingt nach Science-Fiction. Die Auswirkungen auf die Arbeitswelt aber sind real: Das „Metaverse“ ist neuer Arbeitsort und neues Arbeitsmittel. Im Interview sprechen Detlef Gerst und Vanessa Barth über Chancen und Risiken - und warum das Metaverse kein mitbestimmungsfreier Raum sein darf.

27. April 202327. 4. 2023


Lieber Detlef, überall wird jetzt vom „Metaverse“ gesprochen. Was versteht man darunter – und inwiefern bezeichnet dieses etwas Neues, noch nicht Dagewesenes?

Detlef Gerst: Für den Begriff gibt es keine einheitliche Definition. Einige stellen sich den einen, alles umspannenden virtuellen Raum vor, in den Menschen mit Datenbrillen eintauchen. Diese Vorstellung gehört zur Welt des Marketings. Mit der Realität hat das nichts zu tun. Es gibt aber eine Vielfalt an virtuellen Räumen, in denen sich Menschen unter Nutzung unterschiedlichster Technik treffen. Eintauchen in ein virtuelles Meeting oder Training zählen bereits dazu, aber auch der virtuelle Rundgang am PC durch eine Ausbildungswerkstatt. Einige, aber längst nicht alle dieser Anwendungen sind neu. Neu ist, dass diese Beispiele heute ausnahmslos mit dem Modewort Metaverse bezeichnet werden.

 

Haben die Anwendungen, die unter dem Begriff Metaverse subsumiert werden, bereits heute spürbare Auswirkungen auf die Arbeitswelt?

Ja, Arbeit in virtuellen Räumen verändert bereits heute die Arbeitswelt. Sie erlaubt, ortsunabhängig zu tagen oder zusammenzuarbeiten. Durch eine 3 D- Visualisierung und durch virtuelle Arbeitsumgebungen entsteht der Eindruck großer Realitätsnähe. Auf dieser Grundlage wird selbst die unmittelbare Anschauung von Produkten oder Produktionsstätten möglich, die es real noch gar nicht gibt. Je leistungsfähiger die Technik wird und umso stärker sie sich verbreitet, desto mehr werden sich Arbeitsprozesse und damit auch Kompetenzen verändern. Für eine Gewerkschaft ist es auf jeden Fall notwendig, die Entwicklungen im Blick zu behalten.

 

Wie und für welche Tätigkeiten wird das Metaverse gegenwärtig von Unternehmen eingesetzt?

In erster Linie für Meetings, Tagungen, Firmenevents, aber auch Schulungen. Im Avatar Krankenhaus der Universitätsklinik Essen können Ärzte virtuell Operationen vorbesprechen oder medizinisch-technische Auszubildende für die richtige Lagerung von Patienten in Computertomographen geschult werden. Bei der Firma Hilti können an der Ausbildung Interessierte, einen virtuellen Rundgang durch die Ausbildungswerkstätten unternehmen. Ein weiteres Beispiel sind Entwicklungstätigkeiten, die in virtuellen Laboren stattfinden. Die BMW Gruppe und NVIDIA entwickeln einen virtuellen Raum für die Fabrikplanung. Damit lässt sich erheblich die Planungsgeschwindigkeit und -qualität erhöhen.

 

Liebe Vanessa, welche Chancen, aber auch welche Probleme eröffnen sich mit dem Ausbreiten des Metaverses?

Vanessa Barth: Inspirierende und „realitätsnahe“ virtuelle Arbeitsorte erlauben eine neue Qualität der virtuellen Zusammenarbeit, sie erweitern die räumliche und zeitliche Flexibilität für Beschäftigte. Menschen mit Behinderungen zum Beispiel können im Metaverse einige Barrieren der physischen Welt überwinden. Andererseits birgt das Metaverse neue Risiken beim Datenschutz und auch beim Gesundheitsschutz. VR-Brillen erheben große Mengen an neuen Daten, sie messen etwa die Augenbewegungen, den Zustand der Pupille und viele weitere Parameter. Zugleich lösen sie bei viele Menschen Übelkeit und Schwindel aus. Davon sind Studien zufolge Frauen öfter betroffen als Männer.

 

Warum ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass das Metaverse kein mitbestimmungsfreier Raum wird?

Vanessa: Das Metaverse ist ein neuer Arbeitsort und ein neues Arbeitsmittel. Es ist zum Beispiel wichtig, dass dies nicht dazu führt, dass Beschäftigte davon ausgeschlossen werden. Es sollte aber auch niemand gezwungen werden, im Metaverse zu arbeiten, solange so vieles noch unerforscht ist, etwa die Auswirkungen auf die Gesundheit.

 

Was kann der Betriebsrat bereits heute tun?

Vanessa: In den Betrieben, in denen es bereits entsprechende Anwendungen gibt, sollten Betriebsräte unbedingt Kontakt mit den Beschäftigten aufnehmen, die es betrifft, und sich nach ihren Erfahrungen und Anforderungen erkundigen und einen Austausch organisieren. Es kann auch nicht schaden, selbst mal eine VR-Brille aufzusetzen und erste Schritte im Metaverse zu machen. Das ist eine sehr beeindruckende Erfahrung und sensibilisiert für die Herausforderungen und die neuen Möglichkeiten. Als Arbeitsort sollte das Metaverse natürlich grundsätzlich durch Betriebsräte und Gewerkschaften gestaltet werden.

 

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