AGB-Kontrolle
Unwirksamkeit einer Ausschlussfrist

Eine Ausschlussfrist, die Ansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung und unerlaubter Handlung nicht ausdrücklich ausnimmt, verstößt gegen Paragraf 202 Bürgerliches Gesetzbuch und ist daher unwirksam.

23. Januar 202323. 1. 2023


Nach Paragraf 202 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Dies gilt auch für die Anwendung von Ausschlussfristen. Lautet eine – wie es häufig vorkommt – Ausschlussfrist, dass bei Nichtgeltendmachung innerhalb einer bestimmten Frist alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschlossen sind, so ist diese Ausschlussfrist vollständig unwirksam. Ein ersatzloser Wegfall der Ausschlussklausel findet nur dann nicht statt, wenn der Arbeitgeber unmissverständlich und gesetzeskonform in der Formulierung der Ausschlussklausel zum Ausdruck gebracht hat, dass Ansprüche aus einer vorsätzlichen Handlung davon nicht erfasst werden.

Fehlt es im Arbeitsvertrag an dieser Einschränkung, ist die Klausel insgesamt unwirksam. Ihre Wirksamkeit entfällt nicht nur für die Geltendmachung von Ansprüchen im Zusammenhang mit vorsätzlichem Handeln, sondern für alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat so in einem Streitfall entschieden, dem ein Arbeitsvertrag aus dem Jahre 2011 zugrunde lag. Ob bei erheblich weiter zurückliegenden alten Arbeitsverträgen dasselbe gilt oder dem Arbeitgeber zur Rettung der Ausschlussfrist ein Vertrauensschutz aufgrund früherer Rechtsprechung zu gewähren ist, lies das BAG noch offen.

Hier geht es zum Volltext der BAG-Entscheidung vom 5. Juli 2022 – 9 AZR 341/21.


Ausschlussfrist bei Urlaubsabgeltung

In einer weiteren Entscheidung hat das BAG zum Eingreifen von arbeitsvertraglich geregelten Ausschlussfristen noch eine Reihe weiterer interessanter Feststellungen getroffen:

  • Hat ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegenüber Ansprüche vorbehaltlos streitlos gestellt oder anerkannt bzw. deren Erfüllung zugesagt, so verzichtet er damit auf die Einhaltung der Ausschlussfrist. Er bringt damit auf den konkreten Einzelfall bezogen zum Ausdruck, dass der Arbeitnehmer die betreffende Forderung nicht mehr innerhalb der an sich auf sie anwendbaren Ausschlussfrist geltend zu machen braucht. Dabei muss der Arbeitgeber allerdings unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er auf die Einhaltung der Ausschlussfrist – bezogen auf diesen konkreten Fall – keinen Wert legt und sich auf einen Verfall aufgrund der Ausschlussfristenregelung nicht berufen werde. Weist der Arbeitgeber etwa Ansprüche gegenüber einem Arbeitnehmer in einer Entgeltabrechnung oder auf einem Arbeitszeitkonto aus, kann hierin ein tatsächliches Anerkenntnis liegen.
  • Urlaubsabgeltungsabgeltungsansprüche unterliegen, da sie reine Geldansprüche sind, grundsätzlich auch den vertraglich geregelten Ausschlussfristen.
  • Nach Paragraf 309 Nummer 7a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus einer fahrlässigen Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag unwirksam. Wird diese Fallkonstellation nicht von der Anwendbarkeit einer Ausschlussklausel ausgenommen, so soll dies nach Auffassung des BAG aber nicht zur Gesamtunwirksamkeit der Ausschlussfristenregelung führen. Dies wird begründet mit den Besonderheiten der gesetzlichen Einstandspflicht der Berufsgenossenschaften.
  • Ausschlussklauseln erfassen in wirksamer Weise auch Ansprüche, die wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer geltend gemacht werden. Begründet wird dies damit, dass der Gesetzgeber im Paragraf 309 Nummer 7a BGB sich dafür entschieden hat, nur den Verfall von Ansprüchen wegen Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit zu untersagen.
  • Eine in Arbeitsverträgen enthaltene Ausschlussfristenklausel, welche die von Paragraf 77 Absatz 4 Satz 4 Betriebsverfassungsgesetz und Paragraf 4 Absatz 4 Satz 3 Tarifvertragsgesetz geschützten Ansprüche (also solche aus Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen) umfasst und deshalb zu weit gehen, ist nicht wegen dieses Verstoßes und sich daraus ergebender unzureichender Transparenz unwirksam.
  • Eine Ausschlussklausel ist auch nicht deswegen intransparent, wenn sie Urlaubsansprüche im bestehendem Arbeitsverhältnis nicht ausdrücklich ausnimmt.

Hier geht es zum Volltext der BAG-Entscheidung vom 24. Mai 2022 – 9 AZR 461/21.

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