Wie sich Belegschaften ihren Tarifvertrag erstreiten
Wir sind es wert – Tarifvertrag jetzt

Es geht um höhere Einkommen, um Sicherheit, um Gerechtigkeit: Haben Belegschaften den Wert von Tarifverträgen erkannt, sind sie nicht mehr aufzuhalten und fangen an, für sie zu kämpfen. Wir zeigen drei Beispiele, wie sich Beschäftigte beharrlich für einen Tarifvertrag einsetzen.

28. April 201628. 4. 2016


Voestalpine Stamptec in Dettingen: „Bunten Mix beenden“

Sicherheit, es ist vor allem Sicherheit, die die Beschäftigten bei voestalpine Stamptec in Dettingen wollen. Sicherheit und Perspektiven für die Zukunft, das gibt Ihnen ein Tarifvertrag. Sicherheit, dass sie eine Lohnerhöhung auch zukünftig bekommen. Sicherheit, sich entwickeln zu können. Sicherheit, gerecht bezahlt zu werden. Sicherheit, am Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu bleiben. Betriebsratsvorsitzender Romeo Doster und sein Stellvertreter, Frank Petermann, sind zuversichtlich, dass sie diese Sicherheit bald erreichen und bekommen. „Etwa 80 Prozent haben wir schon verhandelt“, sagt Doster, „wir sind kurz davor, einen Tarifvertrag abzuschließen.“

Damit will der Betriebsrat den bunten Mix beenden, der noch bei der Bezahlung herrscht. Er herrscht vor allem, da das Unternehmen aus einen ehemaligen Familienbetrieb stammt. Doster und Petermann wollen auch aus einem anderen Grund an den Flächentarifvertrag herankommen. „Unser Standort ist durch die Übernahme der voestalpine in den letzten fünf Jahren positiv stark gewachsen“, sagt Doster, „von 370 auf 630 Beschäftigte. Wenn wir gute Facharbeiter haben wollen, müssen wir ihnen das bieten, was sie anderswo auf dem Arbeitsmarkt bekommen, zum Beispiel Tariflohn.“ Der Betriebsrat ist realistisch, er weiß, dass das nicht von heute auf morgen realisierbar ist. Als Autozulieferer steht sein Arbeitgeber unter starkem Kosten- und Wettbewerbsdruck. „Deshalb werden wir uns dem Flächentarifvertrag schrittweise annähern.“ Nur auf eins wollen und werden die Beschäftigten nicht mehr verzichten: auf die zukünftige Sicherheit, die ihnen der Tarifvertrag gibt.



Denios in Bad Oeynhausen: „Wir wollen das ganze Paket“

Bei vielen Kollegen kann sich Andreas Köhler schon heute ausrechnen, dass sie im Alter arm leben werden. „Wir hinken mit unseren Einkommen so sehr hinter dem Flächentarifvertrag her, wenn ich das auf die Rente hochrechne, weiß ich, dass da vielen zu wenig bleibt“, sagt der ehemalige Betriebsratsvorsitzende und jetzige Schwerbehindertenvertreter von Denios in Bad Oeynhausen. Seit 30 Jahren gibt es die Firma und nun wollen die Beschäftigte etwas, was es noch nie gab: einen Tarifvertrag.

Zwar bekommen die Beschäftigten auch jetzt schon einiges aus dem Tarifvertrag. „Aber wir wollen nicht mehr davon abhängig sein, ob es der Arbeitgeber uns gewährt“, sagt Köhler. Im Moment könne sich keiner darauf verlassen, ob das Urlaubsgeld kommt oder der Arbeitgeber eine Tariferhöhung weitergibt. Und: Im Tarifvertrag steckt noch mehr. Anspruch auf Altersteilzeit, Kündigungsschutz ab 55 und die Übernahme nach der Ausbildung. „Wir wollen das ganze Paket“, sagt Köhler. Und dafür streikten die Beschäftigten inzwischen auch.



Menk in Bad Marienberg: „Nicht mehr 20 Prozent unter den Tariflöhnen liegen“

Einfach mal sagen können: „Halt, Stopp, das haben wir so nicht vereinbart.“ Das wünscht sich Normen Schmelszus. Der Schweißer arbeitet bei Menk in Bad Marienberg. Sein Betrieb hat keinen Tarifvertrag und deshalb arbeitet Schmelszus 42 Stunden pro Woche. Das ist viel, aber andere arbeiten noch länger. Der Druck sei einfach hoch. Mit einem Tarifvertrag, hofft Schmelszus, gibt es klare Regeln und weniger Druck.

Diesem Ziel sieht sich Betriebsratsvorsitzender Jörg Hübner im Moment sehr nahe. „Im Großen und Ganzen ist der Tarifvertrag ausgehandelt“, sagt Hübner. Seit einem Jahr liegen die Forderungen des Betriebsrats auf dem Tisch der Geschäftsleitung.

Der Bevollmächtigte der IG Metall-Geschäftsstelle und die Bezirksleitung haben den Tarifvertrag zur Verhandlung eingereicht. Die Beschäftigten wollen weg von den überlangen Arbeitszeiten, wollen nicht um jede Lohnerhöhung betteln, weg von einem Akkordsystem, das nicht transparent ist und mit dessen Hilfe den Kolleginnen und Kollegen willkürlich Lohn gekürzt wird, nicht mehr 20 Prozent unter den Tariflöhnen liegen. „Sie wollen sich einfach auf ihre Arbeit konzentrieren und nicht ständig Angst haben, dass ihnen das Urlaubs- oder Weihnachtsgeld gestrichen oder schon wieder drei Wochen durchgearbeitet wird“, sagt Hübner.

Besser mit Tarif
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