Altersvorsorge: Angstkampagne statt Fakten?
So tricksen die Arbeitgeber bei der Rente

Die Arbeitgeber inszenieren sich gerne als Rächer der jungen Generation – indem sie vor angeblich unbezahlbaren Rentenbeiträgen warnen. Was die Wirtschaftslobby verschweigt: Private Vorsorge kommt die Jungen viel teurer, bei deutlich weniger Sicherheit.


Es gibt zwei Arten, die Unwahrheit zu sagen. Möglichkeit eins ist die plumpe Lüge. Also zu sagen: Der Himmel ist grau, obwohl er offensichtlich blau ist. Möglichkeit zwei ist etwas eleganter: Man lässt wichtige Informationen einfach weg, obwohl diese für ein realistisches Bild unerlässlich wären.

Diese Strategie wenden die Arbeitgeber derzeit beim Thema Rente an. In einer groß angelegten Kampagne präsentieren sie sich als Retter der jungen Generation. Von Plakaten blicken traurige Menschen, denen die Rentenbeiträge offenbar jede Lebenslust genommen haben.

Die erwünschten Zahlen liefert das arbeitgebernahe Forschungsinstitut IW. Demnach kommen auf die Beitragszahler angeblich horrende Kosten zu, wenn die Leistung der Rentenversicherung stabilisiert oder gar angehoben wird. Doch wer so argumentiert, lässt vieles unter den Tisch fallen.


Gesetzliche Rente: Leistung fürs Geld

Wichtigster Punkt: Rentenbeiträge sind kein verlorenes Geld. Ihnen steht eine Leistung gegenüber – eine spätere Rente. Nach aktueller Gesetzeslage wird die Leistung der Rentenversicherung dagegen deutlich sinken, trotz steigender Beiträge.

Jüngste Prognosen der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) zeigen: Das Rentenniveau könnte 2030 bei nur noch 44,2 Prozent liegen. Für einen Durchschnittverdiener würde das bedeuten: 95 Euro weniger Rente im Monat (in heutigen Werten).

Die wachsende Rentenlücke sollen die Versicherten mit Privatvorsorge stopfen. Schon heute sind dafür – je nach Berechnung – sechs bis neun Prozent des Einkommens notwendig. Dieses Geld fließt an die Finanzmärkte, mit allen Unwägbarkeiten. Ein Teil des Geldes kommt dort nicht einmal an: Es geht für die oft überzogenen Kosten der Vorsorgeprodukte drauf, kommt also allein den Versicherungskonzernen zugute.

Die gesetzliche Rentenversicherung hat dagegen unschlagbar niedrige Kosten. Und sie bietet eine sichere Gegenleistung.

 

Im Video – Was bei der Rente schief läuft:

 

 

Verrechnet

Um die Widersprüche zu verdeutlichen, muss man sich nur eine der Beispielrechnungen aus der Arbeitgeber-Kampagne vornehmen. Für einen Single ohne Kinder mit Durchschnittsverdienst wird dort kalkuliert: Was muss die Person zusätzlich zahlen, um ihre Rente auf dem heutigen Niveau zu halten?

Ergebnis: Im Jahr 2025 werden rund 11,50 Euro pro Monat fällig, im Jahr 2030 sind es 23 Euro. Dem gegenüber steht aber eine fast 100 Euro höhere Rente pro Monat.

Eine schwächelnde gesetzliche Rente mit Privatvorsorge aufzubessern, käme den Single deutlich teurer: Sechs Prozent seines Durchschnitteinkommens entsprechen 187 Euro im Monat. Und die werden nicht erst 2025 oder 2030 fällig, sondern schon ab heute.


Verengter Blick

Neben der lückenhaften Berechnung gibt es ein weiteres Manko. Die Sichtweise der Arbeitgeber konzentriert sich ausschließlich auf niedrige Beitragssätze. Die IG Metall hingegen nimmt auch die Leistungen der Rentenversicherung in den Blick und schlägt bei der Finanzierung einen umfassenden Perspektivwechsel vor.

Schritt eins: Der Umbau der Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung, in die alle Beschäftigten einzahlen – auch Anwälte, Beamte oder Parlamentarier. Dadurch käme zusätzliches Geld in die Rentenkasse.

Schritt zwei: Eine Demografie-Reserve. Schon jetzt sollte die Rentenversicherung einen Puffer aufbauen, für die Zeit in der die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Derzeit darf die Rentenversicherung das nur sehr begrenzt.

Schritt drei: Für Leistungen wie die Mütterrente wurden keine Beiträge gezahlt. Sie sollten deshalb vollständig aus Steuermitteln finanziert werden.

Erst wenn all diese Maßnahmen umgesetzt sind, müsste man sich mit der Höhe der Beitragssätze befassen.


Halbe-halbe: Von den Arbeitgebern nicht erwünscht

Selektive Berechnungen, verengte Blickwinkel: Bei genauer Betrachtung der Arbeitgeber-Kampagne drängt sich der Eindruck auf: Es geht eigentlich gar nicht um die jungen Beitragszahler. Die Arbeitgeber wollen sich wohl eher davor drücken, einen gerechten Beitrag für die Alterssicherung zu leisten. Schließlich müssen sie die Hälfte der gesetzlichen Rentenbeiträge zahlen. Wälzt man einen Teil der Alterssicherung auf die Privatvorsorge ab, zahlen dafür allein die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Eine solidarische Rentenpolitik sieht anders aus.

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