Angleichung Ost an West
35-Stunden-Woche im Osten: jetzt auch bei MTU Ludwigsfelde

35 Jahre nach der Einheit wird der Osten immer noch benachteiligt. In der ostdeutschen Metallindustrie galten bisher 38 statt der 35 Stunden im Westen. Doch die Angleichung Ost schreitet voran: In immer mehr Betrieben setzt die IG Metall die 35-Stunden-Woche durch. Jetzt auch bei MTU Ludwigsfelde.

26. Juni 202326. 6. 2023 |
Aktualisiert am 2. Juli 20252. 7. 2025


Die Angleichung der Arbeitszeiten zwischen Ost und West schreitet in der Metall- und Elektroindustrie voran. Zum 1. Juli senkt MTU in Ludwigsfelde die wöchentliche Arbeitszeit von 38 auf 35 Stunden. Damit arbeiten die mehr als 1.000 Beschäftigten in Brandenburg so lange wie die Kolleginnen und Kollegen im Westen – 35 Jahre nach der deutschen Einheit ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Gerechtigkeit zwischen Ost und West.

„35 Jahre hat es nach der Deutschen Einheit gedauert, dass auch in Betrieben in Brandenburg die 35-Stundenwoche kommt“, meint Tobias Kunzmann, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ludwigsfelde. „Ab 1. Juli wird die Angleichung bei MTU in Ludwigsfelde wirklich gelebt. Das Besondere bei MTU ist die Einführung in einem Schritt. Vielen hat es fast zu lange gedauert, aber MTU ist ein gutes Beispiel für die Luftfahrtindustrie in Brandenburg. Faire Arbeitszeiten und gute Bezahlung gibt es eben nur mit Tarifvertrag. Die IG Metall hat mit den Beschäftigten im Osten inzwischen in zahlreichen Betrieben Regelungen zur 35-Stundenwoche erkämpft.“


35 Stunden für 85 Prozent der IG Metall-Mitglieder durchgesetzt

Seit 2021 hat die IG Metall in Berlin, Brandenburg und Sachsen gemeinsam mit den Betriebsräten und den Beschäftigten für rund 85 Prozent der betroffenen Mitglieder in der Metall- und Elektroindustrie die 35 Stunden-Woche durchgesetzt. Grundlage ist der Tarifvertrag vom 25. Juni 2021. Darin hat die IG Metall nach einem langen und harten Arbeitskampf mit den Arbeitgeberverbänden in Berlin, Brandenburg und Sachsen einen Rahmen für den Weg zur 35 Stunden-Woche vereinbart. Damit ist es möglich, in einzelnen Betrieben mit Betriebsvereinbarungen die Reduzierung der Arbeitszeit bis auf das Westniveau auszuhandeln.

„Die 35 Stunden-Woche in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie ist nicht mehr aufzuhalten. Der Rahmentarifvertrag der IG Metall aus dem Jahr 2021 für die Einführung der 35-Stunden-Woche funktioniert“, erklärt Sophie Jänicke, Leiterin des Tarifteams der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen. „Wir haben jetzt entsprechende Betriebsvereinbarungen für rund 85 Prozent unserer Mitglieder in den Unternehmen mit Flächentarifvertrag. Damit haben wir die 35 Stunden-Woche weitgehend durchgesetzt. Klar ist auch: Wir wollen die 100 Prozent. Wir werden weiter Druck machen, bis die Angleichung der Arbeitszeiten zwischen Ost und West vollständig geschafft ist.“


35-Stunden-Woche macht Betriebe attraktiver für Fachkräfte

Die 35-Stunden-Woche auch in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie ist eine Frage der Gerechtigkeit für die Beschäftigten. Für Betriebe wird sie nun auch zunehmend wichtig, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten.

„Die Luftfahrtindustrie ist eine Zukunftsbranche, die sich trotz des wirtschaftlich schwierigen Umfelds positiv entwickelt. Das gilt insbesondere auch für MTU. Die Zeichen stehen auf Wachstum, allerdings droht der Fachkräftemangel diese Entwicklung auszubremsen“, warnt Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall. „Mit unserer Tarifpolitik sorgen wir dafür, dass die Arbeitsplätze attraktiv bleiben – gerade auch im Osten. Die Einführung der 35 Stunden-Woche bei MTU in Ludwigsfelde wird helfen, dort Fachkräfte zu halten und zu finden. In erster Linie und vor allem aber ist dieser Schritt eine Frage der Fairness gegenüber der MTU-Belegschaft, die jetzt endlich mit ihren Kolleginnen und Kollegen im Westen gleichgestellt wird.“

Zur teilweisen Kompensation der Verkürzung der Arbeitszeit brachten die Beschäftigten bei MTU drei Jahre lang vorübergehend das tarifliche Transformationsgeld ein. Damit werden die höheren Kosten von etwa 8,5 Prozent für die Arbeitszeitreduzierung abgefedert. Mit der Umsetzung gilt im DAX-Konzern MTU jetzt an allen drei Konzernstandorten (München, Hannover, Ludwigsfelde) in der Republik die 35-Stundenwoche.

„Wir sind zwar spät gestartet, aber dafür landen wir früher“, sagt Randolph Landrock, Betriebsratsvorsitzender MTU Ludwigsfelde. „Unsere Kolleginnen und Kollegen haben lange genug darauf gewartet, im Konzern endlich gleichbehandelt zu werden. Durch die gute Beteiligung der Belegschaft und die IG Metall an der Seite haben wir nach intensiven Verhandlungen mit einem gesprächsbereiten Arbeitgeber ein Ergebnis erzielt, das die lang ersehnte Gerechtigkeit für uns alle schafft.“
 

Beschäftigte von MTU-Ludwigsfelde feiern ihre 35-Stunden-Woche.

Die Beschäftigten von MTU-Ludwigsfelde feiern ihre 35-Stunden-Woche.


Hier ist die 35 schon geregelt 

In immer mehr Ost-Metallbetrieben setzt die IG Metall die 35-Stunden-Woche durch. Bei BMW und Porsche in Leipzig, Mercedes in Ludwigsfelde, Volkswagen in Zwickau, Carl Zeiss Jena, Rolls Royce in Magdeburg, Thyssenkrupp Presta Schönebeck, Siemens Energy und Siemens Healthineers, bei Mahle, Airbus Defence und Dutzenden weiteren Betrieben geht es runter auf 35 Stunden: STILL in Leipzig, Carl ZEISS Jena, die Elbe Flugzeugwerke in Dresden, Kaeser Kompressoren in Gera und der Messsystemhersteller Numerik in Jena.

Es war ein langer Kampf: Anders als in der ostdeutschen Stahlindustrie, wo bereits seit 2009 die 35-Stunden-Woche gilt, haben die Arbeitgeber der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie jahrelang gemauert. 2018 gelang der IG Metall beim Verbindungstechnikhersteller EJOT in Tambach-Dietharz/Thüringen der erste Haustarifvertrag zur Einführung der 35. Nach wochenlangen Warnstreiks setzte die IG Metall im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen 2021 Rahmentarifverträge zur Einführung der 35-Stunden-Woche in den Betrieben durch, was ihr einige Monate später auch in den Tarifgebieten Thüringen und bald darauf auch in Sachsen-Anhalt gelang.

Die Angleichung Ost an West geht weiter: In zahlreichen weiteren Betrieben verhandelt die IG Metall gerade über die Verkürzung der Arbeitszeit und die Einführung der 35-Stunden-Woche.

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