Umfrage Windindustrie
Gegenwind

Die Betriebsrätinnen und Betriebsräte der Windindustrie wurden gefragt, wie sie die Zukunft ihrer Branche sehen. Das Ergebnis ist ernüchternd. Die IG Metall ruft die Politik zum raschen Handeln auf.

4. September 20194. 9. 2019


Die Energiewende ist im vollen Gange. Die letzten Atommeiler gehen vom Netz, die Kohle folgt. In die Bresche springen sollen die erneuerbaren Energien. Bis 2050 will die Bundesregierung die Treibhausgasemissionen um mindestens 90 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 reduzieren. Die Auftragsbücher der Generatoren-, Turm- und Rotorproduzenten sowie Zulieferer sollten also voll sein. Doch die Realität sieht anders aus. Senvion ist in die Insolvenz gerutscht und wird gerade aufgespalten. Bei Nordex, Enercon sowie Siemens Gamesa schwinden die Umsatze in Deutschland.

Mit tiefen Sorgenfalten blickt die deutliche Mehrheit der Betriebsräte und Betriebsrätinnen auf die kommenden Monate und Jahre. Über 74 Prozent der Befragten gehen von einer sich weiter verschlechternden Marktentwicklung der Windkraft in Deutschland aus. Das ist ein neuer Negativrekord. Zum Vergleich: Vergangenes Jahr waren es 64,5 Prozent. 2015 sogar nur 17,1 Prozent.

In Deutschland ist der Ausbau der Windkraftanlagen deutlich ins Stocken geraten. Wurden 2017 noch 1800 neue Windräder im Bundesgebiet installiert, waren es von Januar bis Ende Juni diesen Jahres nur 86, wie die Daten des Bundesverbandes der Windenergie zeigen. Das ist die niedrigste Neubaurate seit fast 20 Jahren. „Wenn das so weitergeht, sind wir vor dem Kohleausstieg schon viel früher aus der Windkraft ausgestiegen – und zwar aus den gleichen Gründen wie bei den Kolleginnen und Kollegen aus der Solarindustrie“, warnt einer der befragten Betriebsräte.


Stellenabbau

Natürlich wirkt sich der schwache Ausbau im Bundesgebiet auch auf die Beschäftigtenzahlen aus. Seit Jahren wird in der Branche Personal abgebaut. Allein 2017, dem letzten bislang statistisch erfassten Jahr, sind knapp 26.000 Arbeitsplätze in der Windenergiebranche verschwunden.

Und der negative Trend geht weiter. Auch für die kommenden Monate geht jeder vierte Betriebsrat beziehungsweise Betriebsrätin davon aus, dass in seinem Betrieb weiter Personal abgebaut wird. Zusätzlich gibt es in fast jeden zweiten Unternehmen Bestrebungen, Firmenteile ins Ausland zu verlagern, wie die Befragten angaben. Personal aufgebaut, wird meist nur noch im Servicebereich.


Bundesregierung in der Kritik

Die schlechte Situation geht auf die Kappe der Politik. Besonders mit der Deckelung des Ausbaus sowie Einführung eines radikalen Preismodells im Jahre 2017 habe sie der Branche immens geschadet, erklärt Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste. Aber auch die wechselnden Rahmenbedingungen, die Defizite bei der Landesplanung und den Genehmigungsverfahren seien Gründe für die aktuell schwache Zubaurate. So ist es kein Wunder, dass 96,4 Prozent der Betriebsräte bemängelten, dass von der Politik keine oder nur geringe Unterstützung für die Branche käme. Ein Umfrageteilnehmer mahnt: „Mit der aktuellen Politik befinden wir uns auf dem besten Wege zurück in die Steinzeit. Wer Umweltschutz ruft, muss auch entsprechend handeln.“


Das fordern wir

Auch Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, nimmt die Bundesregierung in die Verantwortung: „Unsere Windindustrie ist Garant für das Gelingen der Energiewende. Es kann nicht nur darum gehen, ein Ausstiegsdatum für die Kohleverstromung festzulegen und den Rest der unsichtbaren Hand des Marktes zu überlassen“, sagte Lemb Ende August auf der Betriebsrätetagung der Windindustrie, auf der Lösungsmöglichkeiten diskutiert wurden. Lemb betonte dort: Es gelte nach wie vor, den Ausbau der erneuerbaren Energien wieder stärker in den Fokus zu nehmen. Konkret fordern wir von der Politik:

  • Transparente und verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen.
  • Die Ausbauziele für Windenergie anzuheben und einen verlässlichen Ausbaupfad festzulegen.
  • Innovationen zu fördern, Markteinführung zu unterstützt und zu beschleunigen.
  • Technologien für die Sektorenkopplung inklusive Speicher und Netze zu fördern.
  • Alle arbeitsmarkt- und tarifpolitischen Maßnahmen (Arbeitszeitregelungen, Kurzarbeit und Qualifizierung) zu nutzen, um kurzfristige Auftragsrückgänge auszugleichen.
  • Die Einführung eines Transformationskurzarbeitergelds für 24 Monate.


Die Umfrage

Befragt wurden Betriebsräte von insgesamt 31 Firmen, die zusammen über 22.600 Beschäftigte repräsentieren. Vertreten waren Produzenten und Zulieferer aus dem Offshore wie aus dem Onshore Bereich.

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