Autozuliefererkonferenz: Faire Partnerschaft ist gefragt
Fair wird Wettbewerb nur mit Tarifverträgen

In der Automobilbranche leiden die Zulieferer unter dem Preisdruck der Autohersteller und geben ihn eins zu eins an ihre Beschäftigten weiter. Das war eines der vielen Themen, über die in Leipzig Betriebsräte von Herstellern und Zulieferern diskutierten.

19. Juni 201519. 6. 2015


Das Wort schwang immer wieder mal mit, aber es fiel nur selten. Die Rede ist vom Preisdruck. Preisdruck, der seit Jahren in der Automobilbranche herrscht. Das Verhältnis zwischen Zulieferern und Herstellern ist gespannt. Die Zulieferer fühlen sich von den Herstellern unter Druck gesetzt, ständig die Preise zu senken, und geben den Druck an ihre Belegschaften weiter. Sie fordern Verzicht oder drohen mit Verlagerung ins Ausland. Dennoch drehte sich die Diskussion bei der Autozuliefererkonferenz in Leipzig nicht allein um das Thema Preise. Den Betriebsräten ist klar: Über den Preis können sie den Wettbewerb mit billigeren Standorten nicht gewinnen.


Märkte verschieben sich

Die Kosten sind nur ein Argument für die Hersteller, ins billigere Ausland zu verlagern. Oft können sie nicht anders, als den Märkten zu folgen. Denn diese haben sich in den letzten Jahren verschoben. Im Jahr 2000 wurden in China 600 000 Fahrzeuge produziert. Heute ist China die Nummer Eins mit 20 Millionen produzierten Autos. Westeuropa rechnet in diesem Jahr mit einer Produktion von 12,7 Millionen Fahrzeugen, zwei Millionen weniger als im Jahr 2000. Damit steigt der Druck auch auf die Zulieferer, vor Ort zu produzieren.

Auch technisch rollt einiges auf die Branche zu. Das Auto der Zukunft soll nicht nur die Umwelt schonen, es soll auch selber denken und lenken. Die Hersteller investieren Milliarden in alternative Antriebe wie Hybrid- oder Elektromotor, in Sensoren und Technik, die Daten sammeln und austauschen und das Auto zum Privatchauffeur mit Multimediaanschluss machen. Das alles, ohne genau zu wissen, ob der Käufer am Ende dafür zahlt.

Einen Teil dieses Risikos versuchen die Hersteller auf die Zulieferer abzuwälzen. Dabei nutzen sie Methoden der Preisbildung, die Martin Schwarz-Kocher vom IMU Institut in Stuttgart aus keiner anderen Branche kennt und die aus seiner Sicht ein partnerschaftliches Verhältnis bedrohen. Etwa Eintrittsgelder, um an Ausschreibungen überhaupt teilzunehmen, das sogenannte „pay to Play“. Internetauktionen, bei denen Aufträge allein nach Preis und nicht nach Qualität des Angebots vergeben werden. Der Erste Vorsitzende der IG Metall, Detlef Wetzel, sprach von skandalösen Praktiken, die öffentlich gemacht werden müssen.


Nicht die Luft abschnüren

Angesichts der Umbrüche, vor der die Automobilbranche steht, warnte der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, die Hersteller davor, den Zulieferern mit der Kostenschraube die Luft abzuschnüren. Sie würden unweigerlich an Innovationskraft verlieren. „Verlierer werden am Ende auch die Endhersteller sein, wenn ihnen verlässliche Zulieferer abhandenkommen“, sagte Hofmann. Wie wichtig sie für die Zukunft der Mobilität sind, hatte er anhand einiger Zahlen deutlich gemacht. Zulieferer übernehmen 40 Prozent der Forschung und Entwicklung und 75 Prozent der Wertschöpfung der Branche. Er unterstrich, wie wichtig Partnerschaften zwischen Endherstellern und Zulieferern bei Innovationen sind, um den Schritt in die Zukunft der Mobilität zu schaffen.

Vor allem in der Forschung und Entwicklung sehen viele das Potenzial und die Chance der Zulieferer. Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie, erklärte: „Die Autohersteller sind sich durchaus bewusst, wie sehr sie von der Innovationsstärke der Zulieferer abhängen.“ Zulieferer, die bei Digitalisierung oder Verringerung des CO2-Ausstoßes der Konkurrenz davonlaufen, müssten sich über Preisdruck keine Gedanken machen. „Je einfacher die Produkte sind, desto mehr Flexibilität ist aber gefordert, wenn sie hier bleiben sollen“, sagte Wissmann.


Alle sind wichtig

Auf Verständnis trafen die Beschäftigten der Zulieferer auch bei den Betriebsräten der Autohersteller. Michael Brecht, Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei Daimler, sagte: „Wir sind alle wichtig, egal wo wir arbeiten.“ Angesichts der Herausforderungen, vor denen die Branche steht, hält er es für wichtig, sich mit den Kollegen der Zuliefererbetriebe zu vernetzen. Auf eine Neiddebatte unter Beschäftigten will er sich nicht einlassen. „Kein Kollege bei den Zulieferern hätte mehr, wenn wir keine Boni mehr bekämen.“ Ein Metaller des Autozulieferers Mahle unterstützte ihn und sagte: „Ich kann Dich gut verstehen. Und wenn ich noch bei Daimler wäre, würde ich von Dir als meinem Betriebsrat auch erwarten, dass Du das für mich rausholst.“

Auch Carsten Bätzold, Betriebsratsvorsitzender bei VW in Kassel, unterstrich: „Wenn wir nicht zusammenhalten, sind Beschäftigung und Wirtschaftlichkeit in der ganzen Branche gefährdet.“ Er forderte die Metaller in den Zuliefererbetrieben auf, die Auseinandersetzung zu führen. „Es ist einfacher, dem Chef zu glauben, dass die Hersteller zu wenig zahlen, statt selbst in die Debatte zu gehen.“

Dabei zeigten Brecht und Bätzold, dass die Grenze nicht zwischen Herstellern und Zulieferern verläuft. Bei den Herstellern gibt es ähnliche Debatten zwischen den Standorten, wenn die einen Boni bekommen und die anderen verzichten müssen. Einige sind reine Komponentenwerke, die die Perspektive der Zulieferer durchaus kennen.

Faire Arbeitsbedingungen lassen sich nach Ansicht von Jörg Hofmann daher nur begrenzt über Verträge oder freiwillige Vereinbarungen der Hersteller regeln. Um ihre Interessen durchzusetzen, müssen sich die Betriebsräte der Hersteller und Zulieferer gut vernetzen. Die beste Voraussetzung für fairen Wettbewerb sind Tarifverträge entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

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