Psychische Belastungen am Arbeitsplatz: Burnout
Burnout ist keine Grippe

Ausgebrannt und leer – psychische Belastungen am Arbeitsplatz nehmen zu und die Zahl der Erkrankten steigt stetig an. Wenn die Arbeit über den Kopf wächst, ist das kein Fall für Internet-Selbsttests. Menschen mit Burnout brauchen Hilfe – und zwar schnell.

8. August 20178. 8. 2017


Anfang des Jahres gab Miriam Meckel den Anstoß. Die einst jüngste Professorin Deutschlands und Lebensgefährtin von TV-Moderatorin Anne Will erwischte der Burnout. Kaum hatte sie im Frühjahr ein Buch über ihr Leiden geschrieben, berichteten auch die Zeitungen seitenweise über den Krankmacher Stress.
Damit der Leser gleich feststellen konnte, ob er zu den Berufstätigen am Rande des Nervenzusammenbruchs gehört, lieferten vor allem Online-Ausgaben einen Selbsttest mit und fragten in besorgtem Ton: „Fühlen auch Sie sich ausgebrannt?“


Für jeden etwas

Arbeitsmedizinern wie Detlef Glomm entlocken solche Tests bestenfalls ein Schmunzeln. Zu allgemein, kritisiert der Vizepräsident des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte. „In solchen Tests wird sich jeder wiederfinden.“ Glomm rät davon ab. Danach könnten sich selbst gesunde Menschen ganz krank fühlen.
Auch der Hamburger Facharzt für Psychologie, Hans-Peter Unger, würde solche Testergebnisse nicht überbewerten. Denn selbst harte Fälle rutschen hier schon mal durchs Raster. „Es gibt immer wieder Männer, die sind laut Fragebogen kerngesund und in Wahrheit schwer erkrankt.“ Eine Diagnostik kann der Test nicht ersetzen. Wer sich ausgebrannt fühlt, sollte zur Beratung gehen. Und zwar so früh wie möglich.


Früh löschen

Burnout fängt sich niemand wie eine Grippe ein. Es ist ein Erschöpfungsprozess, der oft einige Jahre dauert. Erst am Ende stehen Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herzinfarkt oder eine Depression. „Je früher der Brand gelöscht wird, desto besser“, sagt Unger. Deshalb rät er, Warnsignale ernst zu nehmen. Sie äußern sich oft in Schlafstörungen, einem Gefühl von Energieverlust oder Appetitlosigkeit. Männer reagieren auch aggressiv oder werden zynisch.


Stress kann sich in körperlichen Beschwerden äußern

Dauerstress kann sich in körperlichen Beschwerden äußern. Dabei tritt der Schmerz meist dort auf, wo der Mensch ohnehin empfindlich ist. Je nach Typ streikt der Magen oder der Rücken schmerzt. Doch nicht jedes Zipperlein ist ein Indiz für Burnout. „Jeder hat mal Schlafstörungen“, erklärt Unger. „Aber wenn die Beschwerden länger als 14 Tage dauern, sollte man etwas unternehmen.“ Unter Dauerstrom. Wer sich ausgebrannt fühlt und zu Arbeitsmediziner Glomm kommt, muss zunächst viele Fragen beantworten. Glomm erstellt ein Stressprofil vom Privat- und Berufsleben. Manchmal reicht es, wenn Betroffene ihr Privatleben umkrempeln. Meist liegt es aber an der Arbeit. „Das sind oft Menschen mit Zwölf-Stunden-Tagen, die am Wochenende Arbeit mit nach Hause nehmen.“ Wenn die Arbeit objektiv zu viel ist, muss sie verringert werden. Doch nicht immer ist es die Menge, die Beschäftigte unter Dauerstrom setzt. Manchmal liegt es auch an Vorgesetzten und deren Art, Aufgaben zu erteilen oder das Team zu leiten. So erlebte Glomm, wie sich in einer Abteilung der Stress in Luft auflöste, nachdem der Chef ausgetauscht worden war. Doch auf diesem Weg lässt sich das Problem nur selten lösen.


Faktor Gefühl

Nach den Erfahrungen von Hans-Peter Unger spielen emotionale Faktoren eine wichtige Rolle. Ob Beschäftigte mit ihrer Arbeit zurecht kommen, hängt auch davon ab, ob sie sich anerkannt fühlen, wieviel Entscheidungsspielraum sie haben und wie gerecht sie sich behandelt fühlen. Deshalb lassen sich schlechte Arbeitsbedingungen nicht einfach durch mehr Freizeit ausgleichen. Arbeitsmediziner Glomm hält nicht viel von Begriffen wie „Work-Life-Balance“. „Das klingt, als müsse man sich in seiner Freizeit fit für den Job machen. Dabei muss die Arbeit so sein, dass man einfach gerne hingeht.“

Arbeits- und Sozialrecht
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