Elektroautos
Arbeit in der Autobranche vor großem Wandel

Eine Studie zeigt, dass mit dem Umstieg des Verkehrs auf Elektrofahrzeuge auf die Autoindustrie einiges zukommt. Wir sagen: Es ist zu schaffen, wenn Politik und Industrie keine Zeit mehr versäumen, sondern jetzt die Weichen richtig stellen.


Die Zunahme von Elektrofahrzeugen kann dazu führen, dass in der Autoindustrie schon etwa 2030 rund 76 000 Arbeitsplätze in der Antriebstechnik überflüssig werden. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Wirkungen der Fahrzeugelektrifizierung auf die Beschäftigung am Standort Deutschland“ („ELAB“) des Fraunhofer Instituts für Arbeitswissenschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart. Der Stellenschwund betrifft vor allem die Zulieferindustrie.

Die Forscher gehen in dem wahrscheinlichsten ihrer Szenarien von einem Anteil von 25 Prozent Elektro- und 15 Prozent Hybridfahrzeugen aus. Mit einem solchen Elektrifizierungsanteil und Verbesserungen bei Verbrennungsmotoren wäre es möglich, die Umweltbelastung mit Kohlendioxid durch den Autoverkehr um bis zu 40 Prozent zu senken. Aber auf die Autoindustrie kommen damit gewaltige Umbrüche zu.


Jeder Zweite betroffen

In ihrer Modellrechnung gehen die Wissenschaftler davon aus, dass 2030 genauso viele Antriebsstränge produziert werden wie 2016: 5,75 Millionen. Und sie berücksichtigen die normalen Produktivitätsfortschritte, die dazu führen, dass für dieselbe Menge Güter immer weniger Personal benötigt wird. In diesem Fall könnten rund 76 000 Beschäftigte ihre Arbeitsplätze verlieren. Um die Komponenten für E-Autos, wie Batterien und Leistungselektronik, herstellen zu können, werden andererseits rund 25 000 neue Stellen benötigt. Tausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssten sich für neue Tätigkeiten qualifizieren. Damit wirkt sich die Umwälzung ― direkt oder indirekt ― auf mehr als jeden zweiten der 210 000 Arbeitnehmer aus, die in der Auto- und Zulieferindustrie Antriebsstränge entwickeln und produzieren. Hinzu kommen künftig die möglichen Folgen der Digitalisierung auf die Arbeitsplätze.

„Auf die einzelnen Betriebe und Regionen würde sich diese Entwicklung sehr unterschiedlich auswirken, sagt Professor Oliver Riedel, Institutsdirektor am Fraunhofer Institut IAO. “Sie können beträchtlich sein, zum Beispiel, wenn kleinere Unternehmen Umsatzeinbußen bei Komponenten für Verbrennungsmotoren nicht ausgleichen können“ ― und dadurch in Insolvenz geraten. Und „wenn sie in strukturschwachen Gebieten angesiedelt sind, in denen es kaum Beschäftigungsalternativen gibt“.


Kein Grund zur Panik

„Die Zahlen sind aus Sicht der IG Metall kein Grund, in Angst zu geraten. Die Herausforderung ist zwar groß, aber zu bewältigen, wenn jetzt die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden“, ist Jörg Hofmann, der Erste Vorsitzende der IG Metall, überzeugt. „Politik und Unternehmen müssen jetzt Strategien entwickeln, um diese Transformation zu gestalten“, sagt er. „Die Politik muss den notwendigen Strukturwandel durch zielgerichtete Industrie- und Beschäftigungspolitik flankieren.“ Wenn die EU-Kommission in Brüssel die Grenzwerte für CO2 reguliert, um das Klima zu schützen, muss sie den Unternehmen realisierbare Ziele vorgeben und ausreichende Anpassungszeiten lassen. Nicht zuletzt, weil Arbeitsplätze betroffen sind und Qualifizierungen in großem Stil zu bewältigen sind. Brüssel muss den Prozess unterstützen.

Von der Bundesregierung erwarten wir, dass sie endlich ein schlüssiges Gesamtkonzept für die nötige Infrastruktur vorlegt, vor allem für Ladestationen, Stromverteilnetze und ausreichendes Strom aus erneuerbarer Energie, aber auch für die Versorgung mit den erforderlichen Rohstoffen für Batteriezellen und Recyclingkonzepten für Altbatterien. Mindestens genauso wichtig ist, dass die Regierung die Beschäftigten nicht im Regen stehen lässt. Viele Betriebe überfordert das Ausmaß an Qualifizierungen, die mit dem Umstieg auf die Beschäftigten zukommen. Der Staat soll sie begleiten, zum Beispiel mit einem neuen Transformations-Kurzarbeitergeld, fordern wir.


Industrie am Scheideweg

„Wir müssen die kommenden Jahre nutzen, um die erforderlichen Anpassungsprozesse in die Wege zu leiten“, mahnt Jörg Hofmann. „Aber die Weichen dafür werden jetzt gestellt.“ Damit die Beschäftigten bei der ganzen Entwicklung nicht unter die Räder kommen, müssen die Unternehmen Konzepte entwickeln und Geld investieren, um die Standorte und Beschäftigung zu sichern. Das könnten zum Beispiel auch Investitionen in neue Produkte für neue Märkte sein, die nichts mit Autos zu tun haben.

Außerdem legen wir Wert darauf, dass die Beschäftigten, Betriebsräte und ihre Gewerkschaft von Anfang beteiligt werden, wenn es um neue Konzepte geht. Schließlich geht es um ihre Zukunft.


Die Studie: Initiiert wurde die Studie von der IG Metall, den Autoherstellern BMW, Volkswagen und Daimler, den Autozulieferern Robert Bosch, ZF Friedrichshafen, Schaeffler, und Mahle und dem Verband der Automobilindustrie. Die Studie basiert auf Daten der beteiligten Unternehmen. Sie repräsentiert die Hälfte der Beschäftigung in der Antriebstechnik, sind also sehr aussagekräftig für die gesamte Autoindustrie.

Wirtschaftspolitik

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