Klimapolitik nach der UN-Konferenz in Kattowitz
Konkret und realistisch werden

Auf der Weltklimakonferenz im polnischen Kattowitz haben sich die Länder auf gemeinsame Regeln verständigt, wie sie ihre CO2-Ziele erreichen wollen. Doch der Klimaschutz steht und fällt damit, dass realistische Schritte benannt werden – und dass die Bevölkerung ihn mitträgt.

18. Dezember 201818. 12. 2018


2015, auf der Konferenz in Paris, beschlossen die Vereinten Nationen (UN), dass die globale Temperatur nur noch um maximal zwei Grad steigen soll, besser: um 1,5 Grad. In Kattowitz haben jetzt etwa 200 Länder versucht, konkret zu werden. Sie beschlossen Regeln darüber, wie die Staaten ihre Klimaziele festlegen und dokumentieren und das Einhalten der Ziele gegenseitig kontrollieren können. Auch den Klimafonds, der Entwicklungsländer unterstützen soll, brachten sie auf den Weg.

Die IG Metall unterstützt das Pariser Klimaziel und eine ökologisch nachhaltige Wirtschaft. Darum war in der internationalen Gewerkschaftsdelegation, die nach Kattowitz gefahren ist, um sich an den Diskussionen zu beteiligen, auch die IG Metall vertreten.

Angelika Thomas, Klimaexpertin beim IG Metall-Vorstand, stellte betriebliche Beispiele aus der Wind- und Stahlbranche vor, die zeigten, welche Ideen und Kompetenzen Beschäftigte einbringen können, um in der Produktion Energie einzusparen oder saubere Energie herzustellen. Sie vermittelten dem internationalen Publikum auf der Konferenz, dass Mitbestimmung im Betrieb den Klimaschutz voranbringen kann.


Betriebe gehen voran

Klimaschutz ist nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll. Viele Unternehmen verdienen schon ihr Geld mit Klimaschutztechnologien. Tausende neue Arbeitsplätze entstanden. Ein Beispiel ist Mess- und Regeltechnik für mehr Energieeffizienz. Volkswagen in Emden baut eine klimaneutrale Fabrik. Bei der Georgsmarienhütte, einem energieintensiven Elektrostahlwerk, wird die Belegschaft im Umgang mit Energie geschult. Energiepaten in der Belegschaft ermuntern die Beschäftigten, Lösungen für effizienteren Energieeinsatz und Energiesparen zu entwickeln. An den Erfolgen beim Energiesparen werden sie finanziell beteiligt.


Sozial und gerecht

Aber für viele Unternehmen ist der Wandel auch eine große Herausforderung, zum Beispiel in der Autobranche. Auf offene Ohren stieß in Kattowitz die Forderung der Gewerkschaften, dass der Strukturwandel, den der nachhaltige Umbau der Wirtschaft erfordert, sozial und gerecht vonstattengehen muss. Sowohl die polnische Präsidentschaft der Klimakonferenz als auch im Vorfeld schon die Bundesregierung hatten die „just Transition“ auf ihre eigenen Fahnen geschrieben.

Just Transition, also ein Wandel, der sozial und gerecht ist, heißt zum Beispiel, dass Menschen nicht ihre Arbeitsplätze verlieren, ohne Alternativen zu haben. Und dass Bürger mit kleinem oder mittlerem Einkommen nicht mit unzumutbaren Preisen für Energie belastet werden.


Leichter gesagt als getan

Gerechter Wandel ist leichter gesagt als getan. Das zeigen zum Beispiel die Konflikte um die Grenzwerte für den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2). Zurzeit dürfen Autos, pro Flotte gerechnet, 120 Gramm je Kilometer emittieren, ab 2020 nur noch 95 Gramm. Und die Europäische Union verschärft die Grenzwerte für Fahrzeuge weiter: Neuwagen sollen 2030 im Flottendurchschnitt der Hersteller 37,5 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen als 2021 – darauf haben sich die EU-Staaten, das Europaparlament und die EU-Kommission inzwischen verständigt. Die Bundesregierung wollte ursprünglich lediglich eine Minderung von 30 Prozent, trug den Beschluss aber mit.

Legt man die neuen EU-Ziele zugrunde, wird 2030 fast jedes zweite Fahrzeug in Deutschland mit einem Stecker verkauft werden müssen. Nach aktuellen Schätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) werden bei einem so hohen Anteil bis zu 160 000 Arbeitsplätze in der Autoindustrie entfallen, etwa 200 000 wären es insgesamt.

Die Umstellung auf Elektromobilität wird viele Arbeitsplätze kosten und das Wachstum bremsen. Eine Reihe von Betrieben ist auf konventionelle Antriebe spezialisiert. Solche Werke sozial und gerecht umzubauen, ist ein schwieriges Unterfangen. Es bedarf neuer Geschäftsideen mit sicheren Perspektiven, Investitionen und neuer und anderer Qualifikationen der Belegschaften.


40 Prozent Elektroautos?

Sind 40 Prozent Elektroautos auf deutschen Straßen überhaupt realistisch? Gibt es bis dahin genug Strom aus erneuerbarer Energie? Sind die nötigen Stromverteilnetze und Ladepunkte vorhanden? Und ist umweltfreundlicher Verkehr für jeden bezahlbar? Denn es ist unklar, wie sich die Energiekosten entwickeln und welche Folgen höhere Energiepreise hätten.

Das IAB hat in einer Studie über Berufspendler herausgefunden: Vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einfachen Qualifikationen und niedrigem Einkommen fahren weite Strecken. Gut- und Spitzenverdiener können sich Wohnungen in den Städten oder in Stadtnähe leisten, Menschen mit geringem Einkommen und mehreren Kindern werden an den Rand und aufs Land gedrängt. Höhere Preise für Fahrten zur Arbeit würden Geringverdiener besonders treffen.


Folgen mitdenken

Umfragen zeigen, dass die Bevölkerungen Klimaschutz für notwendig halten und ihn grundsätzlich akzeptieren. Aber die Massenproteste der Gilets jaunes (Gelbwesten) in Paris gegen den gescheiterten Versuch der französischen Regierung, ihn durch höhere Steuern auf Energie zu beschleunigen, machen auch deutlich: Klimaschutz lässt sich – zumindest in einer demokratischen – Gesellschaft nur umsetzen, wenn die ganz konkreten Folgen für die Menschen mitbedacht werden.

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