Altersvorsorge
Glückliches Österreich: Was wir bei der Rente von unseren Nachbarn lernen können

In Österreich sind die Renten deutlich höher als in Deutschland. Wie kommt das? Und was bedeutet es für die deutsche Rentenpolitik? Wir machen den Ländervergleich.


Manchmal hilft ein Blick über Grenzen, um zu merken, wie eng der eigene Blickwinkel geworden ist.

Die Rente ist dafür ein gutes Beispiel.

In Deutschland geht es meistens nur um die Frage, ob wir uns die Rente „noch leisten können“. Ob sie nicht „zu teuer“ wird.

Österreich zeigt, dass bei der Rente mehr möglich ist, als viele denken.


Rentenhöhe: Wer bekommt was?

In Österreich liegen die Renten – sie heißen dort „Pensionen“ – deutlich höher als hierzulande.

Die durchschnittliche Altersrente lag im Jahr 2022 in Österreich bei 1751 Euro (brutto) pro Monat, in Deutschland bei 1177 Euro (brutto). Das sind die Durchschnittswerte für alle damaligen Rentnerinnen und Rentner („Bestand“).

Hier wie dort erhalten Männer im Schnitt höhere Renten als Frauen. Der Grund: In beiden Ländern waren und sind Frauen seltener und kürzer erwerbstätig. Das schmälert die spätere Rente. Denn in beiden Ländern gilt das sogenannte Äquivalenzprinzip: Wer mehr in die Rentenkasse einzahlt, bekommt mehr heraus – und umgekehrt.

Zu den genannten Zahlen sollte man wissen: Durchschnittswerte sind mit Vorsicht zu genießen. Besonderheiten des Rentenrechts können den Durchschnitt verzerren. Zum Beispiel gibt es in Deutschland Versicherte, die nur wenige Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben und dann verbeamtet wurden. Sie erhalten Mini-Renten und ziehen den Durchschnitt nach unten.

Aussagekräftiger sind deshalb Zahlen für eine eng umrissene Personengruppe: Zum Beispiel Menschen, die Jahrzehnte lang beschäftigt waren und Rentenbeiträge gezahlt haben.

Doch auch hier zeigt sich: Österreich liegt klar vorne. Langjährig versicherte Männer, die neu in Rente gingen, erhielten dort 2022 im Schnitt eine Altersrente von 3207 Euro (brutto) im Monat. In Deutschland liegt der Wert bei 1728 Euro.

Wichtig: In Österreich wird die Rente 14-mal im Jahr ausgezahlt – das ist bei den genannten Vergleichswerten schon eingerechnet.


Beitragssatz: Wer zahlt was?

Der Beitrag zur gesetzlichen Rente liegt in Deutschland bei 18,6 Prozent des Bruttolohns (2024). In Österreich liegt er mit 22,8 Prozent höher (2024).

Wichtiger Punkt dabei: In Deutschland teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Rentenbeitrag und zahlen jeweils 9,3 Prozent des Bruttolohns. In Österreich zahlen die Arbeitgeber mehr, nämlich 12,55 Prozent des Bruttolohns. Die Beschäftigten zahlen 10,25 Prozent.


Rentenanpassung: Wann gibt es mehr Geld?

In Deutschland folgen die Renten der allgemeinen Lohnentwicklung – allerdings mit Einschränkungen, die die Rentenerhöhungen dämpfen. In Österreich sind die Rentenerhöhungen an die Inflationsrate gekoppelt.

Unterm Strich zeigt sich, dass die Erhöhungen in Deutschland und Österreich relativ ähnlich ausfallen.


Rentenalter: Wann geht’s in den Ruhestand?

Das reguläre Renteneintrittsalter liegt in Deutschland ab dem Jahrgang 1964 bei 67 Jahren. In Österreich liegt es für Männer bei 65 Jahren. Für Frauen lag es bislang bei 60 Jahren, wird nun aber schrittweise auf 65 Jahre angehoben.


Abschläge: Was kostet die vorzeitige Rente?

Wer vor dem regulären Rentenalter in Rente geht, muss Abschläge hinnehmen. Die Abschläge sind in Österreich höher als in Deutschland: Sie liegen dort bei 4,2 Prozent pro vorgezogenem Rentenjahr (Deutschland: 3,6 Prozent).

Das heißt aber nicht, dass Rentnerinnen und Rentner in Österreich auch tatsächlich höhere Abschläge hinnehmen müssen. Denn: Das Rentenalter liegt ja niedriger als in Deutschland. Und nur bei vorzeitigem Rentenbeginn werden die Abschläge fällig. Ein vorzeitiger Rentenbeginn ist bei höherem Rentenalter viel wahrscheinlicher.


Steuern und Abgaben: Was bleibt netto von der Rente?

In Österreich werden die Renten bereits heute voll versteuert.

In Deutschland wird die Besteuerung gerade umgestellt: Ein Teil der Rente bleibt derzeit steuerfrei. Ab dem Jahr 2058 werden Renten auch in Deutschland voll versteuert, dafür sind die Rentenbeiträge steuerlich absetzbar. Auch in Zukunft werden hierzulande aber viele Renten steuerfrei bleiben, weil sie unter dem Steuerfreibetrag liegen.

Die Krankenversicherung ist in Österreich für Rentenbezieher günstiger: Der Beitrag beträgt dort 5,1 Prozent der Bruttorente. In Deutschland sind es 7,3 Prozent plus die Hälfte des individuellen Zusatzbeitrags.

In absoluten Zahlen fallen die Steuern und Abgaben in Österreich im Schnitt höher aus als in Deutschland. Das liegt aber daran, dass die Durchschnittsrenten in Deutschland so niedrig sind, dass kaum Steuern zu zahlen sind.


Rentenanspruch: Wie lange muss ich dafür einzahlen?

Wer mindestens fünf Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat, erwirbt in Deutschland einen Rentenanspruch. In Österreich liegt diese Wartezeit bei mindestens 15 Jahren.

Heißt: Deutsche Rentnerinnen und Rentner erhalten auch nach wenigen Beitragsjahren eine Zahlung, wenn auch eine sehr kleine. In Österreich würden sie leer ausgehen. Dafür werden in Österreich kleine Renten großzügiger aufgestockt als in Deutschland.


Finanzierung: Wer trägt das Rentensystem?

In beiden Ländern gilt bei der Rente die sogenannte Umlagefinanzierung. Heißt: Die Berufstätigen finanzieren die Renten mit ihren Beiträgen. Das Geld wird nicht angespart, sondern direkt wieder ausgeschüttet.

Aber es gibt einen wichtigen Unterschied: In Österreich sind alle Erwerbstätigen im gesetzlichen Rentensystem versichert.

In Deutschland gibt es dagegen ein Nebeneinander von vielen verschiedenen Systemen. Abhängig Beschäftigte zahlen in der Regel in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Beamte aber nicht. Auch viele Freiberufler haben eigene Versorgungssysteme, zum Beispiel Apotheker oder Rechtsanwälte. Die finanzielle Basis der deutschen Rentenversicherung ist dadurch viel schmaler als die im Nachbarland.

In beiden Ländern erhält die Rentenversicherung außerdem Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt. Im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung sind diese Zuschüsse in beiden Ländern seit Jahrzehnten stabil.


Fazit:

Zwischen der Rente in Deutschland und in Österreich gibt es viele Unterschiede. Ein direkter Vergleich ist deshalb schwierig.

Doch unterm Strich zeigt der Blick ins Nachbarland: Eine Rentenversicherung kann bessere Leistungen erbringen als in Deutschland. Die Renten fallen in Österreich deutlich höher aus als hierzulande.

Kleine Renten sind also kein Naturgesetz. Sie sind die Folge politischer Entscheidungen, die auch anders getroffen werden könnten. Viele angebliche Sachzwänge sind in Wahrheit Gestaltungsfragen. Und oft auch Verteilungsfragen.

Das zeigt sich bei der privaten Altersvorsorge: Parallel zu den Leistungskürzungen in der gesetzlichen Rente wurde in Deutschland die Privatvorsorge ausgebaut. Vier Prozent vom Bruttoeinkommen sollen Beschäftigte dafür ausgeben.

Die Realität ist davon weit entfernt. Viele Menschen sorgen nicht privat fürs Alter vor. Vor allem Geringverdiener können sich das immer weniger leisten. Kein Wunder: Schließlich müssen Beschäftigte die Kosten der Privatvorsorge allein stemmen. Die Arbeitgeber beteiligen sich daran nicht – im Gegensatz zum Rentenbeitrag, den beide Seiten zahlen.

Eine Rente, die alle Erwerbstätigen solidarisch mitfinanzieren. Und etwas höhere Beiträge, die von Beschäftigten und Arbeitgebern gemeinsam getragen werden. Das wäre eine Formel für bessere Renten.

Österreich macht es vor.

Hintergrund:

Was wir für bessere Renten konkret tun müssten, steht im Rentenkonzept der IG Metall.

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