Staatsstreich von rechts scheitert
100 Jahre Kapp-Putsch: Gewerkschaften retten die Republik

Im März 1920 steht die Weimarer Republik am Abgrund. Rechtsextreme besetzen das Berliner Regierungsviertel und wollen eine Diktatur errichten. Der Putsch scheitert am größten Streik der deutschen Geschichte.

13. März 202013. 3. 2020


Berlin im Morgengrauen, 13. März 1920. Rund 5000 Soldaten unter dem Befehl von Marinekapitän Hermann Ehrhardt marschieren ins Stadtzentrum. Sie besetzen das Regierungsviertel, errichten Straßensperren, postieren Maschinengewehre, hissen die kaiserliche Kriegsflagge.

Es ist ein Putsch.

Mit Waffengewalt versuchen der General Walther von Lüttwitz und der preußische Beamte Wolfgang Kapp, die demokratisch gewählte Regierung zu stürzen. Sie wollen die Weimarer Republik beseitigen. An die Stelle der ersten deutschen Demokratie soll ein autoritäres Regime treten.


Hakenkreuz am Stahlhelm

Die Gesinnung der Putschisten können Berliner Passanten an diesem Morgen schon von weitem erkennen. Viele der Soldaten tragen Hakenkreuze auf ihren Stahlhelmen. In einem Kampflied der Truppe heißt es: „Die Brigade Ehrhardt schlägt alles kurz und klein, wehe Dir, wehe Dir, Du Arbeiterschwein."

Nach dem Einmarsch in Berlin erklärt sich Wolfgang Kapp zum neuen Reichskanzler. In weiteren Großstädten des Reichs schließen sich Freikorpssoldaten dem Putsch an und besetzen öffentliche Plätze. Die gewählte Regierung flieht nach Dresden und weiter nach Stuttgart. Die Reichswehr kommt ihr nicht zu Hilfe. Die Generäle weigern sich, den Putschisten entgegen zu treten: „Truppe schießt nicht auf Truppe“, lautet das Motto.


Aufruf zum Generalstreik

Doch die Gewerkschaften handeln: Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund (ADGB) und die Angestelltengewerkschaft AfA rufen zum Generalstreik auf.

Im ganzen Land folgen die Beschäftigten dem Aufruf. Es kommt zum größten Streik der deutschen Geschichte. Zwölf Millionen Menschen legen die Arbeit nieder. In den meisten Großstädten ruht der öffentliche Verkehr. Wasser-, Gas- und Elektrizitätswerke stehen still. Berlin ist von Nachrichten- und Verkehrswegen abgeschnitten. Teile der Stadt liegen im Dunkeln.

Auch die Beamten in den Ministerien ziehen mit. Sie weigern sich, Kapps Anweisungen auszuführen. In der Reichsbank in Berlin versucht Kapitän Ehrhardt Geld für den Sold seiner Soldaten zu erhalten. Doch die Bankbeamten akzeptieren keine von Kapp unterzeichnete Zahlungsanweisungen. Ein Reichskanzler Kapp sei ihnen nicht bekannt, erklären sie.

Die Putschisten reagieren mit großer Härte auf den Generalstreik. Kapp erlässt einen Schießbefehl. Streikleitern und Streikposten droht er mit standrechtlicher Erschießung.

Schüsse auf die Streikenden

Die Freikorpssoldaten folgen dem Befehl. Sie schießen auf Streikende. Dutzende sterben. In Leipzig eröffnen Putschisten das Feuer auf eine gewerkschaftliche Demonstration gegen den Staatsstreich.

Trotz der Lebensgefahr geht der Generalstreik weiter. Im Ruhrgebiet wächst er sich zum Volksaufstand aus. Bewaffnete Arbeiter schließen sich zur „Rote Ruhrarmee“ zusammen.

Am 17. März 1920 geben die Anführer des Putsches auf. Kapp flieht nach Schweden, Lüttwitz nach Ungarn.

Die Brigade Erhardt rückt aus Berlin ab – nicht ohne vorher noch ein Blutbad anzurichten. Beim Abmarsch schießen die Soldaten in eine protestierende Menge. Zwölf Menschen sterben, 30 werden verletzt. Auch in Leipzig wird weiter geschossen, obwohl der Putsch bereits gescheitert ist. Rechtextreme Soldaten brennen das Volkshaus nieder, den Sitz und Versammlungsort der Leipziger Gewerkschaften.


Gemeinsam für die Demokratie

Ein breites Bündnis von Demokraten hat die Republik gerettet. Nun stellen die Gewerkschaften Forderungen an die Regierung: Sozialreformen und strenge Bestrafung der Putschisten. Nach einigen Zusagen endet der Streik am 23. März. Doch vor allem im Ruhrgebiet sind die Nachwegen heftig. Enttäuschung bei vielen Arbeitern führt zu bewaffneten Unruhen. Bittere Ironie der Geschichte: Die Aufstände werden vom selben Militär niedergeschlagen, das zuvor nicht bereit war, die Demokratie zu verteidigen.

Wie konnte es zu dem Putsch kommen?

Warnungen hatte es genug gegeben. Schon im Dezember 1919 hatte die „Metallarbeiter-Zeitung“ geschrieben, dass ein reaktionärer Staatstreich drohe.

Am 12. März, einen Tag vor dem Putsch, hatte Reichswehrminister Gustav Noske die Regierung über Umsturzgerüchte informiert. Er nannte die Marinebrigade Ehrhardt und die mögliche Besetzung des Regierungsviertels. Und er erklärte, dass er die Verhaftung der Verschwörer bereits angeordnet habe. Doch das kam viel zu spät. Zu lange hatte Noske die Augen verschlossen vor den reaktionären Umtrieben in der Reichswehr. Nun erhielt er die Quittung.

Kapp konnte sich der Verhaftung entziehen. Er hatte aus dem Berliner Polizeipräsidium eine Warnung erhalten. Der preußische Staatskommissar für die Überwachung der öffentlichen Ordnung schwieg, obwohl er die Putschpläne kannte.

Die vermeintlichen Pannen hatten System: In Verwaltung und Militär gab es zu viele Antidemokraten. Das war die eigentliche Ursache des versuchten Staatsstreichs.

Eine Lehre aus dem Kapp-Putsch und dem späteren Scheitern der Weimarer Republik findet sich heute in der Satzung der IG Metall: Das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und den demokratischen Grundrechten – verbunden mit der ausdrücklichen Bereitschaft, diese Rechte zu verteidigen.

Neu auf igmetall.de

Newsletter bestellen