Der Fall Naujoks
Wie ein Arbeitgeber-Anwalt Beschäftigte schikaniert

Gewerkschafter schikanieren, Betriebsräte feuern: Das sogenannte „Union Busting“ ist ein einträgliches Geschäft für rabiate Anwälte. Mit welch harten Bandagen dabei gekämpft wird, lässt sich bei einem Autozulieferer in Sachsen besichtigen ― und auch, wie man sich wehrt.


Wenn ein Unternehmen Helmut Naujoks anheuert, dann müssen sich die Beschäftigten auf einiges gefasst machen. Naujoks ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. Und er legt diesen Beruf auf sehr spezielle Weise aus. Auf seiner Internetseite rühmt er sich damit, dass er als einer der wenigen Arbeitsrechtler in Deutschland „konsequent und ausschließlich“ Arbeitgeberinteressen vertritt.

Wer wissen will, was das in der Praxis bedeutet, muss sich beim sächsischen Autozulieferer MA Automotive Deutschland GmbH umhören. Dort ist Naujoks zurzeit aktiv.


Die Unternehmensleitung will nicht verhandeln

Die Beschäftigten von MA Automotive kämpfen für einen Tarifvertrag. Sie haben mehrmals gestreikt. Die Unternehmensleitung weigert sich, zu verhandeln. Stattdessen lässt sie Abmahnungen an Gewerkschaftsmitglieder zustellen ― persönlich und oft am Samstagvormittag, so dass die Familien es mitbekommen.

Während des ersten Warnstreiks ließ die Geschäftsführung Streikende fotografieren. Der Betriebsratsvorsitzende erhielt eine Kündigung. In der Firma kursieren Unterschriftenlisten gegen Betriebsrat und IG Metall. Unter dem Vorwand einer „Qualitätsbesprechung“ werben Vorgesetzte für die Unterschriftenlisten. Die Belegschaft wird gespalten.


Psychischer Druck wird aufgebaut

„Diese Maßnahmen tragen Naujoks Handschrift“, sagt Benjamin Zabel, Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall Zwickau. Er begleitet die Auseinandersetzung bei MA Automotive seit Monaten. Und er hat die Methoden des Arbeitgeber-Anwalts auch schon bei anderen sächsischen Unternehmen erlebt.

„Typisch Naujoks“ nennt Zabel auch den Versuch, den Prozess gegen den Betriebsratsvorsitzenden in die Länge zu ziehen. “Dadurch bleiben er und die ganze Belegschaft psychisch unter Druck. Viele Kolleginnen und Kollegen trauen sich kaum noch, mit ihm zu sprechen.“

 

 

Breite Solidarität für den Betriebsratsvorsitzenden von MA Automotive, Michael Zähringer, beim Gerichtstermin am 30. Juni.
Breite Solidarität für den Betriebsratsvorsitzenden von MA Automotive, Michael Zähringer, beim Gerichtstermin am 30. Juni.

 


Juristisches Leichtgewicht

Einer, der Naujoks schon vor Gericht gegenüber stand, ist Hans-Martin Wischnath. Er ist Rechtsschutzsekretär beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und erinnert sich noch gut an das Aufeinandertreffen: „Wenn Naujoks mit seiner bulligen Gestalt ins Gericht marschiert, dann bebt der Saal.“ Schon durch sein Auftreten seien viele Beschäftigte eingeschüchtert. „Dabei ist er juristisch gesehen ein Leichtgewicht“, sagt Wischnath. „Soweit ich weiß hat er kaum je einen Prozess gewonnen.“

Seinen damaligen Fall schildert Wischnath so: Naujoks soll bei einem schwäbischen Automobilzulieferer zwei unbequeme Betriebsräte aus der Firma bugsieren. Er reicht ein rund 100-seitiges Schreiben bei Gericht ein. Vorwurf: Die beiden Betriebsräte hätten geplant, im Betrieb eine Bombe zu legen. Wischnath zerpflückt das Schreiben. Am Ende zieht Naujoks seinen Antrag zurück. Die Betriebsräte behalten ihre Stellen.

Für Wischnath sind solche Fälle vor allem eine psychologische Herausforderung. „Ich muss den Beschäftigten die Furcht nehmen“, sagt er. „Es geht dabei nur um Einschüchterung. Die Leute sollen in Angst und Schrecken versetzt werden.“ Und, so das Kalkül, am Ende freiwillig gehen.


Verhängnisvolle Tendenz

Das Kalkül geht immer wieder auf ― auch wenn viele Klagen vor Gericht kaum Aussicht auf Erfolg haben. Die teils jahrelange Arbeitsgerichtsprozesse wirken zermürbend. Dazu kommt das vergiftete Betriebsklima. Nicht wenige Betroffene stimmen am Ende einem Vergleich zu und verlieren ihren Arbeitsplatz.

MA Automotive ist dabei nur ein Fall von vielen. Die Otto-Brenner-Stiftung kommt in einer Studie zu dem Schluss, dass geschützte Arbeitnehmerrechte in verschiedenen Bereichen der deutschen Wirtschaft zur Zielscheibe aggressiver Arbeitgeber werden. Oft werde dabei die Grenze zum Rechtsbruch überschritten. Das sogenannte „Union-Busting“, schreiben die Studienautoren, sei den Nischen spezialisierter Anwälte längst entwachsen und mittlerweile weit verbreitet. Doch wie können Beschäftige, Betriebsräte und Gewerkschaften reagieren?


Effektive Gegenwehr

Sie können zunächst Rechtsbeistand organisieren. Unsere Mitglieder werden bei Bedarf kostenlos von Juristinnen und Juristen der DGB Rechtsschutz GmbH vertreten. Erste Anlaufstelle bei Problemen ist unsere Vertretung vor Ort.

Dazu kommt die Unterstützung im Betrieb. Bei MA Automotive hat Gewerkschaftssekretär Benjamin Zabel die Beschäftigten über Naujoks’ Methoden informiert. Der Verzicht auf den Anwalt ist für uns eine Voraussetzung für konstruktive Verhandlungen.


Schlechte Presse

In vielen Fällen von „Union Busting“ haben wir erfolgreich Gegenwehr organisiert. Entscheidend ist, dass die Belegschaften zusammen stehen, sich nicht spalten lassen.

Und manchmal hilft es auch, an das Eigeninteresse der Unternehmensleitung zu appellieren: Firmen, die Anwälte wie Naujoks anheuern, können sich sicher sein: Es gibt schlechte Presse. Bei Spiegel Online heißt Naujoks „Betriebsrätefresser“, bei der Süddeutschen Zeitung „der Rausschmeißer“.

Welche Fachkraft heuert schon in einem Betrieb an, der solche Leute auf seine eigenen Beschäftigten ansetzt?

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