Metall-Tarifrunde 2018
„Wir haben es uns erkämpft“

1,5 Millionen Metallerinnen und Metaller haben mit ihren Warnstreiks den Durchbruch möglich gemacht: Es gibt deutlich mehr Geld und mehr Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit. Wir haben vier Beschäftigte nach ihrer Meinung zum Ergebnis der Metall-Tarifrunde gefragt.

20. Februar 201820. 2. 2018


Endlich mehr Selbstbestimmung, endlich öfter für die Familie da sein: Der Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie bringt den Beschäftigten neben deutlich mehr Geld auch die gewünschte Flexibilität: Sie haben Anspruch auf befristete verkürzte Vollzeit. Dafür haben 1,5 Millionen Metallerinnen und Metaller mit Warnstreiks Druck gemacht. Beschäftigte, die Kinder betreuen, Angehörige pflegen oder in Schicht arbeiten, bekommen sogar eine weitere Wahloption: Sie können ab 2019 einen Teil des zusätzlichen Geldes in Zeit umwandeln und so acht freie Tage mehr im Jahr erhalten. Viele haben schon konkrete Pläne, wie sie die Tarifergebnisse für sich, für ihre Gesundheit und ihre Familien nutzen wollen.
 


Soner Ugur (Foto) arbeitet seit 21 Jahren im wöchentlichen Wechsel in Früh-, Spät- und Nachtschicht. Am Wochenende kamen bisher oft freiwillige Überstunden dazu, weil er den Zuverdienst zu seinen 3 300 Euro Bruttoentgelt gut gebrauchen kann. Aber jetzt soll alles anders werden: „So lange wir in drei Schichten arbeiten, geht es ab einem bestimmten Alter auf die Gesundheit“, sagt der 43-jährige Maschineneinrichter in der Teilefertigung bei der Vacuumschmelze in Hanau.

Er hat immer häufiger Schlafprobleme. Darum will er jetzt auf die Bremse treten. Geld ist ihm immer noch wichtig, aber Zeit inzwischen auch. Die Diskussion über Arbeitszeiten, die zum Leben passen, kam für ihn gerade im richtigen Moment. „Das ist ein toller Abschluss“, sagt er über das Tarifergebnis. Er will es für acht zusätzliche freie Tage nutzen. Neben der Gesundheit gibt es einen zweiten Grund, warum freie Zeit ihm jetzt viel bedeutet: Seit drei Monaten ist er Vater.


Brigitte Adena

Brigitte Adena (Foto) war mit rund 100 weiteren Beschäftigten des Autozulieferers Federal Mogul ebenfalls beim ganztägigen Warnstreik dabei. Die Werkleitung ließ immer wieder die Polizei anrücken, die Autos der Warnstreikenden mussten runter vom Firmenparkplatz im niedersächsischen Beckedorf. Trotzdem zogen sie ihren ganztägigen Warnstreik durch. „Es hat sich gelohnt“, findet Adena. Sie arbeitet seit 30 Jahren Wechselschicht in der Endkontrolle und verdient nicht viel. Bis vor kurzem hat sie noch ihren Mann gepflegt, neben der Arbeit. „Die verkürzte Vollzeit hätte ich mir nicht leisten können. Doch wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, acht Tage frei zu nehmen, hätte ich das gemacht“, meint sie. Doch jetzt ist ihre Wahl klar: Sie braucht das ganze Geld. Das bekommt sie durch den Tarifabschluss: Ihr Entgelt steigt um rund vier Prozent in diesem Jahr und um rund 3,8 Prozent im nächsten Jahr. Insgesamt hat Brigitte Adena bis Ende 2019 über 3 000 Euro mehr in der Tasche.


Andreas Eben (Foto) hat das noch nie erlebt: Es gibt ein Tarifergebnis und niemand meckert. „Als wir unseren Kolleginnen und Kollegen das Ergebnis vorgestellt haben, gab es nicht mal ansatzweise schlechte Stimmung“, sagt der Vertrauensmann und Betriebsrat bei Still in Hamburg. „Es ist ein gutes Ergebnis beim Geld und es ist ein sehr guter Anfang von mehr Zeitgerechtigkeit. Und es ist unser Ergebnis. Wir haben es uns erkämpft.“

Die Metallerinnen und Metaller bei Still gehörten zu den ersten, die ihren Betrieb komplett lahmlegten und zu einem ganztägigen Warnstreik rausgingen. „Und das bei echtem Hamburger Schietwetter“, sagt er stolz. Es regnete zeitweise in Strömen, es stürmte. Von den 18 Pavillons, die Andreas Eben für den ganztägigen Warnstreik organisiert hatte, konnte er nur noch 13 heil zurückgeben. Den Rest hatte der Sturm zerlegt. „Trotzdem ist keiner nach Hause gegangen“, erzählt er. Sie hielten stundenlang bei dem Schietwetter aus, rückten unter den restlichen Pavillons und Schirmen zusammen und wurde am Grill eine Ablösung gebraucht, stand immer jemand bereit, um Würstchen zu wenden. „Es war einmalig“, sagt der Metaller. „Ich bin immer noch hin und weg.“


Auch Markus Battenfeld (Foto) ist rundherum zufrieden. „Ein Tarifergebnis ist immer ein Kompromiss“, sagt er, „und dieser Abschluss ist ein guter Kompromiss“. Beim ganztägigen Warnstreik stand der 51-Jährige vorm Werkstor seines Arbeitgebers Schwing in Herne. Mehr Selbstbestimmung über die Arbeitszeit wollte er für seine Kolleginnen und Kollegen und für sich. Denn neben der Arbeit organisierte er gerade den Umzug seiner Mutter in ein Pflegeheim. Er möchte möglichst viel Zeit mit ihr verbringen, mit ihr Spaß haben, solange es noch geht. Dafür würde er gerne auch seine Arbeitszeit um eine Stunde pro Tag verkürzen. Nicht sofort, aber wenn absehbar ist, dass seiner Mutter nicht mehr viel Zeit bleibt. „Deshalb ist es gut, dass der Tarifvertrag darauf einen Anspruch geschaffen hat“, sagt Markus Battenfeld.

Der Abschluss ist aus seiner Sicht gelungen, weil die Forderung eine breite Unterstützung in der Öffentlichkeit fand. „Es war sehr gut, dass wir die Beschäftigten gefragt haben, was für Arbeitszeiten sie wollen“, sagt Battenfeld, der bei Schwing im Einkauf arbeitet. Auch bei der Beschäftigtenbefragung der IG Metall stand er vor dem Tor, sprach Kolleginnen und Kollegen an und verteilte die Fragebögen.

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