Betriebsrats-Mobbing
Betriebsrat gemobbt - Geschäftsführer muss Strafe zahlen

Bis zu einem Jahr Gefägnis drohen Arbeitgebern, die Betriebsräte behindern. Bislang allerdings hat der Staat Betriebsratsmobbing fast nie verfolgt. Doch jetzt hatte eine Anzeige der IG Metall Erfolg. Der Geschäfstführers eines saarländischen Logistik-Dienstleisters muss 80 Tagessätze Strafe zahlen.

9. August 20219. 8. 2021


Der Geschäftsführer eines saarländischen Logistik-Dienstleisters muss 80 Tagessätze Strafe zahlen, wegen Behinderung des Betriebsrats nach Paragraf 119 Betriebsverfassungsgesetz. Das Amtsgericht Lebach erließ den Strafbefehl, nach einer Strafanzeige der IG Metall.

Die Strafe ist eine große Ausnahme, denn bislang haben Staatsanwaltschaften und Richter die 119er-Verfahren in der Regel stets eingestellt. Das liegt auch daran, dass sich die Strafgerichtsbarkeit nicht im Betriebsverfassungsrecht auskennt. Doch an diesem Fall blieb der Staatsanwalt dran – und die Richterin setzte den Strafanspruch des Staates endlich einmal durch.

„Die Verurteilung des Geschäftsführers ist ein großer Erfolg der IG Metall – und ein klares Signal an Arbeitgeber, die unsere Betriebsräte mobben und behindern: Ihr kommt nicht länger ungestraft davon“, erklärt Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall. „Betriebsräte schützen Beschäftigte. Sie sichern Teilhabe und Mitbestimmung. Sie stehen für Demokratie im Betrieb. Wir werden uns auch in Zukunft gegen Angriffe auf unsere Betriebsräte zur Wehr setzen.“
 

Mobbing gegen Betriebsräte hat System

Die Geschäftsführung des Logistik-Dienstleister ist massiv gegen den Betriebsrat vorgegangen. Unter anderem erhielten drei Betriebsratsmitglieder die fristlose Kündigung – und bekamen keinen Lohn mehr.

Wesentlicher Grund für die Verurteilung war für das Gericht jedoch, dass die Geschäftsführung die Kosten des Betriebsrates - etwa für Büroräume, Seminare und Sachverständige - im Betrieb öffentlich aushängte – und diesen Aushang fortlaufend aktualisierte. Das erfüllt laut Bundesarbeitsgericht den Straftatbestand des Paragraf 119 Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG): Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die Wahl oder die Tätigkeit des Betriebsrats beeinflusst, behindert oder stört.

Jedes Jahr sind hunderte von Betriebsräten von Mobbing betroffen. Oft heuern Arbeitgeber dafür spezialisierte Rechtsanwälte an – sogenannte „Union Buster“ (Gewerkschaftsjäger). Juristisch kann der Arbeitgeber den Betriebsräten kaum etwas anhaben, da Betrebsräte durch das Betriebsverfassungsgesetz vor Kündigung oder Benachteiligung geschützt sind. Dennoch bombardieren Arbeitgeber und Anwälte die Betriebsräte mit Klagen und enthalten ihnen Lohn vor – um sie und ihre Familien zu zermürben. Die IG Metall hat daher spezielle Experten-Netzwerke aufgebaut, um koordiniert gegen „Union Busting“ vorzugehen.

Mit der Geldstrafe von 80 Tagessätzen ist der Geschäftsführer des saarländischen Logistikers nur knapp an einem Eintrag im Führungszeugnis vorbeigeschrammt. Ab einer Strafe von über 90 Tagessätzen wäre er vorbestraft. Aber auch die Strafe von weniger als 90 Tagessätzen wird im Bundeszentralregister im sogenannten erweiterten Führungszeugnis eingetragen, auf das bestimmte Ämter Zugriff haben – etwa das Jugendamt. Ein Tagessatz entspricht einem Netto-Tageseinkommen. Der Geschäftsführer muss demnach fast drei Monatsgehälter zahlen.


Strafanzeige nach Paragraf 119 als letztes Mittel

„Die Arbeitgeber in unserer Region wissen, dass sie jetzt aufpassen müssen“, erklärt Alfonso Liuzzo von der IG Metall Völklingen, der vor Gericht als Zeuge ausgesagt hat.

Allerdings: Die Strafanzeige nach Paragraf 119 BetrVG wird auch für Liuzzo immer das letzte Mittel bleiben. Zuerst muss es immer darum gehen, die Beschäftigten für ihre Interessen zu organisieren und gemeinsam zu mobilisieren. Die IG Metall Völklingen war in den letzten Jahren mit mehreren weiteren Fällen von Betriebsratsmobbing konfrontiert. Die Erfahrung zeigt: Wenn die Beschäftigten hinter dem Betriebsrat und der IG Metall stehen, dann setzen sie sich auch durch. Bei einem Getränkedosenhersteller etwa führten Betriebsrat und IG Metall Völklingen über 20 Arbeitsgerichtsverfahren. Und vor allem stand schließlich die komplette Belegschaft hinter ihnen. Am Ende haben sie alles gewonnen. Der Standortleiter wurde ausgetauscht.

„Das war im Grund ein noch größerer Erfolg“, findet Liuzzo. „Denn wir wollen ja langfristig unsere Mitbestimmung im Betrieb stärken, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Wenn Du jedoch den 119er ziehst, ist das Tischtuch zerschnitten und keine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber mehr möglich.“

Zudem besteht auch die Gefahr, dass der Arbeitgeber es schafft, dem Betriebsrat und der IG Metall die Rolle von zu Feinden des Betriebs zuzuschieben, die Betriebsfrieden und Arbeitsplätze gefährden. So haben IG Metall und Betriebsrat nach Jahren vielleicht das Gerichtsverfahren gewonnen – sind aber längst raus aus dem Betrieb.

„Eine Strafanzeige nach Paragraf 119 ist kein Allheilmittel, das Betriebsräte ab jetzt einfach jedes Mal ziehen können, wenn der Arbeitgeber Probleme macht“, warnt Peter Kippes, Leiter des Funktionsbereichs Betriebspolitik beim IG Metall-Vorstand. „Solche Verfahren bedürfen sorgfältiger Vorbereitung und sollten nur im Rahmen einer betriebspolitischen Gesamtstrategie mit Beteiligung der Beschäftigten eingesetzt werden. Denn nur wenn die Beschäftigten geschlossen hinter ihren Betriebsräten und der IG Metall stehen, sind wir auch nachhaltig im Betrieb erfolgreich.“

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