Autoemissionen
EU-Kommission muss nachbessern

Die geplanten neuen EU-Grenzwerte für Autoemissionen sind für die Industrie eine harte Nuss. Sie kann jedoch rein technisch geknackt werden. Die Themen Arbeitsplätze und Netzausbau kommen allerdings in dem gerade von Brüssel vorgelegten Papier nicht vor.

8. November 20178. 11. 2017


... geschützt wird, sondern auch die Beschäftigung, müssen Industrie und Politik noch nachlegen.

„Mein erster Eindruck ist: Der Europäischen Kommission ist es noch nicht ausreichend gelungen, einen ausgewogenen Vorschlag vorzulegen“, kommentiert Jörg Hofmann, der Erste Vorsitzende der IG Metall die Pläne aus Brüssel. Das Ziel, den Klimaschutz zu verbessern, zugleich aber das technisch Machbare und die Folgen für die Beschäftigten und die Verbraucher zu berücksichtigten, sei noch nicht wirklich erreicht.


Riesiger Kraftakt

Jörg Hofmann begrüßt es, dass die EU-Kommission keine festen Ausstiegsdaten für Verbrennungsmotoren und Quoten für Elektroautos festgelegt hat. Denn so schnelle Technologiebrüche sind für die Industrie kaum zu bewältigen. Und sie hätten erhebliche Folgen für die Beschäftigten. Allein mit den neuen Grenzwerten kommt auf die Autobauer einiges zu. Für sie bedeutet es schon einen riesigen Kraftakt, die jetzt geltenden Grenzwerte für Kohlendioxid (CO2) – 95 Gramm pro Kilometer – einzuhalten. Denn seit der Absatz von Diesel-Pkws, die weniger CO2 als Autos mit Benzinmotor ausstoßen, zurückgeht, steigen die durchschnittlichen CO2-Emissionen neu zugelassener Fahrzeuge wieder. Nach 2021 sollen die Neuwagen der Hersteller im Flottendurchschnitt noch weniger als 95 Gramm emittieren: Die EU-Kommission plant, bis 2030 noch einmal um 30 Prozent herunterzugehen.


Technisch im Grenzbereich

Bis 2025 visiert sie als Zwischenschritt 15 Prozent an. Gerade dieses Etappenziel ist „sehr anspruchsvoll“, sagt Hofmann. Es erfordere Veränderungen an Verbrennungsmotoren, „die im technischen Grenzbereich liegen“. Gleichzeitig muss der Absatz von Elektroautos bis 2025 auf etwa 1,5 Millionen steigen. „Von solchen Größenordnungen sind wir aber heute noch sehr weit entfernt.“ 2016 hatten nur 11 410 in Deutschland neu zugelassene Pkws einen Elektroantrieb, das waren nur 0,34 Prozent aller Neufahrzeuge.


Jamaika ist gefordert

Auch die Netzinfrastruktur in Deutschland ist überhaupt nicht auf so eine schnelle Zunahme von E-Mobilen ausgelegt. „Dieses Problem muss die Politik lösen“, fordert Jörg Hofmann. „Die IG Metall sieht die möglichen Jamaika-Koalitionäre in der Pflicht, eine sozial verträgliche Energie- und Verkehrswende auf den Weg zu bringen. Die künftige Regierungskoalition muss eine hoch belastbare Netz-Infrastruktur bereitstellen, die auf erneuerbaren Energien basiert. Ohne ein konkretes Konzept dazu ist jedes Bekenntnis zum Klimaschutz hohles Geschwätz.“


Gewinne von heute für morgen investieren

Wenn der Grenzwert für CO2 bis 2030 um 30 Prozent sinken muss, kann das in Deutschland zu einem Abbau von rund 80 000 Stellen in der Industrie führen. Allein wenn zum Beispiel der Ausstieg aus dem Diesel schneller als geplant verläuft oder wenn es nicht gelingt, die Fertigung der neuen Komponenten und Technologien rund um die Batterien an den hiesigen Standorten zu sichern, könnte die Zahl noch höher liegen.


Gleichzeitig wird es eine drastische Verschiebung von Kompetenzen und Qualifikationen geben. Mindestens jeder zehnte Beschäftigte wird in den nächsten Jahren eine grundlegend neue Qualifikation benötigen. Einen Teil der Milliardengewinne von heute muss die Industrie deshalb zwingend in die Qualifizierung ihrer Belegschaften investieren. „Auch die Politik, fordert Hofmann, “muss diesen Umbruch unbedingt unterstützen, zum Beispiel durch staatlich finanzierte Weiterbildungs- und Beratungsleistungen für die Beschäftigten kleinerer Unternehmen, die damit überfordert wären.„


Lösungen nur mit Beschäftigten

Hofmann ist überzeugt: „Diese klimapolitisch wünschenswerte Transformation kann nur gelingen, wenn die Beschäftigten daran teilhaben können und ihre Beschäftigungsperspektiven erhalten bleiben.“ Die EU-Kommission sagt allerdings bisher nichts dazu, wie ihr Vorschlag beschäftigungspolitisch flankiert werden soll. Auch zum Netzausbau äußert sie sich nicht. Hofmann: „Hier sind uns Brüssel und Berlin Antworten schuldig.“

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