Am 27. Oktober erinnert der Tag der betrieblichen Entgeltgleichheit an die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen. Bei gleicher Qualifikation und gleicher Tätigkeit verdienen Frauen sechs Prozent weniger. Gesamtgesellschaftlich betrachtet verdienen Frauen immer noch 18 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen – hierauf bezieht sich der Tag der betrieblichen Entgelgleichheit.
Anlass genug, sich mal wieder genauer anzuschauen, wo die Ursachen für diese Lohnlücke liegen. Wir haben mit Frauen in Betrieben gesprochen, haben sie nach ihren Erfahrungen gefragt und wir haben uns die Hintergründe angeschaut.
Unfaire Aufstiegsmöglichkeiten
Frauen fehlen in Führungspositionen. Zwar wurde das Führungspositionengesetz 2021 weiterentwickelt und zeigt auch Wirkung, doch beschränkt sich der Wirkungskreis auf Aufsichtsräte und Vorstände der börsenorientierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen.
Die Quote wirkt. Stärker in den Blick müssen auch die Hierarchieebenen genommen werden. Dies bekräftigen auch einige Betriebsrätinnen auf dem 5. Betriebsrätinnentag der IG Metall in Leipzig. In den Betrieben müssen sich Verfechterinnen und Verfechter der Frauenquote und Frauenförderung aber immer wieder rechtfertigen. Hierbei kann es helfen, den sogenannten Thomas-Kreislauf heranzuziehen.
Bis vor kurzem gab es mehr Thomasse und Michaels in Deutschlands Börsenunternehmen als Frauen. Das typische Vorstandsmitglied ist männlich (77 Prozent), deutsch (68 Prozent) und 1971 geboren. Hintergrund: Studien haben bewiesen, dass „Mann“ sich als seinen Nachfolger ein Spiegelbild seiner selbst sucht. So gelangen – ohne Quote – wenig vielfältig immer wieder Abbilder der Thomasse und Michaels in die Nachrückreihen der Vorstände. Das Prinzip lässt sich problemlos auch auf andere Ebenen übertragen (siehe unfaire Arbeitsplatzvergabe).
Unfair eingruppiert
Der Entgeltrahmen-Tarifvertrag (ERA) sichert gleiches Entgelt für gleiche Tätigkeit zu. Wenn auch in den meisten, ist der ERA-Tarifvertrag noch nicht in allen Betrieben und Branchen eingeführt. Eine Beschäftigte berichtet davon, dass in ihrem Betrieb bei gleicher Tätigkeit Frauen immer noch schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen. Sie setzt sich nicht nur weiter dafür ein, dass der ERA-Tarifvertrag bei ihnen eingeführt wird, sondern sichtet auch Daten, um den Vorgesetzten die Ungleichheiten vorzusetzen. „Natürlich prescht da mal wieder eine Frau vor, wenn es um Gleichstellung geht“, sagt sie aus Erfahrung.
Unfairer Wiedereinstieg
Nach der Geburt des Kindes machen viele Frauen schlechte Erfahrungen beim Wiedereinstieg in den Beruf. Laut einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erlebten 6 von 10 der befragten Eltern den Wiedereinstieg in den Beruf negativ – knapp 70 Prozent der Frauen machten diese Erfahrung während es bei den Männern nur 48 Prozent waren.
„Meine Stelle wurde im Zuge meiner Elternzeit ‚umgestaltet‘ beziehungsweise von 50 Prozent auf 25 Prozent reduziert und meine Schwangerschaftsvertretung wurde nach der Elternzeit auf der Stelle belassen“, berichtet eine Frau in einer Studie des DGB zum Thema Mutterschutz und beschreibt damit eine Erfahrung, die viele mit ihr teilen.
Weniger Arbeitsstunden heißen in diesem Fall nicht nur weniger Lohn, sondern auch deutlich weniger Geld, das in die Altersversorge fließt. Laut der DGB-Studie haben die Hälfte der Frauen ihre Arbeitszeit nach der Geburt, Stillzeit und Elternzeit verkürzt. Ohne mehr Vereinbarkeitsangebote wird sich diese Zahl so schnell in Zukunft nicht ändern.
Unfair: Zu wenig Transparenz
Und wie verhält es sich im Betrieb mit dem Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Kolleg:innen? Ungefragt schweigen die Unternehmen meist lieber zu diesem Thema. Umso wichtiger ist es, mal nachzuhaken und dazu haben Beschäftigte auch ein gutes Recht.
Durch das Entgelttransparenzgesetz können Frauen und Männer in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten ihren individuellen Auskunftsanspruch wahrnehmen. Frauen erhalten Auskunft darüber, was Männer verdienen und andersherum.
Der Betriebsrat hat zudem noch die Möglichkeit einen Gleichstellungsbericht anzufordern. Dieser Bericht ist ein Analyse- und Kommunikationsinstrument und kann helfen, ungleiche Bezahlungen sichtbar zu machen.
Unfaire Arbeitsplatzvergabe
Wir erinnern uns an den Thomas-Kreislauf. Ähnlich verhält es sich mit der Vergabe von Arbeitsplätzen. Einstellungen sind häufig „Männersache“ – zum Glück haben Betriebsräte Mitbestimmungs-Werkzeuge bei Personalfragen.
Außerdem wird immer noch in sogenannte „Männer-“ und „Frauenberufe“ unterteilt. Die Wissenschaft hat gezeigt: Sobald mehr Frauen in bestimmte Berufsgruppen drängen, werden diese schlechter bezahlt. Ganz so offensichtlich ist die Ungleichstellung aber nicht immer. Häufig werden Frauen für die gleiche Tätigkeit gleich bezahlt, sind aber nur in bestimmten Berufsfeldern überhaupt vertreten.
„In der Bezahlung sind Männer und Frauen zumindest auf dem Papier gleichgestellt. Schaut man aber zum Beispiel in meinem Bereich genauer hin, sieht man: Bis zu den mittleren Entgeltgruppen ist die Gleichstellung kein Problem, oberhalb wird es aber dünn mit weiblicher Besetzung“, berichtet eine weibliche Kollegin. „Wenn Frauen dann mal in die höheren Etagen kommen, ist meine Erfahrung häufig, dass sie in mutmaßlich weniger relevanten Verantwortungsbereichen eingesetzt werden als Männer.“
So wollen wir mehr Fairness schaffen
Am Ende des Tages gibt es zahlreiche Ursachen, in denen sich Erklärungen für die ungleiche und unfaire Bezahlung von Männern und Frauen finden lassen. Die hier aufgezählten sind bei langem nicht alle. Diese gilt es ausfindig zu machen, sichtbar zu machen und solidarisch Stück für Stück zu bekämpfen – so wie es zahlreiche Metallerinnen und Metaller täglich in den Betrieben tun.
Dazu verschenken wir, die IG Metall, zum Tag der betrieblichen Entgeltgleichheit wieder Gutscheine. Denn was Studien leider auch zeigen: Frauen verhandeln für sich generell weniger Engelt als für andere und sind hierbei weniger durchsetzungsstark als Männer. Wir verschenken daher Seminare, die Frauen darin bestärken sollen, bei Gehaltsverhandlungen für sich einzustehen. Außerdem finden Seminare zu dem Thema Tarifverträge statt. Denn Tarifverträge sind ein echter Gleichstellungsgarant. Die Entgeltlücke ist in tarifgebundenen Betrieben um zehn Prozentpunkte geringer.