Die Zahlen sprechen eine klare Sprache, sie weisen auf ein großes, auf ein wachsendes gesellschaftliches Problem: Die Zahl der Berufstätigen mit exzessivem Alkoholkonsum ist von 2011 bis 2021 um 32 Prozent gestiegen. Unter den 35- bis 39-Jährigen sogar um 88,5 Prozent. Fast ein Drittel trinkt an mehreren Tagen pro Woche Alkohol, 9 Prozent davon täglich.
Riskanter, exzessiver Alkoholkonsum, diese Unterscheidung ist wichtig, ist nicht gleichbedeutend mit einer Alkoholabhängigkeit. Eine Sucht, das zeigt wissenschaftliche Forschung, entsteht zumeist nicht von einem Tag auf den anderen. Sie entwickelt sich langsam, zu Beginn oft unmerklich für die Betroffenen. Später erst, wenn Leidensdruck und Handlungszwang den Alltag bestimmen, wird die Abhängigkeit spürbar, körperlich und physisch. Der Süchtige leidet, die Sucht ist für jedermann sichtbar. Spätestens dann muss gehandelt werden.
Möglichst früh Hilfe anbieten
Denn Suchtmittelmissbrauch hat nicht einzig und allein Folgen für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des betroffenen Kollegen, der betroffenen Kollegin. Das alleine ist schlimm genug. Suchtmittelmissbrauch führt auch zu einer Verschlechterung des Betriebsklimas und gefährdet die Sicherheit am Arbeitsplatz. Durch riskanten oder schädigenden Konsum oder aber durch suchtbedingte Verhaltensweisen entstehen gesellschaftliche und betriebliche Folgekosten. Betriebliche Suchtprävention und Suchthilfe ist deshalb elementar wichtig.
Wichtig ist vor allem, möglichst frühzeitig einzugreifen und Hilfe anzubieten. Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet Arbeitgeber dazu, gesundheitlichen Gefährdungen am Arbeitsplatz, die durch Alkohol, Medikamente, illegale Drogen oder Tabak entstehen, vorzubeugen. Und tatsächlich hat Suchtprävention in den vergangenen Jahren einen immer größeren Stellenwert bekommen. Ziel der Suchtmittelprävention ist, riskantem Konsum vorbeugen. Menschen, die Suchtmittel konsumieren, sollen lernen, verantwortlich mit ihnen umzugehen, damit es gar nicht erst zur Abhängigkeit kommt.
Kontrolle und Verbote reichen nicht aus
Ob und wann eine solche entsteht, hängt von vielerlei Faktoren ab: der spezifischen Wirkung des Mittels, den körperlichen und psychischen Voraussetzungen, dem sozialen Umfeld. Wichtig ist: Suchtverhalten kommt auf allen betrieblichen Ebenen vor – und weist ein weites Spektrum auf. Neben exzessivem Alkoholmissbrauchs hat vor allem riskanter Medikamentenkonsum zugenommen. Viele Beschäftigte greifen auch deshalb zu Pillen, um wachsenden Stress im Beruf auszuhalten. Suchtmittelmissbrauch muss daher immer in Verbindung zur Arbeitssituation gesetzt werden. Kontrolle und Verbote reichen nicht aus.
Für Betriebsräte gibt es vielerlei Handlungsfelder. Sinnvoll ist, vom Initiativrecht Gebrauch zu machen und eine Betriebsvereinbarung auszuhandeln, in der eine Schweigepflicht für Suchtberater sowie Betriebsrat festgeschrieben wird und in der auch geregelt ist, wann und wie mit Betroffenen gesprochen wird und welche Hilfe es gibt.
Beschäftigte umfassend beteiligen
Wichtig sind dazu vorbeugende Maßnahmen: Die Beschäftigten sollten über die Wirkung von Suchtmitteln informiert und Angebote zur Reduzierung des Konsums ermöglicht werden. Sinnvoll kann es sein, wenn es im Betrieb einen eigenen Suchtbeauftragten gibt - eine Expertin, einen Experten, die oder der sich tief ins Thema einarbeitet und mit den Beschäftigten vertrauensvoll ins Gespräch kommt.
Erfolgreich jedoch werden all diese Maßnahmen erst dann sein, wenn die Beschäftigten frühzeitig und umfassend beteiligt werden: Betriebsvereinbarungen zur Suchtprävention und Suchthilfe setzen in der Regel eine intensive Auseinandersetzung im Betrieb mit Suchtfragen voraus: Bedenken hinsichtlich einer sozialen Kontrolle der Beschäftigten müssen in Gesprächen thematisiert, intensiv muss für das Thema „null Promille am Arbeitsplatz“ geworben werden. Wo dies getan wird, kann viel erreicht werden:
Gut eingeführte und systematisch angewandte betriebliche Suchtpräventionsprogramme, das zeigt die Praxis, treffen bei den Beschäftigten auf hohe Akzeptanz: Sie wirken sich positiv auf das Betriebsklima aus. Sie regen einen Lernprozess bei allen Beteiligten an. Sie setzen, im besten Fall, Impulse für eine gesundheitsförderliche Betriebskultur.