Union Busting / BR-Mobbing
Betriebsratsmobbing bei ProMinent: Das berichten Beschäftigte

Abmahnen. Rauskaufen. Kündigen. Fünf Betriebsräte sind bereits weg, sieben weitere sind auf der Abschussliste. Das berichten Beschäftigte: So mobbt der Heidelberger Dosierpumpenhersteller ProMinent Betriebsräte raus. Ihr könnt helfen: Unterschreibt den Brief von Wallraff an Arbeitsminister Heil.

14. Juli 202314. 7. 2023


Fünf Betriebsräte sind bereits raus bei ProMinent in Heidelberg. Drei hielten es nicht mehr aus und unterschrieben einen Abfindungsvertrag. Zwei, darunter der frühere Betriebsratsvorsitzende wurden gekündigt und vor die Tür gesetzt – obwohl das Arbeitsgericht die Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden für nicht rechtens erklärt hat. Sein Nachfolger und dessen Stellvertreter traten nach gerade mal zwei Monaten zurück. Zwei Monate später gab der nächste Betriebsratsvorsitzende auf.

Beschäftigte und Betriebsräte berichten von Drohungen, Abmahnungen und Abfindungsangeboten. Aus Angst wollen sie lieber anonym bleiben.

Der Enthüllungsjournalist Günther Wallraff schreibt nun einen offenen Brief an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, den ihr hier unterschreiben könnt.
 

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger ist Miteigentümer

Besonders brisant: Miteigentümer von ProMinent mit 48 Prozent ist Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA). Er hält sich raus – obwohl auch er Millionen an ProMinent verdient.

Der Boss bei ProMinent ist sein Bruder, Andreas Dulger. Er greift rabiat durch, in „Wildwest-Manier“, kritisiert Mirko Geiger, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Heidelberg. „Wer nicht spurt, dem entledigt man sich.“

 

Betriebsräte wegmobben - Belegschaft kontrollieren

Warum mobben die Geschäftsführer Andreas Dulger und Benedikt Nagel ihre Betriebsräte weg? Damit sie durchdrücken können, was sie wollen. Das haben sie in den letzten Jahren bereits klar demonstriert. Das berichteten uns Beschäftigte und Betriebsräte, die aus Angst vor Repressalien anonym bleiben wollen:

  • Die Löhne sinken, etwa indem neu eingestellte Beschäftigte niedriger eingruppiert – oder gar nicht mehr nach Tarif bezahlt werden.
  • Produkte werden billig ausgegliedert oder verlagert.
  • Der Arbeitsschutz wird missachtet, wie bei dem Corona-Ausbruch im Service-Center Ende 2021.


Protestaktion des Komitees „Solidarität gegen BR-Mobbing“ vor dem Arbeitsgericht Heidelberg

Protestaktion des Komitees „Solidarität gegen BR-Mobbing“ vor dem Arbeitsgericht in Heidelberg.


Gesundheit der Beschäftigten ist egal

Bei der Überprüfung der Schweißarbeitsplätze kam heraus, dass Schweißer giftige (kanzerogene) Dämpfe einatmen, weil die Absaugung falsch installiert war. Dort wo die Absaugung ins Freie führen müsste, parkt Geschäftsführer Andreas Dulger seinen Bentley, Lamborghini oder Porsche.

Als Prominent sein Werk in Irland dichtmachte, kamen die Maschinen zur Produktion von Magnetköpfen, einem essentiellen Bauteil für die Pumpen, quasi über Nacht nach Heidelberg.

„Das kam alles on top bei uns drauf“, erzählen Beschäftigte. „Wir haben erst davon erfahren, als die Maschinen da waren.“ Die Aktion lief ohne Risikomanagement. Wäre hier etwas schiefgegangen, wäre die Produktion stillgestanden.

„Wir hätten das ja mitgestaltet“, sagen Betriebsräte von damals. „Wir hätten das langsam überführen können, parallel ab- und aufbauen.“

Doch die Geschäftsführung drückte die verlagerten Produkte einfach den Beschäftigten von oben auf.
 

Verlagerungen: „40 Prozent kostengünstiger in China“

Zugleich beobachten Beschäftigte, dass immer wieder Produkte wegverlagert werden.

Die Pumpe „Evo 15“ wird in China 40 Prozent kostengünstiger produziert, als der Vorgänger in Heidelberg, dank der tollen deutsch-chinesischen Zusammenarbeit. Diese Jubelmeldung erschien Anfang 2021 im Intranet.

Prominent hat schon seit vielen Jahren weltweit Standorte – auch im chinesischen Daylan. Doch was und wie viel Prominent dort produziert, wissen die Heidelberger Beschäftigten nicht. Auch die Betriebsräte im Wirtschaftsausschuss bekommen dort keinerlei Zahlen.
 

Kein Plan - Führungskräfte kommen und gehen

Über Pläne für die Zukunft erfahren sie auch nichts. Die Beschäftigten und Betriebsräte haben selbst Projekte angeregt. Viele von ihnen sind Spezialisten mit jahrzehntelanger Erfahrung in weltweiten Projekten. Doch die Geschäftsführung hört nicht auf sie.

Und ständig wechseln die Führungskräfte. Es gab fünf Personalleiter in den letzten acht Jahren.

Und immer wieder kommen neue Unternehmensberater, krempeln die Arbeitsprozesse um, ohne mit den Beschäftigten zu sprechen, ziehen wieder ab und hinterlassen Chaos und Stress. Der Betriebsrat hat immerhin erreicht, dass einige Änderungen wieder rückgängig gemacht wurden.

Jetzt ist die nächste Unternehmensberatung da. Die Leonardo Group setzt auf Konzepte des US-Managers Jack Welch (Spitzname „Neutronen-Jack“ in Analogie zu einer Neutronenbombe): Komplettumbau des Unternehmens. Outsourcing und Verkauf von Unternehmensteilen. „Low-Performer“ feuern. Leonardos Motto: „Grausamkeiten bestimmen den Erfolg“.


„Grausamkeiten bestimmen den Erfolg“

Das Resultat: Beschäftigte haben Angst, ihre Ideen oder Kritik zu äußern.

Viele erinnern sich noch an einen Ingenieur, der in einer Betriebsversammlung aufstand und kritisierte, dass die Geschäftsführung das Internet abgedreht hatte. Seine Aufgabe war die Erstellung technischer Dokumentationen, wofür er natürlich auch Online-Zugriff auf die technischen Dokumentationen der Zulieferer-Teile brauchte. „Er ist danach beiseite genommen und unter Druck gesetzt worden“, erinnert sich der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Heidelberg, Mirko Geiger. „Ich habe mit Rainer Dulger gesprochen, damit sie den Kollegen in Ruhe lassen.“

Bald darauf war der Ingenieur weg.

Heute sagt keiner mehr etwas. Innovative, technische Topleute gehen weg. Die Beurteilungen in Arbeitgeber-Bewertungsportalen wie „Kununu“ sind meist verheerend: intransparent, von oben nach unten, unglaubliche Fluktuation, Unmut, Angst.

„Das Unternehmen versteht es nicht, das Wissen der Leute abzuschöpfen“, kritisiert Mirko Geiger. „In der heutigen Zeit muss ich als Unternehmen auf die Belegschaft hören, auch auf kritische Stimmen. Wenn ein Unternehmen das jedoch abbügelt, dann bekomme ich auch keine Innovationen.“
 

70 Millionen Euro Gewinn – Kantinenessen für die Belegschaft

Für die Geschäftsführung läuft das Geschäft derzeit jedoch offenbar glänzend. Das zeigen die Bilanzberichte der letzten Jahre. In Gesprächen nannte Andreas Dulger 70 Millionen Euro Reingewinn im Jahr 2022.

Andreas und auch Bruder Rainer Dulger genehmigen sich jedes Jahr mehrere Millionen von den Gewinnen.

Ja - die Geschäftsführung gönnt auch der Belegschaft was: Die vollen 3000 Euro netto Inflationsausgleichsprämie wurden an einem Stück Anfang 2023 ausgezahlt. (Der Metall-Flächentarif sieht die Zahlung der zweiten Hälfte in Höhe von 1500 Euro erst Anfang 2024 vor). Und über mehrere Monate hinweg gab es kostenloses Kantinenessen – vom Arbeitgeber bezahlt.

Damit wird aber auch die Belegschaft ruhiggestellt und abgelenkt, warnen kritische Beschäftigte bei Prominent. Zwar ist Prominent im Metall-Tarif – und hält sich auch daran. Aber nur im Hauptbetrieb. Auf der Straßenseite gegenüber bei der 2013 ausgegründeten Vertriebsgesellschaft gilt kein Tarif. Unter den rund 100 Beschäftigten sind immer mehr neu eingestellte, die weit unter Tarif bezahlt werden. Einige haben nur halb so viel Geld, wie ihre dienstälteren Kolleg*innen an ihrer Seite. Und die Geschäftsführung drohte auch damit, ebenfalls mit dem Hauptbetrieb aus dem Tarif auszusteigen.
 

So geht Union Busting bei Prominent

Ausstieg aus dem Tarif, Verlagerungen, ständige Wechsel, Angst. So nicht, sagten die Betriebsräte – und mischten sich ein, drohten mit Klagen und setzten sich durch.

Das passt der Geschäftsführung nicht. Vor rund sieben Jahren stellte Andreas Dulger den Geschäftsführer Benedikt Nagel ein, der zuvor als Anwalt bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Hogan Lovells arbeitete. Hogan Lovells ist als „Union Buster“ (Gewerkschaftsvernichter) bekannt und hat bereits in vielen Betrieben im Organisationsbereich der IG Metall die Bekämpfung von Betriebsräten betrieben.

Der Ton gegenüber den Betriebsräten bei ProMinent verschärfte sich: Die „Looser“ kosten zu viel. Dafür werde man der Belegschaft die kostenlosen Parkplätze und die Klimaanlagen wegnehmen. Und der Betriebsrat ist dann schuld.
 

Betriebsräte auf Abschuss

Andreas Dulger sprach offen darüber, wen im Betriebsrat er auf seiner „Abschussliste“ hat.

Zunächst wurden Betriebsräte zu Aufhebungsverträgen mit Abfindung bewegt. Dem Betriebsratsvorsitzenden bot der Geschäftsführer väterlich vom Autotelefon aus an, ihm ein Restaurant auf Mallorca zu kaufen, wenn er geht.

Anfang 2022 trat dann eine neue vom Arbeitgeber unterstützte Liste unter dem Namen „Pro ProMinent“ zur Betriebsratswahl an. Vorgesetze übten vor der Wahl Druck aus.  „Pro ProMinent“ gewann mit sechs Stimmen Vorsprung. Und sofort kündigte die Geschäftsleitung dem bisherigen Betriebsratsvorsitzenden. Vorwand war ein Facebook-Post gegen Union Busting.

Doch das ging anscheinend auch den neu gewählten Betriebsräten von „Pro ProMinent“ zu weit. Der Betriebsrat stimmte einstimmig gegen die Kündigung. Doch die Geschäftsführung machte unablässig Druck, schrieb den neuen Betriebsrat wiederholt an. Nach nur zwei Monaten traten der neue Betriebsratsvorsitzende und sein Stellvertreter schon wieder zurück – und neue wurden gewählt.

 „Mit dem neuen Betriebsratsvorsitzenden sind wir eigentlich sehr schnell ins Gespräch gekommen“, berichtet der Heidelberger IG Metall-Bevollmächtigte Mirko Geiger. „Wir haben Linien der Zusammenarbeit vereinbart – und auch, dass es keine Kündigung des früheren Betriebsratsvorsitzenden geben darf.“


Geschäftsführung missachtet Gerichtsurteil

Nach ein paar Wochen war der neue Betriebsratsvorsitzende dann im Urlaub – und die Zustimmung zur Kündigung des ehemaligen Vorsitzenden erfolgte in seiner Abwesenheit mit knapp 6 zu 5 Stimmen. Zwei Wochen später trat auch der zweite neue Betriebsratsvorsitzende innerhalb von nur vier Monaten nach der Betriebsratswahl zurück.

Der frühere Betriebsratsvorsitzende ging gegen seine Kündigung vor Gericht – und gewann. Die Kündigung ist unwirksam, stellte das Arbeitsgericht fest.

Aber der Geschäftsführung ist das egal. Sie weigert sich bis heute, eine Wiedereingliederungsvereinbarung zu unterzeichnen - und erhält das Hausverbot gegen ihn aufrecht.

Der ehemalige Betriebsratsvorsitzende kam trotzdem für ein paar Wochen in den Betrieb, wo er in einem Glaskasten unter Beobachtung stand und sich bei der Geschäftsleitung an- und abmelden musste.

Als ihn seine Kolleginnen und Kollegen im Betriebsrat vor sieben Jahren zum Vorsitzenden wählten, wollte der Wirtschaftsingenieur und Verfahrensingenieur zuerst gar nicht. Er wollte eigentlich weiter seine Projekte machen, vor allem in Süd- und Mittelamerika, wo er auch einen speziellen Draht zu den Menschen vor Ort hatte. Für den Betriebsrat kandidierte er, weil er als aktiver Metaller mehr soziale Gerechtigkeit im Betrieb erreichen wollte. Und dafür haben sie ihn fertiggemacht.

Auch auf die anderen kritischen Betriebsratsmitglieder übt die Geschäftsführung weiter Druck aus. Sie bekommen Ermahnungen und Abmahnungen. Sie müssen detailliert darlegen, welche Arbeit sie im Betriebsrat machen – und ihnen wird Lohn für die Zeit im Betriebsrat abgezogen. Ihnen wird gesagt, man werde ihnen „das Leben zur Hölle machen“, wenn sie nicht gehen.

Fünf Betriebsratsmitglieder sind bereits raus bei Prominent, sieben weitere stehen noch auf Abschuss.
 

ProMinent muss Rechte der Beschäftigten respektieren

Lange hat Mirko Geiger eine friedliche Lösung gesucht. Vor allem mit Rainer Dulger hat der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Heidelberg immer wieder Gespräche geführt. Der heutige BDA-Arbeitgeberpräsident war früher als Verhandlungsführer der Metallarbeitgeber in Baden-Württemberg stets seriöser Tarif- und Sozialpartner. Doch bei ProMinent hält er sich raus.

„Rainer Dulger wird nichts unternehmen. Das hat er uns ganz offen gesagt“, erklärt Mirko Geiger. „Aber er kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Prominent muss die Rechte der Beschäftigten respektieren.“

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