Ein Tarifvertrag der Vernunft

Bericht aus Geschäftsstelle Sued-Niedersachsen-HarzStimmen aus den regionalen Betrieben zur Umsetzung des Tarifabschlusses

1. Mai 20201. 5. 2020


„Uns geht es gut“, berichtet Betriebsratsvorsitzender Frank Baake von Muli-Color in Hann.- Münden. Rund 320 Beschäftigte arbeiten bei dem Spezialisten für Getränkeetiketten, der für systemrelevante Zulieferer arbeitet. „Wenn wir keine Materialengpässe bekommen, müssen wir wohl keine Kurzarbeit anmelden“, meint Baake.

Die Beschäftigten haben schon vor der Krise unter strengen hygienischen Bedingungen gearbeitet. Diese wurden jetzt zum Schutz der Beschäftigten verschärft. Sollte es dennoch zu Kurzarbeit kommen, greift der Betrieb auf das Maßnahmenpaket des Tarifabschlusses zurück. „Das ist ein Tarifvertrag der Vernunft, der allen Betrieben zugutekommt, die keine Aufzahlungsregelungen zur Kurzarbeit haben“, so Baake.

Als Plus kommt der Tarifvertrag auch bei der Exide in Bad Lauterberg an. „Die Zusammenarbeit mit der Werkleitung läuft in dieser Krise besser“, berichtet Betriebsratsvorsitzende Heike Höche. Der Großteil der 650 Beschäftigten ist bereits von Kurzarbeit betroffen. Auch dort gibt es keine Aufstockung auf das Kurzarbeitergeld.

„Doch die bezahlten zusätzlichen Freistellungstage sind ein riesiger Schritt nach vorne“, so Höche. „Der Tarifvertrag ist in dieser Situation relativ gut. Aber die 350 Euro pro Beschäftigtem und Beschäftigter für den Solidartopf sind bei langer Kurzarbeit zu wenig, vor allem für die unteren Lohngruppen“, ergänzt Betriebsrat Rainer Backhaus.

Betriebsratsvorsitzender Ingo Schlange von der Piller Group in Osterode findet, der „Solidartopf und die fünf freien Tage ›on top‹ gehen in die richtige Richtung“. Bei der Piller Group wurde präventiv eine Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit abgeschlossen. Doch vorweg hatte der Betriebsrat mit der Geschäftsleitung unter anderem das mobile Arbeiten erleichtert und den Arbeitszeitrahmen für den Einschichtbetrieb erheblich von 4 bis 22 Uhr erweitert. Alle anspruchsberechtigten Beschäftigten konnten bereits am ersten Tag der Schul- und Kita-Schließungen den Anspruch auf die acht zusätzlichen Freistellungstage für 2020 trotz Fristablauf nutzen. Zur Vermeidung von Kurzarbeit sollen zunächst die Arbeitszeitkonten mit einer Spanne von 210 Stunden genutzt werden.

In den Unternehmen Mahr Messtechnik und Mahr Metering in Göttingen arbeiten zusammen rund 750 Beschäftigte. Für einen Teil der Beschäftigten gilt bereits seit 1. September 2019 eine Kurzarbeitsvereinbarung, die bis zum 31. August 2020 läuft. „Uns hat die Corona-Krise“ kalt erwischt“, berichtet Betriebsratsvorsitzender Marcel Gail. Das Unternehmen liefert unter anderem Messmittel für Verbrennermotoren. Die Betriebsräte waren gerade mit Unterstützung der IG Metall und der Unternehmensberatung SCI dabei, eine Transformationsvereinbarung vorzubereiten. Gail: „Die Verhandlung liegen zurzeit auf Eis, aktuell müssen wir uns mit der Krise beschäftigen. Zum Glück hatten wir bereits Ende 2019 eine Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung bis zum 31. März 2021 abgeschlossen.“

In dem Familienunternehmen gibt es eine Aufzahlungsregelung. Jeder betroffene Beschäftigte erhält 250 Euro pro Monat bei 100 Prozent Kurzarbeit. „Der Tarifvertrag ist maßvoll“, meint Gail. „Aber wenn der Schulausfall länger andauert, reichen die Freistellungstage nicht aus.“

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Fotos: Jelca Kollatsch, Christian von Polentz, Heiko Stumpe ,A. Vogelsang
Frank Baake, Rainer Backhaus, Marcel Gail, Heike Höche und Ingo Schlange (von links): „Die Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung läuft in der Krise besser.“
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