Mehr selbstbestimmte Zeit für Beschäftigte bei Kelvion

Bericht aus Geschäftsstelle Alfeld-Hameln-HildesheimZwei Betriebsrätinnen zeigen, wie Mitbestimmung teamorientiert, kooperativ und wertschätzend gehen kann.

1. März 20191. 3. 2019


„Wir wollen anders“ könnte das Motto des Führungsduos im Betriebsrat bei Kelvion sein. „Statt Stress setzen wir auf Dialog“. Britta Poloczek, 48, ist seit April 2018 Betriebsratsvorsitzende und hatte vorher nichts mit Gewerkschaften am Hut. Sie hat 2016 als Projektleiterin im Vertrieb bei GEA Ecoflex angefangen. „Bald hat mich die Arbeitsweise des alten Managements verärgert“, erzählt sie. „Man hätte meinen können, die wollen den Standort gegen die Wand fahren.“ Um mitzugestalten, entschloss sie sich, bei den Betriebsratswahlen zu kandidieren und wurde gewählt. Genauso wie Andrea Wolter, 46, aus dem Qualitätsmanagement.

 

Andrea Wolter und Britta Poloczek (rechts): »Im Dialog mit allen Beteiligten entwickeln wir Konzepte und betriebliche Vereinbarungen.«

Andrea Wolter und Britta Poloczek (rechts): „Im Dialog mit allen Beteiligten entwickeln wir Konzepte und betriebliche Vereinbarungen.“ (Foto: Annette Vogelsang)

 

Andrea Wolter ist seit 2006 in der IG Metall und hatte auch keine Erfahrung als Betriebsrätin. Als stellvertretende Betriebsratsvorsitzende zieht sie mit Britta an einem Strang: „Wir gehen die Aufgaben strukturiert gemeinsam im Betriebsratsteam an. Jeder kann sich einbringen.“ Auch zeitlich teilt sie sich die Aufgabe mit Britta, die einen 30-Stunden-Vertrag hat. Montags übernimmt Wolter alleine das Büro und ansonsten arbeitet sie in der Qualitätssicherung und prüft, ob Abweichungen beim Qualitätsstandard vorliegen.

Beide Frauen setzen sich für selbstbestimmte Arbeitszeiten ein, weil sie Wert auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeits- und Privatleben legen. „Und das sollen alle Beschäftigten haben“, meint Poloczek. Gemeinsam mit der neuen Geschäftsleitung haben sie konstruktiv über die Umsetzung des tariflichen Zusatzgeldes verhandelt. 71 Anträge auf acht freie Tage wurden genehmigt, weil die Beschäftigten gute Arbeit leisten und das wertgeschätzt wird.

Bei Kelvion wird in der Produktion in mehreren Schichten gearbeitet. Wolter: „Schichtarbeit ist extrem belastend. Die freien Tage werden dringend zur Erholung gebraucht.“ Insgesamt haben 42 Schichtarbeitende einen Antrag gestellt. 26 Beschäftigte nutzen die freien Tage für die Kinderbetreuung und drei für die Pflege von Angehörigen.

Das Unternehmen profitiert von motivierten Beschäftigten. Bereits heute ist der Krankenstand bei Kelvion rückläufig. „Wenn das Unternehmen künftig Fachkräfte einstellen möchte, sind gute Arbeitsbedingungen ein entscheidender Faktor“, so Poloczek. Die Besetzung von freien Stellen wird zunehmend schwerer. Weil der Markt für gute Schweißer leergefegt ist, plant Kelvion selbst auszubilden. „Wir haben unter anderem erreicht, dass die Auslernenden einen unbefristeten Arbeitsvertrag bekommen „, berichten die Betriebsrätinnen. Außerdem haben sie sich erfolgreich für die Übernahme von Leiharbeitenden eingesetzt.

Das Thema Arbeitszeit ist ein Dauerbrenner, auch bei Kelvion. „Ich wollte von Anfang an einen 35-Stunden- Vertrag. Doch das ging nicht“, erzählt Poloczek. „Hier haben wir noch Handlungsbedarf. Wir wollen, dass die Quote von 18 Prozent bei den 40- Stunden-Verträgen eingehalten wird.“ Viele Beschäftigte in nicht gewerblichen Bereichen würden genauso wie die Schichtarbeitenden mehr selbstbestimmte Zeit zum Ausgleich gegen die Leistungsverdichtung brauchen.

„Wie wir die Themen umsetzen wollen und was gerade aktuell läuft, veröffentlichen wir einmal wöchentlich in unserer Betriebsrats-Info“, erläutert Wolter. „Sie wird an den Schwarzen Brettern ausgehängt und über das Intranet verschickt, damit wir alle erreichen.“

„Die Vertriebler erreichen wir am besten über das Netz“, sagt Poloczek. So informiert der Betriebsrat auch die 100 Beschäftigten aus der Vertriebs- GmbH am Standort, die noch nicht zum Betreuungsbereich gehören. „Wir geben aber trotzdem Tipps.“

Welche Themen künftig vom Betriebsrat ins Visier genommen werden, soll gemeinsam im Team besprochen werden. Poloczek: „In jedem Fall müssen wir uns im Betriebsrat für unsere Aufgaben weiter qualifizieren. Ansonsten werden wir wie gewohnt die Situation analysieren und Konzepte entwickeln.“

 

Profil Kelvion PHE GmbH

- Kelvion PHE in Sarstedt wurde 2015 gegründet und ist eine Tochterfirma von Kelvion in Bochum. Vorher gehörte der Standort zur GEA Group und firmierte unter GEA Ecoflex.

- Beschäftigte: 300, davon 170 im gewerblichen Bereich. Auszubildende: 21. Leiharbeitende: 19

- Produkte am Standort: Plattenwärmetauscher für die Industrie.

- Anerkennungstarifvertrag der Metall und Elektroindustrie.

- Mitbestimmung: Betriebsrätinnen und Betriebsräte (9), Jugend- und Auszubildendenvertretung, Schwerbehindertenvertretung und Vertrauensleute.

- Das tarifliche Zusatzgeld wurde voll umgesetzt: 71 Anträge auf acht freie Tage wurden genehmigt.

 

Kommentare

 

Burkhard Miehe, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Alfeld-Hameln-Hildesheim

Burkhard Miehe, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Alfeld-Hameln-Hildesheim (Foto: IG Metall)

 

„Das neu gewählte Betriebsratsgremium bei Kelvion legt Wert auf eine dialogorientierte Arbeitsweise und sorgt für ein besseres Arbeitsklima. Die Umsetzung des Tarifvertrags um tariflichen Zusatzgeld mit der Wahloption auf acht freie Tage lief problemlos. Damit hat die neue Geschäftsleitung gezeigt, dass sie die Beschäftigten mit ihren Interessen ernst nimmt. 71 Anträge wurden genehmigt. Das motiviert die Belegschaft zusätzlich, weiterhin einen guten Einsatz zu bringen. Doch das Thema Arbeitszeit wird auch künftig noch eine Rolle spielen. Ziel ist unter anderem die Einhaltung der Quote bei den 40-Stunden-Verträgen. Basis ist und bleibt die 35-Stunden-Woche."

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