„Roboter und KI sind immun gegen Corona“

Bericht aus Geschäftsstelle BerlinÜber die Folgen der Pandemie diskutieren Birgit Dietze, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Berlin, und Thomas Wagner, der IG Metall und Betriebsräte in Wirtschaftsfragen berät.

1. Juni 20201. 6. 2020


Haben wir das Gröbste überstanden?

Thomas Wagner: Das dicke Ende kommt noch. Die Corona-Pandemie wirkt wie ein Brandbeschleuniger – auf unser europäisches Miteinander, auf den globalen Handel, auf Unternehmen und Beschäftigte. Große Unternehmen müssen den Bankrott weniger fürchten, der Staat rettet sie im Zweifel. Was aber ist mit dem Mittelstand, etwa den Autozulieferern, die schon aufgrund der Elektromobilität und der Transformation in der Bredouille sind?

Wenn sich der Staat verschuldet, andererseits in den Unternehmen die Wirtschaftlichkeit sinkt, wer bezahlt die Zeche?

Birgit Dietze: Im Moment bezahlen der Staat durch Unterstützungsleistungen, die Unternehmen durch Sparmaßnahmen und die Beschäftigten durch Einbußen. Damit die Unternehmen nicht wahllos den Rotstift ansetzen, muss der sozialökologische Umbau klug vorangetrieben werden.

Wir retten die Unternehmen mit staatlichen Mitteln und am Ende landen Beschäftigte auf der Straße?

Thomas Wagner: Diese Gefahr droht. Wir sollten aber auch die Vorteile sehen. In den USA sind innerhalb von vier Wochen 20 Millionen Menschen arbeitslos geworden. Dank des Kurzarbeitergelds gibt es bei uns kaum Entlassungen. Wenn die Wirtschaft im Herbst wieder anzieht, können Unternehmen wie schon in der Finanzkrise durchstarten.
Birgit Dietze:
Die schnellen öffentlichen Programme und unser Sozialstaatssystem helfen, Arbeitsplätze zu erhalten. Wichtig ist über den Tag hinaus, dass auch die richtigen Akzente beim Wiederauffüllen der Löcher im Staatshaushalt gesetzt werden. Es kann nicht sein, dass angehäufte Schulden allein über die Einkommens- und Mehrwertsteuer hereingeholt werden, das Heranziehen von Vermögens- oder Erbschaftssteuer aber keine Rolle spielt.

Die Corona-Pandemie befeuert Homeoffice. Was bedeutet das für die Beschäftigten?

Thomas Wagner: Roboter und künstliche Intelligenz sind immun gegen das Corona-Virus. Die Pandemie könnte die Automatisierung vorantreiben. Auch vor dem Hintergrund, dass Unternehmen ihre Lieferketten neu organisieren, essenziell wichtige Komponenten wieder eher in Europa oder Deutschland produzieren wollen. Das kann mehr oder weniger Arbeit für die Beschäftigten bedeuten.

Was sind die Gefahren für die Betriebsratsarbeit und ein gutes Miteinander?

Thomas Wagner: Im Unternehmen müssen Beschäftigte stempeln und darüber können Betriebsräte kontrollieren, ob Bestimmungen eingehalten werden. Im Homeoffice fällt diese Kontrolle weg. Das führt zwangsläufig dazu, dass einige Unternehmen ihre Arbeitsprozesse künftig so organisieren werden, um diesen Kontrollverlust auszunutzen.

Welche Antworten gibt es darauf?

Birgit Dietze: Das Recht muss entsprechend Schritt halten mit den neuen Entwicklungen. Mit ihren jeweiligen Stärken arbeiten IG Metall und Betriebsräte gemeinsam an einer sicheren Zukunft und guter Arbeit. Wir informieren, beraten, schulen und denken gemeinsam neue Wege. Gewerkschaftsmitglieder sind Teil der solidarischen Kraft, die dann in Betrieb und Gesellschaft was bewegt.
Thomas Wagner:
Der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann hat gesagt, der Wandel lasse sich nicht aufhalten, aber gestalten könne man ihn sehr wohl. Unsere Stärke ist unsere Innovationsfähigkeit, auf dieser basiert auch unser Wohlstand.

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Fotos: privat/ Christian von Polenttz
Thomas Wagner und Birgit Dietze: „Es gilt, die richtigen Akzente zu setzen, um die Löcher in der Kasse wieder zu füllen.“
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