Normalität und Krise

Bericht aus Geschäftsstelle Göppingen-GeislingenEin Kommentar von Martin Purschke

1. Juni 20201. 6. 2020


Die Sehnsucht nach Normalität ist nach wochenlangem Meiden von sozialen Kontakten groß. Mit Freunden einen schönen Grillabend verbringen, im Verein Sport treiben, an einem Abend einem Konzert lauschen – das und noch vieles mehr wird vermisst. Dazu kommen die Sorgen um das Geld und den Arbeitsplatz. Reicht mein Kurzarbeitergeld, damit ich am Monatsende die Rechnungen bezahlen kann? Was passiert mit meinem Arbeitsplatz, wenn die Krise länger anhält? Also schnell zurück in die Normalität.

Es stellt sich jedoch die Frage: in welche Normalität? Ein Blick zurück hilft: Schließung von Betrieben wie Accuride, Saurer und Schrag. Personalabbau bei Schuler, Allgaier, WMF. Schweizer Group nach kurzer Zeit in der zweiten Insolvenz und bei Fysam arbeiten die Beschäftigten immer noch für Stundenlöhne knapp über zehn Euro.

Wachstum und Gewinnsteigerung war die Normalität vor Corona, auch wenn dies Arbeitsplatzverlust und Billiglöhne bedeutet.

Spätestens seit Anfang April haben fast alle Metallarbeitgeber Kurzarbeit angemeldet. Insgesamt waren im vergangenen Monat im Kreis fast 80 000 Menschen in Kurzarbeit, die Zahl der Erwerbslosen steigt gegenüber dem Vorjahr um 42,4 Prozent. Im Schnellverfahren wurden die Regelungen für Kurzarbeit überarbeitet. Der Zugang für Unternehmen wurde erleichtert, Sozialversicherungsbeiträge für ausgefallene Stunden werden erstattet. Erst auf Druck der Gewerkschaften wurde das Kurzarbeitergeld in Stufen erhöht, was jedoch immer noch erhebliche Lohneinbußen für Kolleginnen und Kollegen bedeutet.

Gut für alle, die unter einen Tarifvertrag mit Aufstockung fallen. In Baden-Württemberg bedeutet dies zwischen 80,5 und 97 Prozent des Nettoeinkommens. Ohne eine solche Aufstockung hat man im Falle von 100 Prozent Kurzarbeit 40 Prozent weniger Lohn in der Tasche.

Die Krise ist schwer und wird voraussichtlich länger andauern. Beschäftigte brauchen auch einen Schutzschirm für den Arbeitsplatz, für das Entgelt und für die Gesundheit. Gewinne der letzten Jahre sind zu investieren, staatliche Hilfen darf es nur geben, wenn es im Gegenzug auch Sicherungen für Beschäftigte gibt.

Gewerkschaftsmitglied zu sein ist in diesen Zeiten wichtiger denn je. Viele Entlastungen und Verbesserungen haben wir bereits durchgesetzt. Das wäre ohne eine starke Mitgliederbasis nicht möglich gewesen. Lass uns gemeinsam dafür sorgen, dass dies auch so bleibt. Denn Zusammenhalten zahlt sich aus und gemeinsam sind wir stark und können vieles erreichen.


Euer Martin Purschke
IG Metall Göppingen-Geislingen
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Foto: IG Metall
Martin Purschke, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Göppingen-Geislingen
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