„Immer älter, niemals alt – immer weiter, niemals halt.“

Bericht aus Geschäftsstelle BremenGerd Bohling ist zum Ehrenmitglied der IG Metall ernannt worden.


Eine Ernennung zum Ehrenmitglied der IG Metall kommt sehr selten vor. Am 8. November 2018 wurde unser Kollege Gerd Bohling vom IG Metall- Vorstand in der Bremer Bürgerschaft mit dieser Auszeichnung geehrt. Damit ist er einer von zwei, der unter bundesweit 2,2 Millionen Mitgliedern diesen Ehrentitel trägt. Voraussetzung für diese Ehrung ist nicht nur seine 70-jährige IG Metall- Mitgliedschaft. Es ist vielmehr die Besonderheit, dass er sein Leben lang und weit über seine Berufstätigkeit hinaus mit Herz und Seele ein engagierter Gewerkschafter ist.

Gerd Bohling ist ein Zeitzeuge bremischer und bundesdeutscher Gewerkschaftsgeschichte, der mit seinen Erinnerungen, Erfahrungen und seiner Gradlinigkeit tief beeindruckt und bewegt. Darauf sind wir sehr stolz.

 

Im Folgenden geben wir mit Interviewauszügen einige Einblicke in sein Leben:

„Ich bin geprägt vom Krieg und der Zeit nationalsozialistischer Repressionen. Die Nazis waren alle Ja-Sager, aber mein Vater brachte mir bei, dass man vor niemandem einen Diener machen muss. Das habe ich mein Leben lang beherzigt.

Der Gewerkschaftstag 1965 in Bremen hat mich stark beeindruckt. Persönlichkeiten wie Willi Bleicher oder Otto Brenner warenmeine Vorbilder. Und als wir uns die Hände gereicht und auf dem Gewerkschaftstag gemeinsam ‘Brüder zur Sonne zur Freiheit’ sangen, da habe ich diese tiefe Solidarität gespürt – das ist mir durch und durch gegangen.

Die IG Metall war früher noch sehr arbeiterlastig. Daher haben wir damals begeistert die Angestelltenarbeit im Betrieb und in der IG Metall aufgebaut. Wir mussten viel Überzeugungsarbeit leisten. Ich habe mir damals aus dem Telefonbuch die Adressen der Beschäftigten rausgesucht, sie besucht und mit ihnen geredet. Wir waren als Angestellte in der IG Metall ein tolles Team. Ich habe über die Jahrzehnte mit vielen guten Kollegen zusammengearbeitet – von Bremen bis Frankfurt.

 

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Foto: IG Metall Bremen

 

Wir waren Verbündete. Nach dem Krieg ging es uns allen schlecht, nichts war selbstverständlich. Alles, was wir heute haben, ist erstreikt worden. Wir haben früher für 10 Pfennig mehr Lohn gekämpft – das ist heute undenkbar. Wenn wir krank waren, gab es tagelang keinen Lohn. Es brauchte erst einen 16-wöchigen Streik, um die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu erkämpfen.

Wir haben damals in der Woche 56 Stunden arbeiten müssen, sogar am Sonntag bis zu 12 Stunden. 1956 haben wir auf dem 1.Mai erstmalig das Plakat hochgehalten „Samstag gehört Vati mir“. Dieses Thema hat uns alle berührt. Und es war ein unbeschreibliches Gefühl, am 1. Mai mit 60 000 Menschen in Bremen durch die Straßen zu ziehen und das Plakat hochzuhalten. Es hat dann noch elf Jahre gedauert, bis wir die 40-Stunden-Woche durchgesetzt haben. Aber wir haben auch das geschafft.

Mein erster Job für die IG Metall im Betrieb war Kassierer. Jede Woche bin ich zu den Mitgliedern nach Hause gegangen, um den Gewerkschaftsbeitrag abzuholen. Die Löhne waren niedrig, der Gewerkschaftsbeitrag lag zwischen 10 und 50 Pfennig. Manchmal musste ich wiederkommen, weil einige Kollegen das Geld nicht hatten. Aber niemand wäre auf die Idee gekommen, aus der Gewerkschaft auszutreten. Es war wichtig, eine Solidargemeinschaft zu haben und sich dafür einzusetzen, die eigene Lebenssituation zu verbessern.

 

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Foto: IG Metall Bremen

 

Solidarität ist für mich ganz, ganz wichtig. Es ist meine tiefe Überzeugung: Wenn wir die Solidarität untereinander aufgeben, dann geben wir uns auf. Und heute, der allgemeine Rechtsruck in der Gesellschaft und dass viele nur noch an sich denken – das geht alles in die total falsche Richtung. Das ist keine Entwicklung, die uns als Beschäftigte stärkt, sondern die uns schwächt.

Mit dieser Auszeichnung habe ich nicht gerechnet. Ich war überrascht und sehr berührt. Und ich bedanke mich bei meiner Frau Annegret, die mich immer unterstützt hat. Ohne das Verständnis meiner Familie hätte ich mich nicht so engagieren können.“

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