Am 1. Februar 2018 waren alle im Ausstand

Bericht aus Geschäftsstelle Sued-Niedersachsen-HarzEin Jahr nach der Warnstreikwelle in der Tarifrunde 2018 erhalten 114 Beschäftigte bei Renold mehr Zeit.


„Jeder Tag ist schön. Deshalb habe ich mich für acht freie Tage statt dem tariflichen Zusatzgeld entschieden“, freut sich Jörg Müller (50). „Endlich mal Dinge in Ruhe erledigen, ohne an die nächste Schicht zu denken.“

 

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Beschäftigte von Renold beim erstenWarnstreik am 15. Januar 2018 für mehr Geld und selbstbestimmte Zeit. Doch die Arbeitgeber blockierten hartnäckig die Verhandlungen. In der drittenWarnstreikwelle legten bundesweit Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie in ausgewählten Betrieben 24 Stunden ihre Arbeit nieder. Bei Renold war die komplette Mannschaft am 1. Februar 2018 im Ausstand: „Die Solidarität war überwältigend.“ (Foto: IG Metall, Heiko Stumpe, Annette Vogelsang)

 

1,5 Millionen Beschäftigte aus der Metall- und Elektroindustrie haben in der letzten Tarifrunde 2018 bundesweit für mehr Geld und selbstbestimmte Zeit gekämpft. Allein im Bezirk der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt haben in der dritten Warnstreikwelle Ende Januar und Anfang Februar 8300 Beschäftigte an ganztägigen Warnstreiks teilgenommen. Renold gehörte zu 15 Betrieben, die 24 Stunden im Warnstreik waren. Betriebsratsvorsitzender Achim Wenzig: „Das hat unsere englische Geschäftsleitung, die an dem Tag in Einbeck war, mächtig beeindruckt.“

Seit Januar 2019 profitieren die Beschäftigten von ihrem Einsatz. Sie können zwischen einem neuen tariflichen Zusatzgeld von 27,5 Prozent eines Monatseinkommens oder acht freien Tagen wählen.

Bei Renold haben sich 114 Beschäftigte für acht freie Tage entschieden. Vier Beschäftigte wollen den Anspruch auf verkürzte Vollzeit wahrnehmen. Sie reduzieren ihre Arbeitszeit für zwei Jahre auf 28 Stunden pro Woche. „Unter den Antragstellern ist auch ein Kollege, der einfach mittwochs zu Hause bleiben möchte“, erzählt Achim Wenzig.

Die Betriebsräte bei Renold hatten bereits im Juni 2018 drei Betriebsvereinbarungen vorbereitet, um die Umsetzung des Tarifabschlusses problemlos zu gestalten. Renold weitet die Quote der 40-Stunden-Verträge nicht aus. Verkürzte Vollzeit kann jeweils zum 1. eines Monates beantragt werden. Die Beantragungsfrist beträgt sechs Monate. Das tarifliche Zusatzgeld wird im September 2019 ausgezahlt.

Morten Schaper (30) könnte als junger Familienvater auch das tarifliche Zusatzgeld gut gebrauchen. Trotzdem hat er sich für acht freie Tage entschieden. „Ich will das Aufwachsen meines Sohnes nicht verpassen.“

Von diesen Vereinbarungen profitieren auch 90 Leiharbeiter von RAS. Die hauseigene Verleihfirma wurde aufgelöst. Seit Januar 2018 haben die Beschäftigten einen festen Arbeitsvertrag bei Renold mit allen tariflichen Leistungen. „Nach mehreren Jahren mit Tarifverträgen zur Beschäftigungssicherung, ist der letzte am 31. März 2018 ausgelaufen“, berichtet Wenzig. „Die Auftragslage ist gut und die Beschäftigten bekommen jetzt etwas zurück nach Jahren des Verzichts.“

 

Zeit für mich!

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Jörg Müller (50) arbeitet als Maschineneinrichter für Spezialketten im Mehrschichtbetrieb. Am 1. Februar 2019 ist er 30  Jahre bei Renold und passt sich dem Takt der Produktion an. Jetzt will er Zeit für sich haben. „Ich möchte dieses Jahres bei mir renovieren. Dasmacht mir Spaß, wenn ich das nicht neben der Schichtmachen muss. Dann ist es Entspannung.“

 

Zeit für Familie!

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Morten Schaper (30) ist Einrichter in der Roboter-Montage. Im Oktober will er mit seiner Frau, dem einjährigen Sohn und seinem Hund in den Urlaub. Mit den acht zusätzlichen freien Tagen und einem Brückentag kann er mit nur drei Tagen Urlaub 14 Tage mit seiner Familie verbringen. „Ich will viel vom Großwerden meines Sohnes erleben. Das kann Geld nicht aufwiegen.“

 

 

Kommentar von Achim Wenzig, Betriebsratsvorsitzender bei Renold in Einbeck, Mitglied im Ortsvorstand der IG Metall:

„Solidarität lohnt sich. Wir waren alle am Anfang der Tarifrunde 2017 und 2018 skeptisch, ob wir unsere Tarifforderung durchsetzen können. Doch die Umfragen der IG Metall und die Berichterstattung in den öffentlichen Medien haben uns bestärkt: Die Menschen wollen Lebenszeit zurück. Arbeitszeitmodelle können nicht länger einseitig zu Gunsten der Unternehmen festgelegt werden. Das abgeschlossene Tarifpaket, vor allem mit der Möglichkeit, statt Geld Freizeit zu wählen, ist ein Einstieg in Arbeitszeitmodelle, die auch die Bedürfnisse der Beschäftigten berücksichtigen. Bei uns haben sich 114 von 415 Beschäftigten für Zeit entschieden. Und der ganztägige Warnstreik hat uns noch mehr zusammengeschweißt. Die Solidariät aus der Region und den anderen Betrieben war berwältigend. Gemeinsam können wir gute Arbeitsbedingungen auch in der digitalen Arbeitswelt mitgestalten.“

 

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