Eine kleine Tarifgeschichte

Bericht aus Geschäftsstelle MindenDer neue Tarifrechner der IG Metall Minden im Praxiseinsatz

1. April 20191. 4. 2019


Dies ist eine Geschichte, die sich so oder so ähnlich abgespielt haben könnte. Sie handelt von jemandem, der beschloss, zukünftig im Mühlenkreis Minden-Lübbecke zu leben. Schön sei es hier, und Arbeit gebe es auch, hatte er gehört. Nennen wir ihn Karl – Kollege Karl, denn er ist schon lange Gewerkschaftsmitglied.

 

Kollege Karl (Karikatur: IG Metall Minden, Foto: Reiner Rogosch)

 

Espelkamp, eine Kleinstadt im Grünen hat es ihm angetan. Kleingewerbe und Handwerk gibt es hier, aber auch Industrie. Zum Teil weltbekannt. Aus Stuttgart, seiner Heimat, kennt Karl Tarifverträge. Damit, so hat er gehört, sei es hier nicht so weit her.

Doch ―  bei einem Autositzehersteller. Da gibt’s Tarif, die sollen sogar schon mal Warnstreiks veranstalten. Aber Karl ist Werkzeugmechaniker, also doch lieber was anderes. Spielautomaten vielleicht? Doch in diese Dinger hat Karl noch keine 20 Euro gesteckt, ist also seine Sache nicht. Aber elektrische Steckverbindungen und elektronische Komponenten von Weltruf. Das klingt interessant. Wie heißt die Firma gleich? Irgendwas mit Ha…, wie dieser Sportler, dieser Diskuswerfer, dieser Robert… Egal ―  der Personaler ist begeistert, gute Werkzeugmechaniker gibt es halt nicht an jeder Ecke, sagt er. Betriebsklima super, Aufstiegschancen - und beim Geld würde man sich schon einig. Karl nimmt den Hochglanzfirmenprospekt, seine Vertragsunterlagen und liest in Ruhe. Hmm, mehr Geld gab es in Stuttgart schon, aber vielleicht ist das Leben hier günstiger? Andererseits – beim Geld hört der Spaß auf und Karls Stirn bekommt immer tiefere Falten. Was tun?

 

Espelkamp_bearbeitet

(Foto: Reiner Rogosch)

 

Seine Gewerkschaft fragen, die IG Metall in Minden ― genau. Und dort erfährt er, Betriebsklima hin, Karriere her, dass die Löhne in dem Unternehmen schon mal 20 bis 25 Prozent unter Tarif liegen können. „Hier“, sagt der Gewerkschaftssekretär, „unser Tarifrechner. Damit kannst Du abhängig von den verschiedenen Arbeitszeiten die Differenz ganz genau berechnen. Ein Facharbeiter bekommt nach Tarif bei uns mindestens 3171 Euro brutto bei einer 35-Stunden-Woche. Dort wird überwiegend 40 Stunden gearbeitet, kannst Du ja mal vergleichen“. Tolles Ding, so ein Tarifrechner, denkt Karl. So richtig aus Pappe, zum Hin-und-Her-Schieben. Endlich mal keine Handy-App. Aber das Ergebnis. „Ist so etwas nicht sittenwidrig“ fragt Karl. „Leider nein“ lautet die Antwort. „Bei Auszubildenden ist 20 Prozent unter Tarif sittenwidrig, bei Löhnen und Gehältern erst ab etwa 30 Prozent“. Nachdenklich verlässt Karl das schöne Gewerkschaftshaus am Mindener Brückenkopf.

Er fährt nach Hause, kommt durch Lübbecke. Dort gibt es auch ein Industriegebiet. Karl denkt: Fragen kostet ja nichts. Und das hat sich gelohnt. Er hat einen neuen Job. Bei einem Hersteller von Holzbearbeitungsmaschinen. Auch weltbekannt. Dort gibt es Tarif, klasse Betriebsklima, Aufstiegschancen. Und gestreikt – nämlich für ihre Tarifverträge ― haben die auch schon mal.

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