FAQ Überstunden
Überstunden – wissen, was Recht ist

Muss ich Überstunden machen? Gibt es einen Anspruch auf Überstundenzuschläge? Was, wenn der Arbeitgeber die Mehrarbeit nicht ausbezahlt? Gewerkschaftsjurist Dr. Till Bender beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Thema Überstunden – und erklärt, was Beschäftigte beachten müssen.

21. August 202521. 8. 2025


Muss ich Überstunden machen?

Nein, Beschäftigte können nicht einfach gezwungen werden Überstunden zu machen. Es braucht eine Grundlage im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder eine absolute Ausnahmesituation. Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen Überstunden und normalen Arbeitsstunden. Wie viel Stunden normal gearbeitet werden muss, ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag oder aus dem Tarifvertrag. Diese sehen eine bestimmte Anzahl von Wochenarbeitsstunden vor. Alles, was darüber hinaus geht, sind Überstunden und müssen nicht geleistet werden, weil sie ja auch vertraglich nicht vereinbart sind. Tarifverträge enthalten häufig auch Regelungen, die eine Definition bei einer flexiblen Lage und Verteilung der Arbeitszeit vorsehen. Nach dem Manteltarifvertrag der IG Metall kann bei dringenden betrieblichen Erfordernissen Mehrarbeit bis zu 20 Stunden im Monat vereinbart werden, wenn der Betriebsrat zustimmt.

 

Dr. Till Bender, Jurist bei der DGB Rechtsschutz GmbH

Dr. Till Bender, Jurist bei der DGB Rechtsschutz GmbH


Was, wenn im Arbeitsvertrag steht, dass alle Überstunden mit dem Lohn abgegolten sind?

Eine Klausel im Arbeitsvertrag, nach der alle Überstunden mit dem üblichen Lohn abgegolten sind, ist unzulässig. Denn es ist nicht klar, wie viele Überstunden damit erfasst sein sollen. Eine zeitlich unbeschränkte Klausel ist unwirksam. Zulässig wäre aber eine Formulierung, mit welcher zum Beispiel „10 Überstunden pro Monat mit dem Gehalt abgegolten sind“. Denn dann ist klar, was der Arbeitgeber verlangen kann und worauf sich der Arbeitnehmer einstellen muss. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat entschieden, dass zehn Überstunden pro Monat bei einer 40-Stunden-Woche mit dem Gehalt abgegolten werden können (Urteil vom 22. Mai 2012 – 19 Sa 1720/11). Gilt ein Tarifvertrag, richtet sich die Abgeltung von Überstunden unabhängig vom Arbeitsvertrag nach den tarifvertraglichen Regelungen.


Muss ich im Extremfall unbegrenzt arbeiten, ohne mehr Geld zu bekommen?

Eine Begrenzung setzt das Arbeitszeitgesetz. Dieses geht von einer maximalen täglichen Arbeitszeit von acht Stunden aus. Die Arbeitszeit darf auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Monaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden täglich nicht überschritten werden. Der Gesetzgeber geht von einer 6-Tage-Woche aus, so dass die Grenze grundsätzlich bei 48 Stunden liegt.

In der Regel sind Überstunden zusätzlich zum normalen Lohn bzw. zum normalen Gehalt zu bezahlen. Wäre es anders, würde der Arbeitnehmer ja mehr Arbeit leisten, als ihm bezahlt wird. Und das ist mit dem Austauschcharakter des Arbeitsvertrags (Arbeit gegen Lohn) nicht zu vereinbaren.


Wie kann ich reagieren, wenn der Arbeitgeber Überstunden anordnet?

Überstunden müssen grundsätzlich nur geleistet werden, wenn diese zuvor vereinbart worden sind. Aus dem Direktionsrecht des Arbeitgebers lässt sich keine Befugnis zur Anordnung von Überstunden ableiten. Ausnahme: In Notfällen, d.h. wenn die Überstunden im Interesse des Betriebes dringend erforderlich sind. Ein Notfall liegt nur dann vor, wenn es sich um ein ungewöhnliches, nicht vorhersehbares Ereignis handelt. Kapazitätsengpässe oder vermehrter Arbeitsanfall reichen als Begründung nicht aus und gehen als Organisationsverschulden zu Lasten des Arbeitgebers. Und natürlich sind die Grenze des Arbeitszeitgesetzes zu beachten.

Wenn im Betrieb ein Betriebsrat besteht, ist dieser vor jeder Anordnung von Überstunden zu beteiligen. Überstunden, die der Arbeitgeber ohne Beteiligung des Betriebsrates angeordnet hat, müssen nicht geleistet werden.


Im Betrieb besteht eine Betriebsvereinbarung, die Überstunden vorsieht, wie sieht es jetzt aus?

Der Betriebsrat kann sein Beteiligungsrecht auch dadurch ausüben, dass er mit dem Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung abschließt. Im betrieblichen Alltag hat das den Vorteil, dass Arbeitgeber und Betriebsrat nicht mehr jede einzelne Überstunde aushandeln müssen. Der Betriebsrat kann zum Beispiel eine bestimmte Anzahl von Überstunden genehmigen, dies geht oft mit der Einführung von Arbeitszeitkonten einher. In diesem Zusammenhang kann auch geregelt werden, in welchem Zeitraum die Überstunden abgebaut werden müssen, wie hoch die Zuschläge sind und ob die Überstunden auszuzahlen oder abzufeiern sind. Gibt es eine Betriebsvereinbarung, so empfiehlt sich, diese zunächst anzusehen, um sich über seine Rechte zu informieren.


Habe ich einen Anspruch auf Überstundenzuschläge und wie hoch sind sie?

Auch diese Frage ist nicht allgemeingültig zu beantworten. Grundsätzlich müssen Überstunden bezahlt werden oder durch Freizeit ausgeglichen werden. Der Arbeitsvertrag beziehungsweise der Tarifvertrag regeln die Arbeitszeit und den Stundenlohn. Regeln zu Überstunden und entsprechender Überstundenvergütung finden sich deshalb ebenfalls im Arbeitsvertrag oder im Tarifvertrag. Hier ist dann auch die Höhe der Zuschläge geregelt. Nach dem MTV Metall und Elektroindustrie beträgt der Zuschlag für die ersten 10 Stunden in der Woche 25 %, jede weitere Stunde ist mit 50 % zusätzlich zu vergüten.

Am 5. Dezember 2024 entschied das Bundesarbeitsgericht (8 AZR 370/20): Teilzeitkräfte haben Anspruch auf Überstundenzuschläge bereits dann, wenn sie ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit überschreiten und nicht erst, wenn sie mehr arbeiten als ein Vollzeitbeschäftigter. Eine tarifliche Regelung, die das anders handhabt, ist rechtswidrig und kann eine mittelbare Geschlechterdiskriminierung darstellen.


Soll ich mir die Überstunden lieber auszahlen lassen oder frei nehmen?

Wenn im Betrieb eine Regelung besteht, die beides zulässt, ist dies letztlich eine Frage der persönlichen Lebenssituation. Viele Beschäftigte wählen die Auszahlung, insbesondere, wenn Zuschläge vereinbart sind. Allerdings führt ein höheres Monatsbrutto automatisch zu einem höheren zu versteuerndem Einkommen. Dagegen ist ein zusätzlicher freier Tag quasi „steuerfrei“. Hier muss letztlich jeder selbst entscheiden, was für ihn günstiger ist. Einige Tarifverträge sehen einen Vorrang für Freizeitausgleich vor. In diesem Fall kommen nur die Zuschläge, nicht die Überstunden selbst, zur Auszahlung.


Ich bin krank beziehungsweise im Urlaub und mein Arbeitgeber zahlt mir nur den Grundlohn. Ist das rechtens?

Bei Urlaub und Krankheit sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer grundsätzlich so zu behandeln, als wenn sie normal gearbeitet hätten. Bei Krankheit gilt das Lohnfortzahlungsprinzip, nach dem Beschäftigten das Arbeitsentgelt fortzuzahlen ist, dass sie erhalten hätten, wenn sie normal gearbeitet hätten. Weil Überstunden aber grade nicht zur „normalen“ Arbeit gehören, sind sie nur dann bei der Entgeltfortzahlung zu berücksichtigen, wenn regelmäßig mehr als die vereinbarte Arbeitszeit angefallen ist. Beim Urlaubsentgelt wird grundsätzlich der durchschnittliche Arbeitsverdienst der letzten 13 Wochen zu Grunde gelegt. Sofern also hier Überstunden geleistet wurden, werden sie beim Urlaubsentgelt berücksichtigt.


Der Arbeitgeber hat zwar keine Überstunden angeordnet, es fällt aber trotzdem viel Arbeit an. Muss er die Mehrarbeit trotzdem zahlen?

Überstunden können auch dadurch entstehen, dass der Arbeitgeber sie stillschweigend duldet. Wenn er sie zwar nicht ausdrücklich anordnet, aber sieht, dass die Mitarbeiter:innen mehr als die normalen Stunden arbeiten, so muss er dies unterbinden, indem er die Beschäftigten nach Hause schickt. Wenn er dies nicht tut, zeigt er damit, dass er mit den Überstunden einverstanden ist und muss sie genauso zahlen, als ob er sie angeordnet hätte.


Der Arbeitgeber zahlt meine Überstunden nicht, was kann ich tun?

Wie jeder Zahlungsanspruch kann auch Überstundenvergütung eingeklagt werden, dabei helfen die Gewerkschaft und der DGB-Rechtsschutz. Es ist für Arbeitnehmer:innen aber zu beachten, dass ihnen die volle Darlegungs- und Beweislast obliegt, was sich ungünstig auf die Erfolgsaussichten auswirkt. Beschäftigte müssen nicht nur beweisen, dass die Überstunden gemacht wurden, sondern auch, dass der Arbeitgeber sie angeordnet oder wissentlich geduldet hat. Auch nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitszeiterfassung (BAG-Urteil 1 ABR 22/21 vom 13.September 2022) liegt die Darlegungs- und Beweislast für geleistete Überstunden weiterhin bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Bei einer Zeiterfassung und einem Überstundenkonto ist dies noch relativ einfach.

Bestehen solche Vorrichtungen nicht, obwohl der Arbeitgeber hierzu verpflichtet ist, müssen Beschäftigte selbst Buch über ihre Arbeitsstunden führen. Es empfiehlt sich, Stundenlisten zu führen und E-Mails oder Anweisungen zu sichern. Eine detaillierte Dokumentation der geleisteten Arbeit ist zwingende Voraussetzung dafür, im Überstundenprozess überhaupt eine Chance zu haben, vage Behauptungen werden vor Gericht regelmäßig abgeschmettert. Zu beachten sind etwaige Ausschlussfristen. Werden diese versäumt, verfallen die Ansprüche.



Info: IG Metall-Mitglieder werden vor den Arbeits- und Sozialgerichten bei Bedarf kostenlos von Juristinnen und Juristen der DGB Rechtsschutz GmbH vertreten. Erste Anlaufstelle bei Problemen ist die IG Metall vor Ort.

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