Zukunft unserer Industrie
Porsche will neue Batteriezellfabrik schließen

Nach nicht einmal drei Jahren will Porsche seine Cellforce-Batteriezellfabrik in Kirchentellinsfurt wieder schließen. 200 von 286 Beschäftigten sollen gekündigt werden. Gemeinsam mit der IG Metall wollen sie für ihre Zukunft kämpfen und gründen jetzt einen Betriebsrat.

26. August 202526. 8. 2025


Die neue Batteriezellenfabrik ist nicht mal fertig. Mehrere Bagger und ein Kran arbeiten noch auf der Baustelle. Doch seit Montag ist klar: Der Autobauer Porsche will die Produktion seiner Tochter Cellforce Group in Kirchentellinsfurt/ Baden-Württemberg schon wieder zumachen – nicht einmal drei Jahre nach der Grundsteinlegung. 200 der 286 Beschäftigten erhalten in den nächsten Tagen ihre Kündigung. Die Fertigung Ende November schließen. Nur die Entwicklung soll vorerst bleiben.
 

200 von 286 Beschäftigten sollen gekündigt werden

Das hat der Porsche-Entwicklungschef ihnen bei einem „Townhall-Meeting“ verlesen. Ganze 23 Minuten hat das gedauert – aber auch nur, weil einige Beschäftigte aufstanden und nachfragten. Für diese 23 Minuten mussten viele Beschäftigte ihre Urlaube unterbrechen. Beschäftigte des Zweigbetriebs in Roding bei Regensburg reisten viereinhalb Stunden mit dem Bus an – und wieder zurück. Doch was mit ihnen konkret wird, wer gekündigt wird – das haben sie heute nicht gesagt bekommen. Abfindungen? Kein Ton. Da haben sie aus den Medien mehr erfahren.

„Dabei haben sie uns immer gesagt: Wir sind eine Familie. Und dann erfährst du aus der Presse vom Aus“, ärgert sich Giovanni C. in die Kamera der Tagesschau, draußen vor dem Verwaltungsgebäude, wo die IG Metall einen Infostand und ihre Road-Show aufgebaut hat. Er war einer der Ersten, die vor knapp drei Jahren in der Beschichtung angefangen haben, voller Motivation für die Zukunftstechnologie Batteriezelle.

Die Start-up-Romantik ist vorbei. Zur Protestaktion mit der IG Metall Reutlingen-Tübingen vor dem Townhall-Meeting sind fast alle gekommen. Beschäftigte aus umliegenden IG Metall-Betrieben sind hier, um ihre Solidarität zu zeigen, die Bürgermeister von Reutlingen und Kirchentellinsfurt, Landtagsabgeordnete der SPD und der Grünen – sowie eine Delegation der Jugend-Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“. Wie kann es sein, dass Porsche diese Zukunftstechnologie aus der Hand gibt?
 

Protestaktion gegen Arbeitsplatzabbau und Schließungspläne der Batteriezellproduktion bei Cellforce.
 

Jetzt Wahl eines Betriebsrats

Immer mehr Cellforce-Beschäftigte treten in die IG Metall ein. Aktuell bereiten sie mithilfe der IG Metall Reutlingen-Tübingen die Wahl eines Betriebsrats vor. Über 20 Beschäftigte stehen bereits als Kandidatinnen und Kandidaten auf der Liste. Ihren Wahlvorstand für die Betriebsratswahl haben sie bereits mithilfe der IG Metall gewählt.

Mehrere Beschäftigte hatten sich in den letzten Wochen bei der IG Metall Reutlingen-Tübingen gemeldet, nicht nur aus der Produktion, sondern auch aus der IT, aus der Entwicklung und der Verwaltung.

Sie sind bitter enttäuscht. Viele von ihnen haben ihren alten Job gekündigt, weil sie von dem Projekt Cellforce überzeugt waren. Einige kommen von weit her, aus der Slowakei, aus den USA. Bis vor ein paar Monaten hat Cellforce sogar noch Leute eingestellt, erzählt der neu gewählte Wahlvorstand David R., der in der IT arbeitet – sichtlich angefasst. „Mein Onkel hat seinen alten Job nach 22 Jahren gekündigt und ist erst im Frühjahr zu uns gewechselt. Ich habe ihm gesagt: Komm zu uns. Und jetzt das.“
 

Schlingerkurs von Porsche – und der Politik

Warum die Muttergesellschaft Porsche jetzt plötzlich die Reißlinie zieht, versteht anscheinend nicht einmal die Cellforce-Geschäftsleitung. Klar sind die technologisch sehr anspruchsvollen Hochleistungs-Batteriezellen von Cellforce (unter anderem mit Silizium statt Graphit auf der Anodenseite) noch nicht reif für die industrielle Serienfertigung.  Aber wie soll das auch gehen – in nicht einmal drei Jahren den Vorsprung der chinesischen Konkurrenz auf- oder gar zu überholen?

Erschwerend kommt der Schlingerkurs des Porsche-Managements bei der Zellform hinzu. Das berichten Beschäftigte: Erst sollten es sogenannte Pouch-Zellen werden (flexible Taschen), dann doch wieder feste, erst prismatische, dann wieder runde.

„Wir haben trotz allem gut entwickelt, unsere Zellen funktionieren gut. Aus meiner Sicht wären wir in ein paar Monaten so weit“, meint ein Beschäftigter aus der Entwicklung. „Porsche bräuchte hier einen längeren Atem. Die Chinesen haben Jahrzehnte in die Entwicklung gesteckt.“

Dabei hat Porsche Geld, trotz des jüngsten Gewinneinbruchs. Noch im Mai hat die Porsche AG 2,1 Milliarden Euro Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet.

Dazu kommen staatliche Fördergelder: Vom Land Baden-Württemberg sind bereits 60 Millionen Euro geflossen. Über 800 Millionen Euro von der EU sind bereits zugesagt. Doch Porsche will nun laut Berichten der Beschäftigten die neue Fabrikhalle samt der teuren Spezialmaschinen verkaufen.

Porsche investiert lieber wieder in Verbrenner – das bringt kurzfristig mehr Gewinn, zumal ja auch die Politik einen Schlingerkurs fährt und das Aus für den Verkauf neuer Verbrenner 2035 wieder in Frage stellt.
 

Porsche will Fakten schaffen

Die Entscheidung von Porsche ist aus Sicht der Beschäftigten und der IG Metall ein großer Fehler. Sie wollen für die Zukunft der Batteriezellfertigung in Kirchentellinsfurt kämpfen. Doch Porsche schafft Fakten, hat bereits Massenentlassungen bei der Arbeitsagentur beantragt und die Kündigungen verkündet. Und da dies vor der anstehenden Betriebsratswahl passiert sei, könne der neue Betriebsrat darauf keinen Einfluss mehr nehmen (etwa indem er einen Sozialplan mit fairen Abfindungen nach dem Betriebsverfassungsgesetz erzwingt), erklärte das Porsche-Management den Beschäftigten im Townhall-Meeting. „Die haben miteinander auf der Bühne gelacht“, schimpft eine Beschäftigte aus der Verwaltung, die für den Betriebsrat kandidieren will.

„Über drei Jahre lang hat Porsche für die Cellforce Group Fördermittel in Millionenhöhe kassiert – und nun, mitten in der Urlaubszeit, sollen nahezu alle Beschäftigten rausgeschmissen und die Batteriezellfertigung in Kirchentellinsfurt beendet werden. Das ist kein guter Stil!“, kritisiert Kai Lamparter, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Reutlingen-Tübingen. „Die Empörung und Wut der Kolleginnen und Kollegen sind daher absolut berechtigt. Noch vor zwei Wochen haben die Beschäftigten den Weg für einen Betriebsrat geebnet, um ihre Zukunft selbst mitzugestalten. Und jetzt will Porsche Fakten schaffen – mit einer Massenentlassung, ohne jede Rücksicht auf die Belegschaft. Das ist ein Frontalangriff auf die Mitbestimmung. Wir fordern Porsche und Cellforce auf, endlich Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam mit dem künftigen Betriebsrat, der IG Metall sowie Politik und Wirtschaft tragfähige Lösungen zu entwickeln. Es geht um die Zukunft der Batteriezellfertigung in Kirchentellinsfurt und der von hunderten Beschäftigten.“


Beschäftigte kämpfen für ihre Zukunft – und die des Industriestandorts

Das Vorgehen von Porsche lassen sich die Beschäftigten nicht bieten. Sie wollen für ihre Batteriezellfabrik kämpfen. Die IG Metall steht hinter ihnen.

„Die Beschäftigten protestieren nicht nur für ihre Arbeitsplätze, sondern auch für die Zukunft der Batteriezellproduktion in Deutschland“, macht Barbara Resch, Bezirksleiterin der IG Metall in Baden-Württemberg klar. „Eine Entscheidung gegen die Batterieproduktion ist eine Entscheidung gegen Innovation, gegen Zukunft und gegen den Industriestandort Baden-Württemberg. Cellforce wurde als Leuchtturmprojekt für Hochleistungsbatterien aufgebaut – wer jetzt den Stecker zieht, verspielt nicht nur Vertrauen, sondern auch technologische Souveränität. Wir brauchen Investitionen in Forschung, Entwicklung und Produktion – keine kurzfristigen Rückzieher.“

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