Es gibt Licht und Schatten

Deutsche Firmen sind beliebt bei Investoren aus dem Reich der Mitte. Meistens verfolgen die Geldgeber hierzulande eher langfristige Interessen. Bei aktiver Beteiligung der Arbeitnehmervertreter kann sich das positiv für Arbeitsplätze und Aufträge auswirken – so wie bei dem Sitzehersteller Grammer.

1. Oktober 20181. 10. 2018
Marina Helmerich


Eineinhalb Jahre suchten Horst Ott von der IG Metall und der Betriebsrat mit nach einem neuen Investor für Grammer. Das Unternehmen im bayerischen Amberg, das Sitze für Traktoren und Komponenten für Autositze herstellt, drohte von der bosnischen Hastor-Gruppe übernommen und zerschlagen zu werden. In China wurde man nach längerem Suchen fündig. Der Konzern Jifeng war bereit, seinen Aktienanteil an Grammer auf 84 Prozent zu erhöhen. Vor dem Einstieg verhandelten IG Metall, Geschäftsführung und der chinesische Inves­tor über eine Vereinbarung.


Betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen

Aufgrund der Übernahme sind betriebsbedingte Kündigungen bei Grammer für siebeneinhalb Jahre ausgeschlossen. Tarifverträge bleiben unangetastet und Standorte werden nicht geschlossen. Nach dem Einstieg atmete die Belegschaft auf. „Das Unternehmen ist jetzt wieder in ruhigerem Fahrwasser. Die Zeichen stehen auf Wachstum. Unternehmen wie Daimler schließen wieder langfristige Lieferverträge mit Grammer“, sagt Ott, der auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Unternehmens ist.

 

Sitzhersteller Grammer in Amberg

Sitzehersteller Grammer in Amberg (Foto: Grammer AG/dpa/pa)

 

Chinesische Investoren gehen hierzulande, salopp gesagt, gern auf Shoppingtour. Besonders beliebt sind Unternehmen in den Schlüsselbranchen Robotik, Biomedizin, Luftfahrt, Energiesysteme und alternative Antriebstechnologien für Autos. Vergangenes Jahr war China der drittgrößte Investor in Deutschland nach den USA und Frankreich. 2017 wurden 47 Transaktionen verzeichnet.


Im Saldo positiv

In den meisten Fällen bleiben Mitbestimmung und Tarif­standards nach dem Einstieg chinesischer Investoren unangetastet. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung belegt: Es ­werden oft Arbeitsplätze aufgebaut, und zwar nicht nur in der Fertigung, sondern auch in der Entwicklung. Den Beleg­schaften geht es mit den neuen chinesischen Eigentümern überwiegend besser als mit kurzfristig orientierten Finanzinvestoren. Positiv ist auch der verbesserte Zugang zum chinesischen Absatzmarkt. Teilweise werden wie bei Grammer weitreichende und langfristige Garantien und Zusagen abgeschlossen. Wichtig ist, dass die Arbeitnehmer­vertreter von Anfang an beteiligt werden. Denn mit der deutschen Mitbestimmung haben viele chinesische Investoren keine Erfahrung. Die chinesischen Manager haben oft in den USA studiert und kennen das deutsche Betriebsverfassungsgesetz nicht. Es geht ihnen jedoch weniger darum, schnell Gewinne zu machen, als um langfristige Geschäfts­beziehungen.

Insgesamt sollen Übernahmen künftig allerdings kritischer unter die Lupe genommen und auf sicherheits­politische Bedenken oder Wettbewerbsverzerrungen infolge gezielter staatlicher Subventionen überprüft werden. Mit Verweis auf deutsche Sicherheitsinteressen wurde erst vor Kurzem die Übernahme des westfälischen Werkzeugmaschinenherstellers Leifeld vom Wirtschaftsministerium unterbunden. Horst Ott plädiert nach den Erfahrungen bei Grammer jedenfalls dafür, sich jeden einzelnen Investor genau anzuschauen, unabhängig vom Herkunftsland. Wichtig ist der regelmäßige Austausch zwischen Arbeitnehmervertretern und Eignern auf Vertrauensbasis.

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