Gute Arbeit!
Betriebsräte-Preis 2023 – Das sind die Nominierten

Am 9. November ist es so weit: Im Bonner Bundestag zeichnet die Fachzeitschrift „Arbeitsrecht im Betrieb“ Betriebsräte für ihre vorbildliche Arbeit mit dem Deutschen Betriebsrätepreis aus. Im Rennen sind auch drei Projekte aus dem Bereich der IG Metall.

6. Juni 20236. 6. 2023


Es war nicht immer einfach, die Projekte voranzutreiben. Aber es hat sich gelohnt. Und am Ende war es erfolgreich: Insgesamt drei Projekte aus dem Bereich der IG Metall sind in diesem Jahr nominiert für den Deutschen Betriebsräte-Preis 2023. Die offizielle Ehrung der Preisträger findet am 9. November 2023 in Bonn im Rahmen des 20. „Deutschen BetriebsräteTags“ statt. Schon jetzt lässt sich sagen: Bei allen Unterschieden, die die Projekte auszeichnet, vereint sie doch der genaue Blick auf die Wünsche und Bedürfnisse der Beschäftigten, verbindet sie alle die Kraft, zusammen mit Kolleginnen und Kollegen etwas zu bewegen und gemeinsam im Betrieb gute Regelungen durchzusetzen. Die Projekte zeigen eindrucksvoll, dass es sich lohnt, durchzuhalten – und mit den Beschäftigten innovativ, kraftvoll und solidarisch zu handeln. 


Im folgendem stellen wir die drei nominierten Projekte, in alphabetischer Reihenfolge, vor.

ArianeGroup GmbH, Bremen

Der Handlungsdruck war gewaltig: Ende 2021, Anfang 2022 war es, da meldeten sich Kolleginnen und Kollegen am ArianeGroup Standort Bremen bei ihren Führungskräften und dem Betriebsrat. Die Beschäftigten klagten über große Belastungen am Arbeitsplatzt. Für den Betriebsrat war klar, dass ein zu hohes Arbeitsvolumen auf eine zu dünne Personaldecke trifft - und dass deshalb Maßnahmen geschaffen werden müssen, die die Belastungen der Beschäftigten wirksam reduzieren.

In den darauf folgenden Wochen arbeitete der Betriebsrat daher einen strategischen Plan gegen Überlastung aus - und verhandelte mit dem Arbeitgeber eine freiwillige Betriebsvereinbarung, mit der Beschäftigte unkompliziert übergroße Belastungen am Arbeitsplatz anzeigen können. Die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber waren erfolgreich: Neben einem zweistufigen Interventionsverfahren, welches darauf abzielt, frühzeitig Belastungssituationen anzusprechen und zu entschärfen, regt die Betriebsvereinbarung auch konkrete Maßnahmen an, mit denen präventiv gegen Belastung vorgegangen werden kann. 

Erfolgreich konzipiert, ausgehandelt und eingeführt konnte die Vereinbarung auch deshalb werden, weil der Betriebsrat die Erfahrungen betroffener Kolleginnen und Kollegen berücksichtigt und die Expertise eines beratenden Rechtsanwalts eingefügt hat. Auch die Rückmeldungen der Geschäftsleitung waren äußerst positiv. Noch in der Woche nach Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung wurde die Belegschaft informiert. In der dann folgenden Betriebsversammlung am 16. März 2023 wurde die Betriebsvereinabrung gemeinsam von Betriebsrat und Personalstandortleitung vorgestellt.

Die Vereinbarung zeichnet sich dadurch aus, dass betroffene Beschäftigte sich formlos per E-Mail, Anruf oder im direkten Gespräch an einen Betriebsrat des Vertrauens oder die Personalabteilung wenden können, um das Verfahren zu starten. Es wird dann ein Umfeld geschaffen, in dem Beschäftigte und Führungskräfte offen und geschützt über Belastungssituationen sprechen können, um anschließend Unterstützung vom Unternehmen zu erhalten. Die Initiativrolle liegt dabei ganz bei den Beschäftigten: Betroffene Kolleginnen und Kollegen initiieren das Verfahren, können es jederzeit stoppen, entscheiden, welcher Betriebsrat involviert wird und ob etwaige private Ursachen zur Sprache kommen.

Die ausgehandelte Betriebsvereinbarung konzentriert sich nicht einzig auf akute Fälle, sie regelt dazu auch präventive Maßnahmen: Es werden eine Reihe von konkreten Maßnahmen aufgelistet, die am Arbeitsplatz umzusetzen sind und die bereits dazu führen, dass es bestenfalls gar nicht erst zu einer Belastungssituation kommt. Dazu wird Wert auf Nachhaltigkeit gelegt: Der Wirkungsgrad der getroffenen Maßnahmen wird anonymisiert evaluiert und einmal jährlich in der Arbeits- und Gesundheitsschutz-Kommission des Betriebsrats vorgestellt.

Siemens AG, München

Fragen rund um das Thema Künstliche Intelligenz (KI) gibt es viele, Antworten zu dieser neuen Technologie sind aber nicht leicht zu finden. Gerade deshalb ist es so wichtig, Orientierung zu ermöglichen, gemeinsam Hilfestellung bei der Beurteilung von KI-Systemen zu geben und Chancen und Risiken dieser neuen, leistungsstarken Technologien abzuwägen. Genau das hat der Siemens-Gesamtbetriebsrat getan.

Mittels Steckbriefe – sogenannter Artificial Intelligence Cards, kurz AI-Cards – werden die komplexen Herausforderungen bei der Einführung von KI-Systemen im Unternehmen handhabbar. Mit AI-Cards als Steckbrief eines KI-Systems können Fragen zu den Auswirkungen der KI-Anwendungen gestellt und beantwortet werden. Auf diese Weise wurde eine Orientierungshilfe geschaffen, die schon vor einer gesetzlichen Regelung Mindeststandards bei der Einführung von KI garantiert.

Zu Beginn des Projektes gründete der Siemens-Gesamtbetriebsrat einen „Sonderausschuss KI“, der die Erwartungen der Mitbestimmung, des Geschäfts und die Personalorganisation zusammenbringen und eine Lösung für den verantwortungsvollen Umgang mit KI-Technologien finden sollte. Der Ausschuss suchte daraufhin im Unternehmen nach geeigneten Ansprechpartnern. In den Zentralabteilungen Technologie und IT fanden sich Unterstützer, die die Notwendigkeit erkannten, einen neuen Prozess aufzusetzen, der die Herausforderungen der KI aufgreift und die Erwartungen aller Beteiligten erfüllt.

In gemeinsamer Abstimmung wurden die Fragen der AI-Cards entwickelt, mit der Personalorganisation getestet und angepasst. Der Gesamtbetriebsrat bestand darauf, auch in ethische Fragestellungen eingebunden zu werden. Ziel war es, KI mit verantwortungsvollem Design, einen verantwortungsvollen Einsatz sowie die Überprüfung von qualitativ hochwertigen KI-Systemen sicherzustellen. Auch Menschen, die keine echten KI-Experten sind, sollte es möglich sein, die Systeme beurteilen zu können.

Durch das Projekt angeregt wurde vor allem die Schulung relevanter Einheiten und ein ständiger Wissenstransfer. Durch den Diskurs lernten und lernen die Beteiligten gemeinsam die Fähigkeiten und Grenzen angewandter KI-Technologien einzuschätzen und die Verantwortung für die Anwendungsszenarien und die verwendete Technologie zu übernehmen.

Im Endergebnis sind die AI-Cards ein frühes gemeinsames Instrument, um ein gemeinsames Verständnis sowie eine gemeinsame Wissensbasis für gezielte Nachfragen zu erlangen. Die wesentlichen Fakten, Vorteile und möglichen Risiken von KI-Anwendungen sind jetzt strukturiert dokumentiert.

ZF Friedrichshafen AG, Ahrweiler 

Die Katastrophe ereignete sich am 14. Juli 2021. Die Flut, die den Landkreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli heimsuchte, war verheerend für die gesamte Region – auch für den Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen am Standort Ahrweiler. Das Wasser stand über drei Meter hoch im Werk, Autos, Wohnwagen, Tanks und Bäume trieben durch die Produktionshalle. Die Beschäftigten der Nachtschicht konnten sich in die oberen Etagen retten. Das Werk in Ahrweiler aber wurde komplette überflutet. Alle Anlagen wurden zerstört.

Nach diesem Schock folgt eine weitere Hiobsbotschaft: ZF kündigt an, das Werk in Ahrweiler nicht wieder aufbauen zu wollen. Stattdessen sollte der Betrieb in ein Schwesterwerk nach Koblenz verlagert werden.

Gegen diese Pläne läuft der Betriebsrat, Hand in Hand mit den Beschäftigten, Sturm: Es gibt Proteste, laute Proteste. Politik, Presse und Öffentlichkeit werden informiert. Natürlich wird der Gesamtbetriebsrat einbezogen. Das Projekt, das der Betriebsrat in die Wege leitet und das auch mit umfassender Medienarbeit vorangetrieben wird, trägt den Titel „Neustart nach der Flut.“ Dieser Neustart ist beeindruckend gelungen.

Dem Betriebsrat gelingt es zuerst, eine Verfahrensweise zu vereinbaren, in der eine Suche nach einem neuen Standort geregelt wird. Durch diese Vereinbarung wurden mehrere Grundstücke gefunden, die im näheren Umfeld liegen. Über eine Auswahlmatrix wurde schließlich ein Grundstück in Brohltal favorisiert. Letztlich gelingt es auch, eine Eckpunktevereinbarung zu beschließen, die einen Neubau im Brohltal vorsieht - und die dazu eine Beschäftigungssicherung für die Belegschaft bis Mitte 2026 beinhaltet.

 

Deutscher Betriebsräte-Preis

Eine Initiative der Zeitschrift "Arbeitsrecht im Betrieb"
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