Gute Arbeit!
Betriebsräte-Preis – Das sind die Nominierten

Die Jury hat getagt, die Nominierten stehen fest: Aus dem Bereich der IG Metall haben es fünf Projekte in die Endrunde des „Deutschen Betriebsräte-Preis 2025“ geschafft. Die Verkündung und Preisverleihung findet am 6. November in Bonn statt.

13. Juni 202513. 6. 2025


Die Gestaltung einer Vereinbarung zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Betrieb, das Durchsetzen eines innovativen Arbeitszeitmodells oder die erfolgreiche Standortsicherung bis 2028: Keine Frage, die für den Deutschen Betriebsräte-Preis 2025 nominierten Projekte aus dem Bereich der IG Metall weisen eine breite Spannweite auf. Gemeinsam aber ist ihnen solidarisches Handeln, ein genauer Blick auf die Wünsche und Bedürfnisse der Beschäftigten – und die Kraft, gemeinsam gute Regelungen durchzusetzen.

Im folgendem stellen wir die fünf nominierten Projekte in alphabetischer Reihenfolge vor.


Im folgendem stellen wir die fünf nominierten Projekte in alphabetischer Reihenfolge vor.

AGCO Fendt GmbH

Die Ausgangslage war ein Stück weit deprimierend, die Notwendigkeit zu handeln groß: Beim Landmaschinenbauer AGCO Fendt in Marktoberdorf im Allgäu war die Wahlbeteiligung bei der Betriebsratswahl 2022 die mit Abstand schlechteste seit Jahrzehnten. Zudem war die Öffentlichkeitsarbeit des Betriebsrats nicht sichtbar, kaum existent. „Die Belegschaft hatte ein sehr negatives Bild des Betriebsrates und kein Verständnis für die Arbeit und die Erfolge des Gremiums“, sagt Michael Schnitzer, der Gesamtbetriebsratsvorsitzender des Unternehmens. „Wir mussten etwas tun.“

Sie haben etwas getan. Und das sehr erfolgreich.

„Wir haben zunächst in einem Auftaktseminar zur Öffentlichkeitsarbeit insgesamt zwölf interessierte Betriebsräte geschult, um die Wichtigkeit und das Handwerkszeug für gute Öffentlichkeitsarbeit zu schaffen“, sagt Schnitzer. Hier wurden die Weichen für eine nachhaltige und zielgerichtete Arbeit gestellt. „Kontinuierliche Verbesserung der Umsetzung und eine letzten Endes agile Arbeitsform haben dazu geführt, hochprofessionelle Arbeit rund um den Betriebsrat zu etablieren.“

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Der Betriebsrat am Standort hat eine breite Palette wirksamer Öffentlichkeitsarbeit aufgebaut. Es gibt einen monatlichen Podcast, wöchentliche Aushänge, Videokampagnen, den Start von Instagram und TikTok sowie das Bespielen einer eigenen Onlineplattform und schließlich der Einsatz von Mentimeter-Umfragen bei Betriebsversammlungen.

„Das alles hat eine hohe Zustimmung in der Belegschaft gebracht. Die Wahlbeteiligung ist deutlich gestiegen, die Teilnahme an Versammlungen hat sich extrem erhöht“, sagt Michael Schnitzer. „Wir sind darüber sehr glücklich und werden auf diese Weise weitermachen.“

John Deere, Werk Zweibrücken

Die Nachricht kam am 4. September 2023, sie war hart, unmissverständlich. „An diesem Tag hat der Arbeitgeber uns als Betriebsrat über das rückläufige Bauprogramm informiert und die daraus resultierenden Maßnahmen erläutert“, sagt Marc Möller, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende von John Deere im Werk Zweibrücken. In der Summe hatten sie am Standort einen Personalüberhang von 94 Mitarbeitern. „Bedingt durch unseren Saisonbetrieb haben wir dazu seit 2014 neue Mitarbeiter nur noch auf der Basis von 32 Stunden Verträgen eingestellt. Die Belegschaft und wir als Betriebsrat waren mit der Situation nicht zufrieden“, sagt Möller. „Wir wollten wieder beteiligungsorientiert ein einheitliches Arbeitszeitmodell vereinbaren. Und natürlich wollten wir auch betriebsbedingte Kündigungen verhindern.“

Das ist dem Betriebsrat gelungen. Und noch mehr als das.

„Wir haben einen umfassenden Prozess aufgesetzt, sind mit einer zweitägigen Klausur gestartet. Aus dieser Klausur sind wir mit einem ersten Entwurf einer Betriebsvereinbarung an den Arbeitgeber herangetreten“, sagt Marc Möller. Es war der Beginn der Verhandlungen, die der Betriebsrat erfolgreich abschließen konnten – äußerst erfolgreich sogar.

Es gelang, den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen durchzusetzen sowie eine Arbeitszeitverkürzung mit einem Lohnausgleich und Weiterqualifizierung der Beschäftigten. Weiterhin konnte nun ein einheitliches Arbeitszeitmodell geschaffen werden, das Sicherheit und Flexibilität vereint. Durch dieses Arbeitszeitmodell kann der Betriebsrat nun flexibel auf die immer wieder schwankende Auftragslage reagieren, ohne dass sich die Beschäftigte sorgen um ihren Arbeitsplatz machen oder Entgeltverluste in Kauf nehmen müssen. 

„Darüber hinaus sind wir durch die Umwandlung des T-ZUG A und des Transformationsgeldes gut für kommende Krisen gewappnet“, sagt Marc Möller. „Dieses Entgelt entspricht 10 Tagen und der Arbeitgeber gibt 5 zusätzliche Tage hinzu.“ IG Metall Mitglieder erhalten einen zusätzlichen freien Tag, also insgesamt 16 Tage. „Dieser innovative Ergänzungstarifvertrag ist einmalig und könnte auch bei Anwendung in anderen Betrieben Beschäftigung in Krisenzeiten sichern.“

Und sollte diese Flexibilität einmal nicht ausreichen und das Instrument der Kurzarbeit angewendet werden, wird das Kurzarbeitergeld bis auf 97 Prozent aufgestockt. „Wir haben viel erreicht und wir werden den Weg zusammen mit den Beschäftigten weiter gehen“, sagt Marc Möller. „Gemeinsam sind wir stark.“

Erwin Hymer, Bad Waldsee

Beim Freizeitfahrzeughersteller Erwin Hymer in Bad Waldsee ist die Belegschaft damit konfrontiert, dass immer mehr Software mit KI-Funktionen eingeführt werden, es immer mehr Module gibt, die Künstliche Intelligenz beinhalten. „Das wirkt sich ganz direkt auf die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen aus“, sagt Silvio Petschull, der stellvertretende Konzernbetriebsratsvorsitzende. „Wir haben uns deshalb vorgenommen, mit der Geschäftsleitung eine Rahmenkonzernbetriebsvereinbarung zu verhandeln, die den Beschäftigten klare Regelungen für den Einsatz von KI in unseren Arbeitsalltag an die Hand gibt.“

Die Vereinbarung konnte geschlossen, gute Regelungen im Sinne der Belegschaft durchgesetzt werden.

Die jetzt geschlossene Vereinbarung beinhaltet beziehungsweise verweist in großen Zügen auf die KI-Verordnung der EU - sie geht aber in Teilen sogar über die Mindestanforderungen der Verordnung hinaus.

„Wir haben sichergestellt, dass unsere Mitarbeiter über genügend KI-Kompetenz verfügen und auch, dass sie bei Neueinführungen umgehend geschult werden“, sagt Petschull. „Wir haben auch geregelt, dass von nun an der Einsatz von KI ohne vorherige Zustimmung des Konzernbetriebsrats nicht gestattet ist. Besonders stolz ist der Betriebsrat auf die Tatsache, dass in der Vereinbarung unter Zusammenarbeit mit der Konzernschwerbehindertenvertretung auch explizit die Integration von Beschäftigten mit einer Behinderung geregelt ist. „Wir können hier Kompetenzteams bilden, um diese Kolleginnen und Kollegen bestmöglich zu unterstützen und zu integrieren.“

SMS group GmbH

Was sie gemeinsam erreicht haben? Das kann Tobias Tigges, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der SMS Group in Hilchenbach gut auf den Punkt bringen: „Wir haben gemeinsam mit dem Arbeitgeber neue Wege der Zusammenarbeit beschritten, eine betriebliche Transformationspartnerschaft zur Erstellung eines neuen außertariflichen Entgeltsystems sowie zur Pflege und Weiterentwicklung der gemeinsamen Entgeltsystematik über mehrere Standorte hinweg auf den Weg gebracht. Darauf sind wir sehr stolz.“

Nötig wurde diese neue Form der Zusammenarbeit, weil sich sowohl das Unternehmen wie auch die Arbeitsprozesse, die die Beschäftigten der SMS group ausführen, seit dem Abschluss der ERA-Einführung, also des Entgeltrahmenabkommen der Metall- und Elektroindustrie an allen deutschen Standorten im Jahr 2007 massiv verändert hat. „Seit der ERA-Einführung wurde das Unternehmen mit einem anderen Unternehmen zusammengeführt, es gab vier Standorte mit zwei unterschiedlichen Entgeltsystemen und die Anzahl an Funktionsbeschreibungen war erheblich angestiegen“, sagt Tigges. Die Folge: Die Abgrenzung der tariflichen zu den außertariflichen Funktion war nicht mehr eindeutig auszumachen und auch das Vergütungssystem der Außendienstmitarbeiter war nicht mehr zeitgemäß. „Das konnten wir nicht so lassen.“

Wegen mangelnder Pflege des Entgeltsystems stellte sich 2019 der gemeinsame Wunsch von Arbeitgeber als auch Betriebsrat heraus, das Entgeltsystem zu überarbeiten und an die neuen Strukturen des Unternehmens anzupassen. „Uns als Betriebsparteien war wichtig, die Modernisierung der Entgeltsysteme gemeinsam zu entwickeln und das Thema Entgelt dabei mit hoher Sensibilität zu behandeln.“

Unterstützt durch eine gemeinsame beratende und moderierende Begleitung beider Betriebsparteien wurde ein Projekt aufgesetzt, dessen Art und Umfang für die Akteure ein absolutes Novum darstellte - die daraufhin folgende Zusammenarbeit der Betriebsparteien bis zur finalen Einführung des neuen Entgeltsystems im August 2024 zeichnete sich durch gegenseitiges Vertrauen und gemeinsamen Handeln aus.

Und sie war sehr erfolgreich.

Am Ende der Projektlaufzeit hatte die Projektgruppe acht abgeschlossene Vereinbarungen rund um das Thema Entgelt im ERA/AT vorzuweisen und eine tarifliche Ergänzungsvereinbarung zum Entgeltrahmenabkommen. „Das neue SMS-Haus besteht aus mehreren Etagen und Zimmern, diese fassen Funktionen auf unterschiedlichen Niveaus sinnvoll zusammen“, sagt Tobias Tigges. Es wurden in Summe rund 350 Funktionsbeschreibungen erstellt und den einzelnen Zimmern zugeordnet. Im AT-Bereiche wurden zusätzlich 15 sogenannte AT-Referenzen erstellt.

„Ganz wichtig und wesentlich ist, dass alle Kolleginnen und Kollegen in den Genuss einer Entgeltabsicherung ohne zeitliche Befristung kommen“, sagt Tigges. „Mögliche Entgeltverluste innerhalb des Tarifgefüges wurden tarifdynamisch abgesichert; mögliche Entgeltverluste oberhalb des Tarifgefüges wurden statisch abgesichert.“

ZF Friedrichshafen

Der Name des Projektes verrät die Zielrichtung, er weist auf das, das für den Betriebsrat elementar war, elementar bleibt: „Operation Schiff auf Kurs.“ „Das ist Auftrag und Anspruch für unsere Arbeit“, sagt Pablo Ole Schmidt, Betriebsrat von ZF Friedrichshafen. „Wir haben uns zusammen auf den Weg gemacht, gemeinsam ein Zielbild entworfen für eine Standortsicherung 2028 für über 4500 Beschäftigte in der Verwaltung und Entwicklung. Darauf sind wir stolz.“

Angefangen hat alles im Jahr 2020. „Da verhandelte die IG Metall einen Tarifvertrag Transformation, dieser sollte unser Unternehmen wettertauglich machen für den aufkommenden Sturm der elektrischen und digitalen Transformation“, sagt Schmidt. „Ein wesentlicher Punkt war die Erarbeitung eines Zielbildes bis Ende 2022. Was machen wir in Zukunft? Wo stehen wir in 5 Jahren?“ Diese Fragen galt es zu beantworten.

Anfangs verliefen die Diskussionen und Verhandlungen mit dem Arbeitgeber allerdings äußerst schleppend.

Die Nachwirkungen der Pandemie und die volatilen Lieferketten waren die Topthemen, während die Transformation weiter voranschritt. „Der Arbeitgeber schien überfordert mit diesen Herausforderungen, was sich in zähen Zielbildverhandlungen widerspiegelte“, so Schmidt. „Im Oktober 2022 dann Alarmstufe rot, der Tarifvertrag war kurz vor seinem Auslaufen und wir waren weit weg von einem belastastbaren Zielbild.“ Eine Betriebsrat Task Force bestehend aus sechs Mitgliedern wurde eingerichtet, um das Scheitern der Zielbildverhandlungen abzuwenden. Das gelang – der Weg hin zum gemeinsamen Zielbild aber war noch weit.

Im Januar 2024 mobilisierte der Betriebsrat trotz Wind und Wetter Tausende von Kolleginnen und Kollegen und marschierte mit ihnen gemeinsam zur Konzernzentrale. Hier veranstalte er eine große Kundgebung mit abschließender Pressekonferenz mit der regionalen sowie nationalen Presse. Die Bilder der tausenden Beschäftigten, welche trotz strömenden Regen vor die Konzernzentrale zogen, entfalteten ihre Wirkung - sehr intensiv wurde nun, endlich, verhandelt. Ende Mai 2024 war das Zielbild fertig.

Erreicht wurde Großes: Eine Beschäftigungssicherung mit Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis zum 30. Juni 2028. Die Auflistung sämtlicher Kompetenzen, Produkte und Dienstleistungen am Standort. Dazu gibt es nun konkrete Zusagen, welche Produkte und Dienstleistungen am Standort die nächsten fünf Jahre bleiben oder entwickelt werden sowie Investitionen am Standort. Und schließlich sollen Schwankungen beim Personalbedarf zukünftig einfacher über interne Lösungen abgedeckt werden können.

Deutscher Betriebsräte-Preis

Eine Initiative der Zeitschrift "Arbeitsrecht im Betrieb"
mehr zum Betriebsrätepreis

Schwerpunktthemen

Wöchentlich „Aktuelles für Aktive“