Schneider Electric Automation Seligenstadt
Beschäftigte geben ihren Standort nicht auf

Die Belegschaft von Schneider Electric Automation in Seligenstadt kämpft für den Erhalt ihres Standortes. Die Konzernleitung in Paris will 150 Stellen aus dem Rhein-Main-Gebiet ins bayerische Marktheidenfeld verlagern. Mit einem Masseneintritt in die IG Metall haben die Beschäftigten nun die ...

16. März 201016. 3. 2010


... Verhandlungsposition ihres Betriebsrats gestärkt.

Zu Beginn waren es nur Gerüchte: Im Sommer 2009 werden die Pläne der Schneider Gruppe öffentlich, weltweit Standorte zusammenzulegen. Bei den rund 150 Beschäftigten von Schneider Electric Automation und ihren etwa 100 Kollegen bei Schneider Electric in Seligenstadt bei Offenbach macht sich Unsicherheit breit. Sie befürchten, dass die Automation ganz oder teilweise in das etwa 70 Kilometer entfernte Marktheidenfeld verlagert werden soll. Dort hat die auf Verpackungsmaschinen-Automatisierung spezialisierte Schneider-Tochter Elau AG ihren Sitz.

„Es rechnet sich nicht“
Geschäfts- und Konzernleitung lassen die Beschäftigten zunächst über ihre Pläne im Unklaren. Der Betriebsrat der Schneider Electric Automation erhält Einblick in mögliche Szenarien, wird aber zum Stillschweigen verpflichtet. Mit Unterstützung der IG Metall machen sich die Arbeitnehmervertreter daran, einen Alternativplan auszuarbeiten, um die Arbeitsplätze in Seligenstadt zu erhalten. „Eine Verlagerung von Kapazitäten nach Marktheidenfeld ergibt betriebswirtschaftlich keinen Sinn. Es rechnet sich einfach nicht“, fasst der Betriebsratsvorsitzende Peter Görlitz die Argumente der Beschäftigten zusammen.

Alternativen
Anfang November stellen Görlitz und seine Betriebsratskollegen ihr Konzept der Konzernleitung in Paris vor. Begleitet werden sie dabei von über 40 Kollegen, die vor der Konzernzentrale für den Erhalt ihres Standortes demonstrieren. Unterstützung erhalten sie von Mitgliedern der französischen Gewerkschaft CAT. Doch weder die Argumente der „Seligenstädter“, noch die Solidarität der französischen Kollegen können die Konzernleitung zum Einlenken bewegen.

Schneider-Beschäftigte vor der Firmenzentrale in Paris

Schneider-Beschäftigte protestieren vor der Firmenzentrale in Paris für den Erhalt des Standorts Seligenstadt.

Im dritten Quartal 2011 sollen die 150 Arbeitsplätze der Schneider Electric Automation von Seligenstadt nach Marktheidenfeld verlegt werden. Zugleich sollen an beiden Standorten 16 Prozent Personal abgebaut werden. Lediglich Schneider Electric mit den Aufgaben Vertrieb und Service soll im Rhein-Main-Gebiet verbleiben.

Ökonomisch und ökologisch nicht sinnvoll

„Eine geschickte Aufgabenteilung zwischen Seligenstadt und Marktheidenfeld wäre wirtschaftlich und ökologisch sinnvoller, als eine Teilverlagerung des Standortes“, kritisiert Arbeitnehmervertreter Görlitz. Allein die Einmalkosten für den Umzug und die Mittel für einen Sozialplan würden die ohnehin schon sehr geringen Einsparungen durch die Zusammenlegung letztlich aufzehren, so Görlitz: „Unterm Strich wird ja kein Standort geschlossen, lediglich die Automation soll umziehen.“

Auch Peter Wich von der IG Metall Offenbach sieht in der Verlagerung des Standortes eine „völlig unnötige Härte“ für die Beschäftigten und ihre Familien. „Viele wären zum Umzug gezwungen und müssten ihr soziales Umfeld aufgeben“, gibt Wich, der den Beschäftigten im Kampf um ihren Standort mit Rat und Tat zur Seite steht, zu bedenken.

Know-how-Verlust
Da wohl längst nicht alle Beschäftigten dazu bereit sein dürften, bedeutet der Umzug zwangsläufig einen erheblichen Know-how-Verlust für Schneider. Mehr als die Hälfte der Kollegen, berichtet Görlitz, hätten bereits jetzt eine Anfahrt von mehr als 20 Kilometer zur Arbeit. Denen sei die tägliche Fahrt nach Marktheidenfeld kaum zuzumuten. Mit dem Verlust gut ausgebildeter Beschäftigter gingen für das Unternehmen Werbungskosten einher, um die von ihnen hinterlassenen Lücken zu schließen.

Und täglich 140 Kilometer zur Arbeit pendeln? Das kostet Einiges. Unterm Strich ergeben sich inklusive der Kosten für Treibstoff, zusätzliche Wartungen und Materialverschleiß pro Jahr und Beschäftigten Ausgaben von 7261 Euro. Das haben die Vertrauensleute der IG Metall bei Schneider Electric Automation für ein Flugblatt errechnet.

Folgen für die Umwelt
Um die zusätzliche Umweltbelastung zu verdeutlichen, stapelten die Schneider-Beschäftigten 180 Altreifen vor der Seligenstädter Schneider-Niederlassung an der Steinheimer Straße, berichtet Görlitz von einer Protestaktion: „Und das war nur die Hälfte des Gummis, das zusätzlich pro Jahr verbraucht würde.“

Neben den hervorragend ausgebildeten Fachkräften vor Ort und der möglichen personellen Weiterentwicklung des Unternehmens in Kooperation mit den Hochschulen in der Region spricht für den Betriebsrat vor allem die verkehrsgünstige Infrastruktur des Rhein-Main-Gebiets gegen eine Verlagerung.

Vorteile des Standorts
Schneider ist ein internationaler Konzern mit Standorten auf verschiedenen Kontinenten. Bereits heute arbeiten die Beschäftigten in Seligenstadt täglich mit ihren Kollegen auf der ganzen Welt zusammen – per Telefon oder über das Internet. „Wir können auf Englisch Telefonkonferenzen mit Niederlassungen in Indien abhalten, da werden wir uns doch auch mit den Kollegen in Bayern auf diese Art austauschen können“, witzelt Görlitz.

Arbeitnehmervertreter, Beschäftigte und auch die IG Metall geben den Kampf um die Arbeitsplätze in Seligenstadt aber nicht auf. Um ihrem Betriebsrat für die kommenden Auseinandersetzungen den Rücken zu stärken, haben die Vertrauensleute und Beschäftigten einen Masseneintritt in die IG Metall organisiert. So konnte der Organisationsgrad bei Schneider in Seligenstadt innerhalb von kurzer Zeit auf über 60 Prozent gesteigert werden.

Ein klares Zeichen
Für Betriebsbetreuer Wich ein klares Zeichen der Beschäftigung in Richtung Unternehmensleitung, dass sie sich mit der Verlagerung ihrer Arbeitsplätze nicht abfinden: „Die Beschäftigten haben erkannt, dass sie gemeinsame Interessen haben und mit ihren Aktionen auch gezeigt, dass sie bereit sind sich dafür einzusetzen.“ Dieser Einsatz werde beim Schneider-Management sehr wohl registriert und bleibe nicht ohne Folgen für weitere Entscheidungen.

Eine solche Aktion war auch der „gemeinsame Gleittag“ Ende Februar: Gut die Hälfte der Beschäftigten der Schneider Electric Automation hat sich daran beteiligt. Viele Büros an der Steinheimer Straße blieben leer. Für Betriebsrat Görlitz „ein Vorgeschmack darauf, wie es hier aussähe, würden wirklich 150 Stellen am Standort abgebaut“.

Als Einzelne chancenlos
Die Bereitschaft vieler Beschäftigter, sich an derartigen Aktionen zu beteiligen geht natürlich mit der konkreten Auseinandersetzung um die geplante Verlagerung einher. Betriebsrat Peter Görlitz beobachtet indes, dass viele seiner Kollegen ihre Einstellung zu gewerkschaftlicher Organisation geändert haben. „Vorher habe ich häufig gehört: Wozu brauchen wir die IG Metall?“, erinnert sich Görlitz. Schneider ist nicht tarifgebunden und verfügt über ein eigenes Entgeltsystem.

Mit dem Hinweis auf die allgemeinen Vorzüge einer IG Metall-Mitgliedschaft vermochte er in der Vergangenheit längst nicht jeden zu überzeugen. „Jetzt, da viele Kollegen direkt betroffen sind, hat sich ihre Meinung zur Gewerkschaft geändert.“ Eine Entwicklung, die Gewerkschaftssekretär Wich des Öfteren beobachtet: „Häufig glauben Beschäftigte, insbesondere wenn sie hochqualifiziert sind, ihre Probleme alleine bewältigen zu können. Das mag in Einzelfällen auch so sein. Bei solch gravierenden Entscheidungen wie es die Verlagerung eines Standortes darstellt, merken sie aber schnell, dass sie als Einzelne chancenlos sind.“

Die Verhandlungen gehen weiter
Für die kommende Verhandlungsrunde mit der Geschäftsleitung am 19. März* hoffen Görlitz und seine Betriebsratskollegen vor allem eines: Dass Schneider Electric endlich ein Angebot auf den Tisch legt: „Wir haben bereits ein Alternativkonzept vorgelegt, nun liegt die Bringschuld bei der Geschäftsleitung. Sie muss den Beschäftigten eine gute Perspektive bieten.“

Und sollte Schneider kein vernünftiges Angebot vorlegen? „Dann werden wir uns schon mal überlegen, mit welcher Aktion wir darauf angemessen reagieren können“, sagt Görlitz.



* Anmerkung: Der Verhandlungstermin wurde von Schneider Electric kurzfristig abgesagt, da Geschäftsführer Norbert Gauß das Unternehmen verlässt. Wann die Verhandlungen fortgeführt werden, steht noch nicht fest. Aktuelle Informationen zum Stand bei Schneider Electric gibt es auf der Website der IG Metall Offenbach.

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