Automobilzulieferer haben die Chancen von Industrie 4.0 schon länger entdeckt. Die meist mittelständischen Automotive-Unternehmen sind Teil einer engmaschig verzahnten Lieferkette. Um die Einführung von Industrie 4.0 ging es auf der Automobil-Zuliefererkonferenz von IG Metall und Hans-Böckler-Stiftung in Leipzig. Betriebsräte und Experten diskutierten dabei wichtige Aspekte der Entwicklung Industrie 4.0 aus der betrieblichen Praxis.
Hoher Innovationsdruck
Nach den Worten von Jörg Hofmann, dem Zweiten Vorsitzenden IG Metall, steht die Zulieferbranche vor einer neuen Automatisierungswelle in Produktion, Verwaltung und Entwicklung. Auch wenn Chancen und Risiken der digitalen Vernetzung noch nicht eindeutig abzuschätzen sind, ist eines klar: Die Abläufe in den Betrieben verändern sich massiv: So werden beispielsweise nicht mehr Pläne ausgetauscht, sondern digitalisierte Modelle. Qualität wird vom Hersteller direkt auf der Maschine des Zulieferers verfolgt und gemessen.
Lagerhaltung und Logistikprozesse sind in der Branche schon länger digitalisiert. Denn die Zulieferteile müssen in der Regel just in time an den Autohersteller geliefert werden, damit sie dort ohne Zwischenlagerung weiterverbaut werden können. Beim Einsatz intelligenter Produktionsanlagen liegen Automotive-Unternehmen deshalb deutlich vorn. Sie sind durch den hohen Innovationsdruck aber auch gezwungen, massiv in IT zu investieren.
Gestaltung der Arbeitszeit
Die Entwicklung von Industrie 4.0 bringt nicht nur eine neue Integrationsstufe in der Wertschöpfungskette mit sich. Sie hat auch gravierende Auswirkungen auf Arbeitsinhalte und Mitbestimmung. Durch Industrie 4.0 entsteht eine Industriearbeit neuen Typs, die von den Beschäftigten neue Qualifikationen abverlangt. IG Metall und Betriebsräte setzen sich dafür ein, dass die Beschäftigten dafür gut vorbereitet werden. In diesem Kontext wird klar, wie wichtig der Einstieg in die Bildungsteilzeit gerade im Hinblick auf diese Entwicklungen ist. Hofmann betonte auch die Wichtigkeit einer neuen arbeitszeitpolitischen Kampagne der IG Metall, denn bei der Gestaltung der Arbeitszeit stößt die einzelbetriebliche Mitbestimmung schnell an Grenzen.
Bei Industrie 4.0 braucht es eine solide Technikfolgenabschätzung und daraus abgeleitete Qualitätsbedarfe für die Aus- und Weiterbildung. Die IG Metall fordert erweiterte Mitbestimmungsrechte in den Betrieben und wirksamen Beschäftigtendatenschutz. Es geht um ein Leitbild von guter Arbeit in einer digitalisierten Welt, das die Interessen der Beschäftigten an mehr Arbeitsqualität, besseren beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten und einem guten Leben aufnimmt.
Datenschutz für Beschäftigte
Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang der sorgsame Umgang mit Daten, die in der Produktion entstehen. Ein Betriebsrat berichtete auf der Zuliefererkonferenz von einem Beispiel aus China. Dort tragen Mitarbeiter in ihren Mänteln RFID-Chips. Damit kann genau verfolgt werden, wo jeder Mitarbeiter ist. Über die RFID-Chips soll bei Störungen der am nächsten befindliche Mitarbeiter ausfindig gemacht werden, der dann die Störung möglichst schnell beheben soll. Die auf diesem Weg erhobenen Daten können aber auch ganz schnell zur Überwachung der Beschäftigten ausgewertet werden.
Das Beispiel zeigt, wie wichtig die Rolle ist, die Betriebsräte in diesem Prozess spielen. Sie stellen die Weichen stellen und entwickeln Leitbilder, Leitplanken und Gestaltungsansätze für die betriebliche Praxis. Denn auf der einen Seite könnte Digitalisierung dazu führen, dass für die Beschäftigten neue Gestaltungsspielräume entstehen. Dann wird die Arbeit besser, interessanter, verantwortungsvoller. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass der Mensch zum Rädchen in der digitalen Fabrik wird. Die Beschäftigten müssen frühzeitig in die Veränderungsprozesse einbezogen werden, damit auch in der vollkommen vernetzten, digitalisierten Fabrik klar ist, wer Tempo und Takt vorgibt: Der Mensch und nicht die Maschine.