Interview zu Chancengleichheit
Unser Ziel: Mehr Lebensqualität

Wir brauchen eine gerechtere Verteilung von Arbeit. Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall, wirbt für praktikable Lösungen, die Männern und Frauen eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Leben bringen.

8. März 20168. 3. 2016


Der Aktionsmonat „Wer die Besten will, kann auf Frauen nicht verzichten“ und die Hochlaufphase der Tarifrunde der Metall-und Elektroindustrie fallen in diesem Jahr zusammen. Ist das gut oder schlecht für die Frauen?
Christiane Benner: Beides lässt sich gut miteinander verbinden. Auch Frauen profitieren davon, wenn es mehr Geld für alle Beschäftigten gibt. Außerdem wollen wir in dieser Tarifrunde Betriebe einbeziehen, für die bislang kein Tarifvertrag gilt. Unsere Tarifverträge sorgen für mehr Gerechtigkeit. Die Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern ist in tarifgebundenen Betrieben acht Prozentpunkte niedriger als in Betrieben ohne Tarifvertrag.

Rund um den Internationalen Frauentag finden vor Ort viele Aktionen statt – da kann doch gut über die Forderung der IG Metall informiert werden. Wir sind stolz darauf, dass jetzt fast 406 000 Frauen Mitglied der IG Metall sind. Wir wollen noch mehr werden.

Was erwartet die IG Metall jetzt von dem Gesetzgeber?
Die konsequente Umsetzung des Koalitionsvertrags. Einige Vorhaben sind schon Gesetz geworden, zum Beispiel die Quote und Zielvorgaben für Aufsichtsräte und Vorstände, ebenso das Elterngeld Plus und flexiblere Regelungen zur Elternzeit. Das alles bringt uns weiter auf dem Weg zu einer wirklichen Gleichstellung. Auch der Mindestlohn hat die Situation vieler Frauen verbessert. Viele Minijobberinnen sind jetzt sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Das gesetzliche Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit steht noch aus. Das ist ganz wichtig für die Beschäftigten, die wegen Kindererziehung oder Pflege zeitweise aus dem Job aussteigen wollen. Es ist gut, dass es jetzt Eckpunkte zu einem Entgelttransparenzgesetz gibt. Das soll die Rechte von Betriebsräten und Beschäftigten stärken. Die Unternehmen müssen ihre Entgeltdaten analysieren, veröffentlichen und diskriminierende Strukturen abbauen.

Wie schätzt Du die Aufstiegschancen von Frauen ein?
Ganz ehrlich: Wenn in 192 Dax-Vorständen nur 16 Frauen sind, dann ist da noch viel Luft nach oben. Die gesetzliche Verpflichtung zu einer Quote für Aufsichtsräte ist das eine. Da tut sich endlich was. Angeblich haben wir Fachkräftemangel und alle schwadronieren von der Feminisierung der Arbeit. Aber ich sehe nicht, dass den Frauen in Produktion und Büro der rote Teppich ausgerollt wird.

Männer und Frauen müssen die gleichen Möglichkeiten für beruflichen Aufstieg haben. Es gibt aber kaum Weiterbildungsangebote für Beschäftigte mit reduzierter Arbeitszeit. Aufstieg und Führung in Teilzeit ist in deutschen Firmen kaum denkbar. Da muss noch mehr geschehen. Deshalb starten wir unsere Arbeitszeitkampagne „Meine Zeit – mein Leben“. Wir brauchen Arbeitszeiten, die zu den Lebensphasen der Menschen passen. Das bringt Freiräume für eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Leben oder für Weiterbildung. Und damit für Frauen die Chance, sich beruflich weiterzuentwickeln. Unser Ziel ist mehr Lebensqualität für alle, für Frauen und für Männer. Dabei spielt eine gerechte Verteilung von Arbeit eine entscheidende Rolle.

In den Betrieben ändert sich durch Industrie 4.0 und Digitalisierung viel.
Digitalisierung kann zu einem Gewinnerthema für die Beschäftigten werden, wenn wir sie gestalten. Mobiles Arbeiten kann zu mehr Zeitsouveränität führen, weil die Beschäftigten unabhängiger von Zeit und Ort Aufgaben erledigen können. Damit das klappt, brauchen wir aber verlässliche Arbeitszeitregelungen und ein Recht auf’s Abschalten.

Die Betriebe ändern sich grundlegend, sowohl in der Fertigung als auch in den Bürobereichen. Die Arbeitsabläufe werden komplexer, die erforderlichen Kompetenzen ändern sich. Beschäftigte haben andere Aufgaben. Sie brauchen Freiräume, um sich zu qualifizieren. Da ist die tarifliche Bildungsteilzeit, die wir in der letzten Tarifrunde durchgesetzt haben, eine gute Ausgangsbasis.
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